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Monika Rasch 15.03.2013 18:52

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Wir hatten eine schöne Trauerfeier , der Diakon hat es wirklich sehr schön gemacht.
Er war ja vorgestern beim Papa, wir haben alles besprochen, Organist, die Lieder aus der Ökumene,damit auch unsere Evangelen mitsingen können.
Der Diakon versprach, auch aus meinem Geschriebenen was in seiner Ansprache unterzubringen, ich schickte ihm Abends die 2 Seiten per Email.


Gestern morgen , also früh vor der Beerdigung, rief er mich an und fragte,

ob ich nicht DOCH selber vortragen wolle.
Denn eigentlich wollte ich das ja sowieso, es ist halt bei einer katholischen Beerdigung nicht vorgesehen.
Aber er meinte, dieser Brief wäre so persönlich, er möchte gerne dass ich ihn selber vortrage.
Und ich sagte, ich trau mir das zu.

__________________________________________________ ___________





__________________________________________________ ______________
Loslassen kostet weniger Kraft als Festhalten; und dennoch ist es schwerer.
( Zitat, Urheber

Detlev Fleischhammel)


Ich bin Einerseits.unendlich traurig.

Einerseits.

Es ist so unvorstellbar, dass Mama nicht mehr durchs Haus wuselt und um
uns alle besorgt ist-sich auch oft ungefragt um unsere Leben kümmert,
ungefragt Rat erteilt-
kurz, überall mitmischt.
Unvorstellbar, dass unser Papa nun alleine entscheiden muss

ob er isst, ob
er genug isst,
und was er isst.
Unvorstellbar,

dass unser Papa nun alleine entscheiden muss was er
anzieht.


Sie hat sich einfach um alles gekümmert.
Immer sollten wir ordentlich aussehen, schlunzig ging gar nicht.

Oft gab es Diskussionen, ob oder wann sie mal bei uns Töchtern zum
Großreinemachen anrücken soll,

wir fühlten uns dann in unserer
Hausfrauenehre gepackt und haben mal wieder etwas gründlicher gemacht


als es unsere immer knappe Zeit eigentlich zuliess.


Und kochen konnte meine Mama,

immer lecker,
immer Wunschkost
für uns
alle

die wir zum Mittagessen Sonntags "Nach Hause" kamen.

Kuchen vom Bäcker....neeee.
Selber backen.

Wir haben eine Mama verloren, für die ihre Familie einfach alles war.
Ein Flüchtlingskind, vertrieben aus Niederschlesien nach Norddeutschland.
Butjadingen, Stollhamm.

Keine Möglichkeit eine Lehre zu machen,ein Leben lang ungelernte Kraft.

Eine fleissige Mama, die in jungen Jahren, um etwas mehr Geld in die Haushaltskasse zu bringen, putzen gegangen ist.
Und morgens, bevor mein Papa zur Arbeit fuhr, gemeinsam mit ihm die Tageszeitung austrug.
Eine Mama die mit 39 Jahren den Führerschein machte, den Taxischein drei
Jahre später-
und dann morgens mit dem eigenen Taxi die Frühschicht fuhr.

Und Papa fuhr Spät- oder Nachtschicht.
Eine Mama, die trotz der vielen Arbeit immer ein offenes Ohr hatte für die Sorgen Anderer,
Nachbarn, Freunde- und die immer einen Rat hatte.
Durchhalten, es wird auch wieder besser.
Alles dafür gab, dass wir Kinder alles bekamen was wir brauchten.
Die unsere Kleider selber nähte, und immer darauf achtete, dass wir,,nicht weniger bekamen als das was auch Kinder mit
betuchteren Eltern bekamen.

Eine Mama die wusste, egal wie bärbeissig Papa manchmal war, dass er sie liebt und mit ihr durch dick und dünn geht.
Und das hat er in den letzten schweren Wochen auch getan.

Wir haben eine Mama verloren, wie man sie besser nicht hätte haben können.
Unsere Mama hat uns Mädels stark gemacht, weil sie so widerborstig war-
sie wusste dass Frauen lernen,arbeiten und Geld verdienen müssen, damit sie
unabhängig bleiben und selber ihr Leben bestimmen können.

Und trotzdem :

Andererseits bin ich dankbar, dass meine Mama einen so sanften Tod hatte.

Auch wenn uns damit die Möglichkeit genommen wurde, einiges noch anzusprechen.

Aber wir haben in den letzten Wochen noch viel geredet.

Genau so wie ich Heike in meinem Herzen trage und jederzeit weiss
wie sie reagieren und was sie sagen würde-
Genau so trage ich unsere
Mama mein Leben lang im Herzen.



Sie ist nicht fort, wir sehen sie nur nicht mehr.
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Während ich dieses vorlas, sah ich oft in den Raum, den Menschen dort in die
Augen- und war froh, viele lächelnde Gesichter zu sehen.

Hinterher gings ins Lokal, und als alle fort waren, habe ich mir mit meiner
Schwester noch 1 - 3 Mariacron genehmigt.

Und danach blieben wir Beide noch bis spätabends zusammen, Sandra kam noch
mit zu einer Segelfreundin von mir.

Heute der Tag ist irgendwie ziemlich an mir vorbei gelaufen.
Und jetzt geh ich ins Bett.

Mirilena 15.03.2013 20:48

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Liebe Moni,

du hast einen wunderbaren und sehr persönlichen Text für deine Mama geschrieben und es ist schön, dass du ihn selbst vortragen konntest. Ich glaube auch, dass es allen Anwesenden gut getan haben wird, deine Zeilen zu hören. Sie berühren einfach und sie beschreiben eine wunderbare Frau.

Ich glaube ja, dass deine Mama das alles sehr wohl gehört hat und bestimmt hat es ihr gefallen. Wie könnte es auch nicht?! Einen schöneren Text kann eine Tochter ihrer Mama wohl nicht widmen...

Danke, dass du ihn mit uns hier geteilt hast!

Liebe Grüße
Miriam

monika100 15.03.2013 23:22

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Hallo Moni,

habe heute an dich gedacht.

Wie schön, dass du den Brief für deine Mama selbst vortragen konntest.
Ich hätte das bei meinem Vater auch gerne gemacht - aber ich habe es mir wegen der vielen Weinerei nicht zugetraut.

Alles Liebe für dich,

Monika

undine 16.03.2013 23:32

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Liebe Moni,

ein wunderschöner Text von dir!!
Damit hast du die Abschiedsfeier zu etwas ganz, ganz besonderem gemacht!

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Tag an dir "vorbei gelaufen" ist.

Und ich hoffe sehr, dass du Zeit für dich haben kannst; dich zu besinnen, zu trauern, und wieder aufzustehen...aber das ist wohl keine Frage - du bist eine so großartige Frau!

Von Herzen wünsche ich auch deinem Vater, dass er sich deine Ma zurecht finden wird.

Euch allen, alles Liebe!!

edith57 17.03.2013 17:25

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Liebe Moni,

Was für ein schöner Brief an deine Mama - und der Diakon hatte recht: von dir vorgelesen war er noch um ein Stückchen schöner, noch persönlicher, noch herzlicher.....
Du kannst stolz auf dich sein.

Ganz liebe Grüße
Edith

Tiina 20.03.2013 15:29

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Liebe Moni,
es tut mir sehr leid, dass Du Deine Mama jetzt so schnell verloren hast!

So einen schönen Brief hast Du an Deine Mama geschrieben und ich kann mir vorstellen, was für eine warme Atmosphäre damit auf der Beerdigung entstand.
Und irgendwie scheint es mir so, als ob Du Deiner Mama ziemlich ähnlich bist...

Ich wünsche Dir sehr, dass das Wissen Dich ein bißchen trösten kann, dass Deiner Mama viel Leid erspart geblieben ist und dass Du Dich um sie mit der gleichen Liebe und Tatkraft gekümmert hast wie sie sich um Euch.
Alles Liebe,
Anja

Monika Rasch 21.03.2013 15:22

AW: Erst Heike, jetzt meine Mama
 
Zitat:

Und irgendwie scheint es mir so, als ob Du Deiner Mama ziemlich ähnlich bist...
:D Wohl wahr.
Gibt schlimmeres:D.

Ich habe es auch gerne "nett" in der Familie, Stänkerei liegt mir nicht so.

Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht.
Und eben deshalb ist es so wichtig sich dessen bewusst zu sein.

Unsere Familie bedeutet lebenslangen Zusammenhalt, es sei denn es würde wirklich etwas ganz Gravierendes vorfallen.

Ist auch nicht immer alles Friede Freude Eierkuchen, aber "Reden hilft".



Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 16:27 Uhr.

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