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mausi69 04.10.2014 10:48

AW: Geht es euch auch so?
 
Liebe Jutta!

Wie man mit den Gemeinsamkeiten die man mit dem verlorenen Menschen geteilt hat umgeht, dazu kann glaube ich dir niemand einen Rat geben. Man macht seine Erfahrungen was einem gut tut und was nicht!

Bei meinem Papa ist es ganz merkwürdig. Er macht jetzt viele Dinge die die Mama nicht mochte. Sie wollte nie eine Mikrowelle haben jetzt steht eine in der Küche, sie wollte nie einen plattenspieler kaufen Papa hat sich jetzt einen gekauft! Ich habe bei ihm das Gefühl das er wütend auf Mama ist und so zeigt ich bin traurig das sie mich alleine gelassen hat aber ich schaffe es auch ohne sie!

Es ist bei ihm die unendliche Traurigkeit über Mama's Tod, seine erste große Liebe hat ihn nach über 36 gemeinsamen Jahren alleine gelassen! Ich habe bis heute auch noch nicht erlebt, das er irgendwas unternommen hat was die beiden sonst immer zusammen gemacht haben!

Auch du wirst deinen weg selbst finden um die schönen Dinge im Leben für dich neu zu entdecken. Auch wird die Zeit kommen wo du eure cd's alleine hören kannst!

Alles liebe mausi

Yogi 12 04.10.2014 20:44

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo zusammen,

vielen Dank für eure unterstützenden Worte.

Ich werde mir einen Weg suchen müssen Dinge zu finden die mir Sinn geben.
Es ist jetzt so, dass es schwer fällt mir eine Freude zu bereiten. Ich kaufe einen Rosenstrauß und achte nicht auf die Schönheit der Blumen, empfinde nichts dabei wenn ich hinschaue. Auch wird in - Zwiegesprächen mit meinem Mann - öfter die Frage gestellt, warum er mich alleine zurückgelassen hat. Die Frage ob es mir noch gelingt einen Lebensweg zu finden den ich als sinnvoll erachten kann, wird er mir genauso wenig beantworten können wie die Erste.

Bereits zu Lebzeiten haben wir Abschied genommen. Mausi hat in ihrem Thema dazu einen wertvollen Text veröffentlicht, den ich mir aufschreibe, weil er genau das aussagt, was ich bei dem Krankheitsverlauf meines Mannes gedacht und gefühlt habe.
Die vorweggenommene Trauer hatten wir schon direkt nach der Diagnose. Der langsame Prozess des Abschieds fing damit an. Jeden Tag ging ein kleines Stück von der Kraft verloren, die ich einst so schätzte.

Die Welt des Sterbenden ist oft voller Ängste und es beschäftigt mich immer noch, dass in dieser Zeit nicht behutsamer von Seiten der Ärzte, des Pflegepersonals und vielleicht auch von mir - mit diesem Prozess umgegangen wurde.

Es ist klar, das Schuldgefühle da nicht weiterhelfen, aber ich habe die Trauer noch nicht bewältigt.
Geht es nur mir so oder haben andere auch Probleme mit dem Loslassen dieser unsinnigen quälenden Fragen?

Liebe Grüße

Jutta

HelmutL 04.10.2014 22:21

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Mausi,

Zitat:

Zitat von mausi69 (Beitrag 1288593)
Bei meinem Papa ist es ganz merkwürdig. Er macht jetzt viele Dinge die die Mama nicht mochte.

Ich finde das überhaupt nicht merkwürdig. Ich finde das als normal. Warum sollte er sich jetzt nicht einen Plattenspieler kaufen? Das hat nichts mit Trotz zu tun. Er kann es jetzt tun, ohne zu fragen. Dein Vater muss sich sein Leben einrichten ohne deine Mutter. Dieses Leben muss kein Abklatsch des alten sein und wird es sicher auch nicht werden.

Zitat:

Zitat von mausi69 (Beitrag 1288593)
Ich habe bis heute auch noch nicht erlebt, das er irgendwas unternommen hat was die beiden sonst immer zusammen gemacht haben!

Deine Mutter ist jetzt etwas mehr als 3 Monate verstorben. Vielleicht kann er so was noch nicht tun, ohne dass die dadurch aufbrechende Erinnerung zu sehr weh tut? Auch ich habe lange Zeit gebraucht, bis ich das schaffte. Es hat nichts damit zu tun, dass es nicht mehr interessiert, sondern damit, ob man es aushalten kann: das Lieblingsrestaurant, 'ihre' Musik, der Urlaubsort ...

Ihr habt zwar den gleichen Menschen verloren, doch ihr Beide trauert um zwei ganz verschiedene Personen. Du hast deine Mutter verloren, dein Vater seine Frau. Ich denke, dein Vater wird noch so einiges tun, was du nicht auf Anhieb verstehst und deiner Trauer vielleicht auch weh tut. Rede mit ihm und versuch ihn zu verstehen und zu akzeptieren.

Hallo Jutta,

diese Fragen werden dich sicher noch länger beschäftigen und auf die wenigsten wirst du endgültige Antworten erhalten können. Das ist nicht schlimm. Auch mit ungelösten Fragen kann man sehr gut leben, wenn man akzeptiert, dass es keine Antworten gibt.


Liebe Grüße,

Helmut


PS: Mausi, denk vielleicht mal über diesen Satz nach
Zitat:

Zitat von HelmutL (Beitrag 1288567)
Zu entdecken, dass 2 nicht die Summe von 1 + 1 ist, sondern die Schnittmenge. Wenn auch eine sehr große.


mausi69 04.10.2014 22:49

AW: Geht es euch auch so?
 
Lieber Helmut!

Deine Zeilen bringen mich oft zum weinen, du schreibst mit einer feinfühligkeit wie ich es selten erlebt habe.

Ich glaube du hast meine Zeilen an Jutta falsch verstanden oder ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich unterstütze meinem Papa in allem was er tut. Ich freue mich wenn er Sachen macht die früher nicht möglich gewesen wären, so wie plattenspieler kaufen. Für mich nur merkwürdig, weil es alles Dinge sind die die Mama nie mochte oder wollte.

Sicher trauern wir beide anders als der andere. Wir gehen den weg der Trauer aber zusammen und das ist für mich das wichtigste.
Ich werde immer für mein Papa da sein und das nicht nur weil ich es der Mama am sterbebett versprochen habe.

Es werden so wie du schon geschrieben hast Dinge passieren die mir vielleicht nicht so gefallen, aber ich kann alles akzeptieren was meinen Papa glücklich macht!

Ich bin schon wider nur am weinen.

Danke das du immer einen passenden Rat für uns alle hier hast. Es tut einfach nur gut!
Mausi

Yogi 12 07.10.2014 18:49

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo zusammen,

Ich möchte und muss auf dem Weg zurück ins Leben eine neue Beziehung zu meinem Mann finden, aber es stellen sich intensive Gefühle ein.

Momentan mache ich Rückschritte, es geht mir gar nicht gut und ich wein viel. Da ist dann wieder das Mitgefühl, das ich mit meinem Mann empfinde.
Ich fühle mit seinem Schicksal, weil er leiden musste.

Es ist verwirrend dass ich jetzt wieder so stark Trauer.
Ich sehe ihn mit all dem was ihn ausgemacht hat, sehe seine Einmaligkeit und erlebe schmerzlich dass er unersetzlich ist. Die Sehnsucht nach ihm schafft mir so eine Art Nähe...

Gestern war ich das erste Mal bei meinem neuen Hausarzt ( er war der Palliativarzt meines Mannes )
Er hat mir eine von mir gewünschte Patientenverfügung mitgegeben und ich werde sie allein und mit ihm gründlich durcharbeiten.

Auch wird ein längerer Gesundheitsscheck vorgenommen, weil es mir seit dem Tod meines Mannes immer schlechter geht.
Wenn ich daran denke, habe ich kaum Ängste, - ich könnte eine unheilbare Krankheit haben - so wie ich sie früher vor solchen Untersuchungen manchmal hatte. Ich bin bei diesem Arzt in besten Händen.
Wenn es so sein sollte, hätte ich sowieso nicht soviel zu verlieren und ich würde bestimmt oft an Ingo denken und unsere gemeinsame( Leidens )Zeit.

Nur mein Hund liegt mir sehr am Herzen, denn von ihm werde ich noch eine Weile gebraucht.

Allen einen schönen Dienstagabend

Liebe Grüße

Jutta

Yogi 12 18.05.2015 08:26

AW: Geht es euch auch so?
 
Ein Montag im Frühling,

Mein Leben - ohne dich - ist nicht nichts, aber weniger und weniger. ( Erich Fried )

Ich habe von dir geträumt, es war ein schwerer Traum.

Schon vor dem Schlaf habe ich viele innere Bilder von dir gesehen und konnte die Tränen nicht aufhalten.

Im Traum haben wir uns lange und Intensiv voneinander verabschiedet.
Deine Mutter hat dir in den letzten Minuten deines Lebens ein Kissen auf das Gesicht gedrückt.
Ich war entsetzt - wollte sie dich schnell erlösen? -
Es gab großen Streit deswegen.

Es bedrückt mich sehr, dass du nicht bei mir bist.
Ablenkung und Betäubung helfen nur bedingt.

Der Schmerz bricht plötzlich mit aller Macht auf....

Gut dass ich heute zu meiner Psychologin gehen kann.

Yogi 12 25.05.2015 07:09

AW: Geht es euch auch so?
 
Pfingstmontag 2015

Heute vor einem Jahr haben wir uns zwischen hoffen und bangen Gedanken gemacht wie das Arztgespräch am Dienstag nach Pfingsten wegen der Zweitmeinung in Essen für dich ausgehen wird.
Du hast gut ausgesehen, wer von der schrecklichen Krankheit nichts wusste, hätte kaum eine Veränderung bemerkt.
Dein Appetit war immer gut, fast bis ans Ende deiner Tage nahmst du nur wenig an Gewicht ab.

Der Pfingststurm hatte Wälder, Parkanlagen und die Straßen verwüstet.
Wir fuhren so zeitig nach Essen dass wir dennoch pünktlich dort ankamen .

Die erste Chemo hatte nur einmal Wirkung gezeigt, danach sahen wir auf dem CT. das der Tumor wieder wuchs.

Der Arzt in der Uni- Klinik in Essen bestätigte das du " gut " aussiehst und fügte hinzu : Es sieht schlecht aus, aber die Situation ist nicht hoffnungslos.
Du solltest wenn die anstehende Therapie nicht wirkt in Essen weiterbehandelt werden.
Für kurze Zeit konntest du aufatmen, hatten wir einen kleinen funken Hoffnung, auch dass die nächste Therapie Wirkung zeigt.

Die Wirklichkeit sah anders aus......

Die physische Energie infolge der Krankheit reichte schon längst nicht mehr dafür aus, dass du so an der Welt teilhaben konntest, wie es deinen Gewohnheiten entsprach.
Du wolltest Leben, - hast die weniger werdende Kraft immer wieder genutzt um aufzustehen und weiter zu gehen.-

Heute ist mir wehmütig ums Herz.
Sehnsucht und Vermissen stellen sich ein.

Ich gehe meinen Weg weiter, auch wenn alles ganz anders ist als einst.

In Liebe

Jutta

hermannJohann 25.05.2015 15:59

AW: Geht es euch auch so?
 
Liebe Jutta,
wünsche Dir viel Mut und Kraft. Der Schmerz ist immer wieder groß. Auch ist es schwer zu akzeptieren, dass alles anders ist. Wer so etwas bewusst erlebt hat, verändert sich auch. Es ist richtig, dass Du Deinen Weg gehst, auch wenn es schwer ist. Ich werde auch nach zwei Jahren noch traurig, wenn ich an die damaligen Ereignisse denke. Meine Frau lag Ende Mai auf der Palliativstation, nachdem die zweite Serie Chemo-Therapie mit Topotecan gescheitert war. Auch wir hofften auf eine zweite Meinung, aber es war zu spät. Die Hoffnungen waren Illusionen, Gebete wurden nicht erhört. Sie wurde zwar noch im Juli im Rheinland operiert, aber drei Wochen später war sie tot. Es gibt einige Ärzte, die mit solchen Situationen nicht umgehen können. Als Tanja vierzehn Tage nach der OP aus dem Krankenhaus ins Hospiz kam, hat sich keiner der Ärzte bei ihr sehen lassen. Sie hatten helfen wollen, konnten dann aber die Niederlage nicht akzeptieren. Ich gehe auch meinen Weg, aber ohne Tanja, sondern alleine.. Yes, I walk alone.
Liebe Grüße Hermann

Yogi 12 28.05.2015 21:25

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Hermann,
danke für die Antwort.

Die letzten Tage im Krankenhaus dachte ich, dass die Ärzte der onkologischen Ambulanz nur meinen Mann so wenig beachtet haben, weil er sich in seiner misslichen Lage sehr zurückgehalten hat mit allem.
Du berichtest ähnliches wie wir es erlebt haben.
Die meisten Ärzte können mit dem Sterbeprozess nicht gut umgehen, es hat keiner mehr nach ihm gefragt....

Er war schon enttäuscht und beunruhigt darüber und sagte mal in seiner trockenen Art:
" Den Japser wollen sie hier nicht mehr haben."

Du hast Recht, wenn du schreibst, dass schwierige Zeiten die Menschen verändern.

Das stelle ich an mir selbst auch fest.
Ich bin jetzt oft freundlicher und zugewandter meinen Mitmenschen gegen über, als vor der Krise und bekomme viel zurück.
Manchmal treffe ich Bekannte aus der Trauergruppe und wir unternehmen etwas zusammen.
Positiv fällt mir auch auf, dass sich eine gewisse Reife einstellt, indem wichtige Dinge gut von unwichtigen unterschieden werden können - und dadurch viel Ballast wegfällt....

Natürlich ist das Leid und die Not in der sich hauptsächlich mein Mann befand unvergessen.

Wenn es mir schlecht geht - denke ich daran.
Wenn ich krank bin - denke ich daran.

Wenn ich Sehnsucht nach ihm habe denke ich allerdings fast immer an die schönen Momente die wir zusammen erlebt habe.

Wenn du magst kannst du mir gerne berichten wie es dir jetzt aktuell so geht.

Herzliche Grüße

Jutta

Yogi 12 29.05.2015 19:10

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Hermann!

Mir fällt gerade auf, dass ich bei meinem letzten Beitrag vergessen habe Omondi zu erwähnen.
Sie fand unseren Austausch im vergangenen Jahr sehr interessant und bat mich dich herzlich von ihr zu Grüßen.

Ihr Mann ist so ziemlich in der selben Zeit gestorben wie deine Frau, nur ein paar Jahre früher.

Liebe Grüße

Jutta

Yogi 12 31.05.2015 17:58

AW: Geht es euch auch so?
 
Ich denke gerade an die letzten 2 Monate und 1 Woche die du ab Juni 2014 noch gelebt hast.
Viele Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf.
Du bist vor mir gestorben.
Das Zurückbleiben ist nicht leicht. Nie werde ich getröstet von dir sterben können.
Manchmal denke ich, was du wohl gemacht hättest wenn ich vor dir gegangen wäre. Vielleicht wärst du in deine Heimatstadt zurückgekehrt und hättest die verhasste Arbeit hier aufgegeben?
Du bist immer zuverlässig zur Arbeit gegangen trotz der scheinbar unüberwindbaren Konflikte mit deinem Abteilungsleiter wolltest du bis zur Rente durchhalten. Genau 10 Jahre hätte das noch gedauert.

Ende November 2013 hattest du dir einen Tag Urlaub für den Termin beim Lungenfacharzt genommen. Der Husten den du schon länger hattest war chronisch und dröhnend geworden.
Uns war klar dass etwas " im Busch " war. Ich dachte an COPD oder an eine Allergie...
Du hattest vor 10 Jahren mit dem Rauchen aufgehört und ich habe nicht an das Schlimmste gedacht ...
Als die Untersuchungen abgeschlossen waren teilte dir der Arzt - kühl und sachlich - die todbringende Diagnose ( Bronchialkarzinom innoperabel/palliativ ) mit. Es tat ihm - glaube ich - noch nicht einmal leid.
Das war der schwärzeste Tag in unserem Leben.

Plötzlich warst du aus der normalen Wirklichkeit gestürzt und das endlose, ergebnislose Grübeln setzte ein.
Du als Betroffener und ich - die ich Weiterleben durfte - es gab wahrscheinlich keine gemeinsame Wirklichkeit mehr.
Du hast dir selten anmerken lassen was in dir vorging.

Für mich war das zusehen müssen und nichts für dich tun können das aller schlimmste. Du wolltest mich trösten, sagtest mir dann immer wieder es sei das Wichtigste " dass ich da bin."

Noch heute denke ich manchmal das ich nicht oft genug da war.
Ich weiß das diese Gedanken unsinnig sind und trotzdem sind sie da.

Meist an den Wochenenden - ohne dich - grübel ich über Dinge nach, die nicht mehr zu ändern sind und von denen ich dachte, dass ich sie schon längst akzeptiert hätte.

In Liebe

Jutta

hermannJohann 02.06.2015 09:53

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Jutta
Hallo Jutta,
vielen Dank für die Grüße von Omondi. Ich wünsche Ihr alles Gute.
Ob ich die letzte Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn finden werde, weiß ich nicht. Ich glaube eher nicht. Religiöse Menschen glauben die Antwort zu wissen. Es sei Gottes Wille. Aber was ist der Sinn von Gottes Willen. So komme ich nicht weiter. Ich begnüge mich mit vorläufigen Antworten. Bereits nach meiner Geburt stand fest, dass ich sterben werde. Nur sehr wenige Menschen sterben plötzlich und unerwartet. Die meisten Menschen haben Zeit, sich darauf vorzubereiten. Eine Frage ist dann: Wie war mein Leben? Das hat sich meine Frau auch gefragt. Man hat anderen Menschen etwas bedeutet, man hat etwas geleistet. Man hat auch Dinge getan, die unnötig waren, auch Fehler hat man gemacht. Ich weiß nicht, welche Antworten ich auf die Frage habe, wenn es soweit ist. Die zweite Frage ist dann: Was wird sein? oder Was sollte sein. Es ist eine altruistische Frage, denn es eine Zukunft ohne den Sterbenden. Meine Frau hat in einem Abschiedsbrief an mich einiges dazu geschrieben. Ich warte nicht, bis ich weiß, dass ich bald sterben werde, und denke jetzt schon darüber nach.
mit besten Grüße
Hermann

Femaleinstinkt 02.06.2015 10:34

AW: Geht es euch auch so?
 
Mein lieber Schatz, meine große Liebe wurde gestern beigesetzt. Es tut so unendlich weh. Ich habe Dich über Alles geliebt und Du fehlst mir so unendlich. Dein Optimismus und Deine tröstenden Worte wenn ich ganz unten war. Unsere Zukunft hatte gerade erst begonnen.... Wir wollten doch endlich einfach nur glücklich sein. Zusammen leben - das war immer unser Thema.
Ich wünschte ich könnte Dich einfach zurückholen. Es wäre wieder Alles normal.... Ich brauche Dich doch so sehr.
Wie kommt man jemals damit klar? Ich bin so verzweifelt. Bis zum Schluss war der Tod keine Option für Dich. Du hast nie darüber gesprochen. Im Gegenteil, noch kurz vor Deinem Tod hast Du Pläne gehabt. Hast immer gesagt: Schatz es wird bald Alles besser.
Ich bin zerbrochen, fühle mich schutzlos. Du warst mein Ein und Alles.

Yogi 12 03.06.2015 13:20

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Zusammen,

Hermann: Deine Antwort bringt mich zum Nachdenken, nimmt dem Gefühl des Alleinseins mit meinen Fragen ein wenig den Stachel.
Zweifellos ist es richtig sich jetzt schon mit dem Ende seines Lebens zu befassen, es wäre wohl schwer damit zu beginnen wenn die Krankheit quälende Beschwerden bereiten würde.
Ob es gelingt im Ernstfall einigermaßen entspannt zu bleiben weiß man erst wenn es soweit ist.

Liebe Femalinstinkt,
es tut mir leid was du gerade durchmachst, du hast mein ganzes Mitgefühl.
Gerade kurz nach dem Verlust ist der Schmerz meist am intensivsten.

Ich bin in der ersten Zeit ziellos umhergelaufen, habe meinen Mann gesucht, habe wenn ich mit meinem Hund allein im Wald war nach ihm gerufen, war verwirrt - konnte es nicht glauben.
Er blieb abwesend, die Welt ohne ihn war leer.

Dieses tiefe Verlustgefühl muss durchlebt werden. Nach einiger Zeit wird es ein wenig besser.
Die Trauer hört nicht auf, unterschwellig ist sie immer da, mal mehr und mal weniger stark. Doch ich möchte es auch nicht anders, - zeigt sie mir doch die innige Verbundenheit zu meinem Mann. -

Ich hoffe du hast in dieser anstrengenden Zeit liebe Menschen um dich, die zuhören können und die es verstehen dich in deiner Trauer so zu nehmen wie du gerade bist.

Liebe Grüße

Jutta

Yogi 12 07.06.2015 22:08

AW: Geht es euch auch so?
 
Heute vor 10 Monaten bist du von mir gegangen.
Meine Erinnerung an dich ist gerade glasklar und es ist als könnte ich dich hautnah erleben.
Lange habe ich auf der Bank - deinem Grab gegenüber - gesessen, habe die Sonne genossen, war tief entspannt und du warst mir ganz nah.

Ich sehe die schöne bunte Unterwasserwelt deines Aquariums dessen Anblick mich so oft gefreut hat. Es hat dir viel bedeutet und du hast es regelmäßig gepflegt.
Das Aquarium vielleicht zu verlieren hat dich bedrückt. Wir wagten uns damals gar nicht vorzustellen, was wir noch alles verlieren könnten.

Dann wieder versuche ich die unerfüllbaren Sehnsüchte zu unterdrücken, dabei habe ich nichts zu verbergen.
Der Tod selbst hinterlässt das Geschenk der Sehnsucht.

Oft habe ich dich während der Krankheit in den Arm genommen und du hast es gern zugelassen, obwohl du früher gar nicht so für`s herzen und umarmen warst.

Das alles ist unwiderruflich vorbei, doch es erleichtert mich über diese Dinge zu schreiben.

In Liebe

Jutta

Yogi 12 09.06.2015 21:12

AW: Geht es euch auch so?
 
Meine Gedanken sind bei dir und ich möchte beschreiben was mich beschäftigt.

Obwohl du erst kürzlich die Krebsdiagnose erhalten hattest, fuhrst du persönlich bei deinem Chef vorbei und brachtest ihm die Krankmeldung.
Du hast den Mut gehabt, länger mit ihm über deine schwere Erkrankung zu sprechen, so dass deutlich wurde dass du lange Zeit ( vielleicht für immer ) nicht mehr arbeitsfähig sein wirst.
Welches Bild von dir solltest du als Betroffener den" Normalen " - die mit ihrem ungestörten Weiterleben rechnen - abgeben? Es blieb dir nur die Möglichkeit die innere Fassungslosigkeit zu verdecken, die einen einigermaßen normalen Kontakt zu den Anderen erlaubt.
Du warst gezwungen dein wirkliches Erleben hinter dieser anstrengenden " Fassade " zu verbergen, sonst hätte dich niemand - bei dieser Todesdrohung - verstanden.
Selbst für mich war es schwierig damit umzugehen.
Manchmal sah ich diese Verzweiflung, spürte sie deutlich aber du konntest meist keine Worte dafür finden.....
Du hast diese oft schwierigen Situationen bestmöglich bewältigt, obwohl Angst und Hoffnungslosigkeit auch für den Psychoonkologen spürbar blieben.
Dieses teilte mir deine Ärztin mit, in dem sie mir sagte: " Ihr Mann hat ganz viel Angst." Ich war sprachlos vor Empörung....

Ja, du hattest Angst vor dem Erstickungstod. Das müsste eigentlich für jeden verständlich sein!

Es tut mir leid, aber heute Abend sind nur diese Bilder und Erfahrungen in mir.
Es ist dennoch ein gutes Gefühl zu wissen dass du mich zwar verlassen musstest, aber unsere Liebe stärker ist als der Tod.

Yogi 12 12.06.2015 23:48

AW: Geht es euch auch so?
 
Ich möchte meine Sorgen, Hoffnungen und Erfahrungen aufschreiben und gebe das weiter was ich während der Krankheit meines Mannes erlebt, gedacht und gefühlt habe. Wie es mir momentan damit geht und was aus dem negativen Lebensgefühl geworden ist welches ich nach dem Verlust meines Mannes so oft gespürt habe, werde ich weiter beobachten. Ob ich damit andere Hinterbliebenen erreiche weil sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben - oder es ganz anders erlebt haben - bleibt offen.

Das Schreiben und Mitlesen hier im Forum hat mir im vergangenen Spätsommer ( neben anderen wertvollen Hilfestellungen ) geholfen, die erste schlimme Trauerphase so gut wie möglich zu bewältigen.

Die traurigen, aber manchmal auch schönen Episoden kommen immer wieder durch und ich möchte davon erzählen.

Heute wäre mein Vater 80 Jahre alt geworden. Ihr beide hattet die selbe Krebsart und seit relativ schnell daran gestorben.
Ich habe das schwarze Spitzenkleid angezogen - welches ich bei deiner Beerdigung - trug und zündete auf dem Friedhof für euch eine Kerze an.
Ich nahm neben den inneren Bildern die auftauchten wahr, dass ich euch die ewige Ruhe gönne, doch mir wurde bewusst wie alleine ich mich fühl in dieser Welt ohne die vertrauten Menschen die mich lange Zeit meines Lebens begleitet haben.

Wie kann mein Herz offen bleiben wenn Angst und Zweifel mich beunruhigen?
Manchmal möchte ich mich dann zurückziehen, aber ich darf mich auch zu meinem Schmerz bekennen.
Ich bin kein besonders spiritueller Mensch, glaube aber dass das streben nach Kontrolle viel Leid erzeugt.
Die Ereignisse entziehen sich jedoch auf direkte Art der Kontrolle. Mal nehmen sie diesen Verlauf und im nächsten Moment einen anderen.
Ich muss die Dinge hinnehmen die sich nicht ändern lassen. Aber wie?

Das Akzeptieren gelingt mal besser und dann wieder gar nicht gut.

Es ist und bleibt wechselhaft.

In Liebe
Jutta

Yogi 12 14.06.2015 07:13

AW: Geht es euch auch so?
 
Und wieder ist Sonntag!

Es stellt sich eigentlich täglich die Frage wofür ich aufstehe, meinen Alltag lebe und weiter gehe.
Meist versinke ich am Wochenende in einem Trauerloch.
In der Woche bin ich mit viel Eifer damit beschäftigt mich abzulenken.
Der Körper funktioniert gut nur die Seele hinkt hinterher.

Mein Mann ist der, den ich wollte. Ich lebe mit seinen Erinnerungen mit seinen Vorlieben und seinem Erleben.
Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen.
Ich will mein Bestes tun, weiß aber, das nicht alles in meinen Händen liegt.


Wenn du lernst wie man stirbt, dann lernst du, wie man lebt.
Morrie Schwartz

hermannJohann 14.06.2015 11:31

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Jutta,
ich wünsche Dir eine guten Sonntag. Es ist sehr selten, dass ein Paar gleichzeitig stirbt. Daher wird immer eine Hälfte zurück bleiben. Ich hätte nie geglaubt, dass meine Frau vorher stirbt. Aber es ist so gekommen. Nun muss ich alleine mein Leben sinnvoll gestalten. Das wäre auch ganz im Sinne von Tanja. Wenn es richtig ist, dass die Seele nach dem Tod irgendwie weiter lebt, wird sie das auch von mir erwarten. Vor drei Jahren, einige Tage vor meinem Geburtstag, kam die Diagnose, vierzehn Monate später starb sie. Die Erfahrungen waren schlimm, ich habe aber auch daraus gelernt.. "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen". Ich wünsche Dir, dass Du einen guten Weg findest.
mit besten Grüßen
Hermann

Yogi 12 18.06.2015 06:14

AW: Geht es euch auch so?
 
All zu große Trauer zu zeigen stört. Diesen Eindruck habe ich jetzt manchmal und ich frage mich selbst schon ob das noch normal ist?

Es ging mir ein halbes Jahr nach deinem Tod besser als momentan. Oft träume ich schwer, wache verwirrt auf und wein viel.
Im Traum hängt über allem die Bedrohung der Krankheit, auch ich leide dann unter Atemnot, aber du lebst noch!
Es stellt sich mir dann die Frage was die Intensivmedizin verlängert hat: das Sterben oder das Leben?
Heute gehe ich zur Trauergruppe und kann mir da noch einmal meine Sorgen von der Seele reden. Danach ist Sommerpause, bis es im September weitergeht.
Ich bin dankbar das ich weiterhin die Menschen um mich habe, die geduldig sind, oder ähnlich denken und fühlen wie ich.
Eine große Hilfe ist dein Palliativarzt, der jetzt mein Hausarzt ist. Er geht immer auf meine Bedürfnisse ein, ist freundlich und einfühlsam.

Hermann: Danke für die Mut machenden Worte, aus denen viel Erfahrung spricht.
Wenn ich an das Schicksal von dir und deiner Frau und den vielen anderen hier im Hinterbliebenenforum denke fühle ich manchmal eine unsichtbare Verbundenheit, die mich nicht so allein zurücklässt.

Yogi 12 18.06.2015 22:30

AW: Geht es euch auch so?
 
Die Trauergruppe hat mir sehr geholfen. Einige haben mir ihre Hilfe angeboten und ich bin dankbar für die Zuwendung.
Ich stelle mir vor dass die Albträume die ich in der letzten Zeit von dir hatte ein letzter Liebesdienst sind, den ich dir erweisen kann.
Das gibt den Träumen einen Sinn, so dass sie nicht nur negativ gesehen werden, sondern du beschäftigst mich lange über den Tod hinaus, bist und bleibst der wertvollste Mensch in meinem Leben.

Yogi 12 19.06.2015 21:22

AW: Geht es euch auch so?
 
Ich sitze am Schreibtisch und denke an dich.
In der Hoffnung dass sich unsere Seelen berühren habe ich immer wieder das Bedürfnis zurückzuschauen.

Vor einem Jahr gegen Ende des Monats Juni ( es war ein sonniger Tag ) fuhren wir mit unserem Hund zum Kanal.
Den Weg bis zum Wasser hast du noch geschafft, dann bekamst du Luftnot und musstes dich auf einen Stein ausruhen. Ich lief mit Yogi eine Weile ohne dich am Kanal entlang.
Ich schaute mich immer wieder nach dir um und es tat weh dich da so allein zu sehen. Wie lange sollte die Ungewissheit und Ausweglosigkeit von dir noch ausgehalten werden?
Die Zeit war schon bald reif, dein Leben zu beenden.
Wir waren das letzte Mal gemeinsam an diesem Ort.
Das Bild von dir hat sich in meine Seele eingebrannt.

Biene703 20.06.2015 07:20

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Jutta...deine Worte sind sehr intensiv.Wir wohnen auch direkt am Kanal und sind da immer sehr viel spazieren gegangen.Du beschreibst das so,ich konnte es fast vor meinem geistigen Auge sehen.Bei uns gab es diese Situationen auch,und ich habe das auch so empfunden.....wenn ich ihn allein da sitzen sah.....er tat mir so sehr leid....es hat mir das Herz gebrochen.....Ich drück dich mal:knuddel:

Yogi 12 23.06.2015 21:25

AW: Geht es euch auch so?
 
Ende Juni 2014 wurde die letzte Chemo versucht.
Die Assistenzärztin sagte uns zwar , wenn das Docetaxel keine Wirkung zeigt gibt es noch eine Palette anderer Medikamente die den Tumor verkleinern könnten, aber es sollte bei dieser Chemo bleiben.
Du spürtest ziemlich schnell, dass sie nicht wirkte. Es zeigten sich kaum Nebenwirkungen, auch der gefürchtete Haarausfall blieb aus.
Erst nach mehrmaligem Drängen, das CT. früher als geplant zu machen, gab die Oberärztin endlich nach und es konnte auf den Bildern erkannt werden dass der Tumor ungestört weiter gewachsen war.
Von da an hat man in der Onkologischen Ambulanz nichts mehr für dich getan.
Die Niederlage war für die Ärzte so groß, dass sie froh waren dich mit einer Überweisung und dem Krebsmedikament Tarceva zur Weiterbehandlung nach Essen schicken zu können.
Trotz der schlechten Nachricht hast du weitergekämpft, bist wenn es gerade noch möglich war mit zum Ausdauertraining gekommen, hast dich nicht gehen lassen und bist jeden Morgen aufgestanden, in der Hoffnung auf Lebensverlängerung.
Deine Camel- Sporttasche die du schon fast 20 Jahre hattest trage ich nun mit mir wenn ich - ohne dich - dort hin gehe.....

Es ist alles da, du bist präsent.
Ich habe wieder das Bedürfnis zurückzuschauen, möchte immer wieder die Fäden in den Griff bekommen, die mich mit dir verbinden.

saverio56 25.06.2015 13:25

AW: Geht es euch auch so?
 
hallo jutta,

habe gerade ein paar zeilen auf deinem portal durchgelesen und ich
muss dir sagen mir geht es genau wie dir.

mein schatz ist jetzt 7 monate schon tot und ich kann es bis
heute noch nicht fassen. ich komme damit überhaupt nicht klar.
er fehlt mir unendlich.

manchmal gehe ich drausen spazieren und die tränen laufen mir
nur so runter. ich kann dagegen nichts machen. es ist einfach so.

der einzige lichtblick den ich noch habe, sind meine 3 kinder. ohne
diese wäre ich meinem schatz schon lange hinterhergegangen.
das ist einfach so. ich kann ohne ihn einfach nicht weiterleben.
aber ich begleite noch eine weile meine kinder durch ihr leben und
wenn ich ganz sicher bin das sie versorgt sind dann gehe ich zu
meinem schatz.:remybussi:engel:

liebe grüße aus winnenden

Landleben 25.06.2015 16:12

AW: Geht es euch auch so?
 
Selbstmordankündigung ?! Das lese ich aus Deinen Beitrag.

Willst Du das Deinen Kindern antun ? So was nenne ich Egoismus, in einem Jahr siehst Du Dein Leben wieder von einer ganzen anderen Seite, vielleicht sogar mit einem anderen neuen Partner, wäre nicht das erste mal, dass zuerst die Verzeiflung so groß ist und dann kommt alles anders.

Landleben

Yogi 12 25.06.2015 20:56

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo ihr,
zu den letzten Beiträgen die jeder anders deuten mag, passt dieser Ausschnitt gut, den ich neulich in einem Fachbuch fand:
Es gibt immer wieder Menschen, die aus einem gesunden Leben heraus plötzlich sterben. Sie sterben nach einer Kränkung, nach einem schweren Verlust oder wenn sie eine wichtige Lebensaufgabe erfüllt haben.
Diese Menschen sterben an gebrochenem Herzen oder sie sterben einen seelischen Tod, der den Körper mit einbezieht.
Am bekanntesten ist ein solcher Tod nach dem Tod eines Partners und es scheint das die Seele dann beschließen kann, dass es Zeit ist zu gehen.
Verzweiflung, Trauer und Depression bestehen nicht aus Luft, korrespondieren im Gehirn und im Körper mit biochemischen Prozessen, die letztlich ein Versagen des Körpers herbeiführen können.

hermannJohann 26.06.2015 14:39

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo zusammen,
Leben wofür? Gesundheit wofür? Das sind für mich wichtige Fragen. Der Mensch lebt nicht nur für sich allein. Deshalb finde ich es völlig richtig, wenn jemand sagt, dass er für seine Kinder weiterlebt. Ich selber lebe, weil ich bestimmte Arbeiten und andere Dinge abschließen will. Vielleicht können auch die Enkelinnen meiner Frau später meine Hilfe brauchen. Natürlich lebe ich auch für mich selbst. Aber in dieser Hinsicht bin ich völlig frei. In dieser Hinsicht gehört mein Leben mir.
mit besten Grüßen
Hermann

Yogi 12 27.06.2015 21:45

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Hermann,

du schreibst dein Leben gehört dir, du hast alle Freiheiten. Das hört sich nach Selbstberuhigung und Selbstbestimmung an. Da du dich intensiv mit diesen Themen beschäftigst,kann sich daraus ein guter Abschied in Würde entwickeln. Auch ich gehöre mir nur noch selbst. Es ist ( obwohl es passiert ) auch nicht sinnvoll einen anderen Menschen mehr zu lieben als sich selbst.
Diese Klarsichtigkeit fehlt mir gelegentlich noch, aber ich arbeite daran....

Liebe Grüße

Jutta

Yogi 12 28.06.2015 20:12

AW: Geht es euch auch so?
 
Heute, es war schon gegen Abend habe ich kurz aber intensiv das Gefühl gehabt, dass du - zwar unsichtbar - neben mir im Raum warst. Beim umschlagen der Tagesdecke auf deiner Bettseite spürte ich einen Sog, ähnlich wie ein kühler Windstoß und ich war sehr erstaunt darüber. So ähnlich habe ich es schon mal empfunden, aber nicht so gut wahrnehmbar wie dieses mal.
Auch wenn ich nicht unbedingt an übersinnliche Kräfte und den Kontakt zu Verstorbenen glaube, habe ich mir diese unsichtbare Energie nicht eingebildet.
Es würde mich beruhigen zu wissen, dass es dir da wo du jetzt bist gut geht, du keine Schmerzen mehr hast....

Du lebst schon in meinen Träumen weiter und jetzt kann ich dich sogar deutlich spüren.Obwohl ich ein wenig skeptisch bin würde ich mich über ein neues Zeichen von dir sehr freuen.

In inniger Liebe

Jutta

Yogi 12 01.07.2015 06:29

AW: Geht es euch auch so?
 
Die letzten Gespräche beim Psychoonkologen.

Du hattest Vertrauen zu ihm und es war dir wichtig, über verschiedene Dinge ( nicht nur über die Krankheit ) mit ihm zu reden.
Dennoch - ganz frei und selbstlos ist glaube ich kein Mensch.-
Als ich mal bei einem Gespräch erwähnte, dass die Ärzte der onkologischen Ambulanz vor und während der Chemo uns weder anschauen noch grüßen, nahm er sie in Schutz und meinte, das es für sie schwierig ist die negativen Botschaften zu überbringen.
Trotzdem schmerzte diese Missachtung, ich konnte es nicht verstehen.
Letztendlich mussten wir mit dieser Situation alleine leben.

Yogi 12 02.07.2015 15:00

AW: Geht es euch auch so?
 
In unser gemeinsames Fitnessstudio gehe ich ab sofort nicht mehr.
Der Betreiber hält sich nicht an die Regeln und das Fass läuft nun über.
Ich musste daran denken wie er sich im vergangenen Sommer aus Kostengründen weigerte die Klimaanlage anzustellen, obwohl es für deine kranke Lunge wichtig gewesen wäre. Dieses mal ist es die Sauna, die während der Ferien aus bleiben soll. Nach einem Streitgespräch bekam ich die sofortige Kündigung - und der Beitrag für Juli wurde erstattet.-
Wir wollten uns im letzten Jahr ein neues Fitnessstudio suchen, aber die Ereignisse überschlugen sich zu unserem Unglück, und für mich blieb es dann bis heute beim Alten. Jetzt ist es gut, dass ich keine Kündigungsfrist einhalten muss, doch wieder bricht ein Teil gemeinsam erlebter Zeit weg und das hat mich traurig gemacht.

In solchen Momenten ist das Vermissen und die Sehnsucht nach dir besonders groß.
Ich kann kaum beschreiben, wie sehr mir deine Liebe und Fürsorge fehlen.
Heute geht es wieder nicht ohne Tränen.

hermannJohann 03.07.2015 14:55

AW: Geht es euch auch so?
 
Hallo Jutta,
das Gefühl, dass man mit der Situation doch allein ist, kenne ich gut. Leider entwickeln sich onkologische Ambulanzen zu Massenabfertigungen. Da kann es leicht passieren, das der Arzt vom Dienst keine Zeit für die Sorgen der Patienten hat. Hinzu kommt das einige Ärzte mit solchen Situation nicht umgehen können. In der Onkologie dürfte das nicht passieren, aber es passiert. Der Chefarzt war da anders, er war fürsorglicher.

Yogi 12 04.07.2015 22:00

AW: Geht es euch auch so?
 
Ich finde die richtigen Worte heute nicht.
Ich weiß nur dass mein Herz schmerzt weil ich Sehnsucht nach dir habe.

Yogi 12 07.07.2015 00:43

AW: Geht es euch auch so?
 
Obwohl du durch die Krankheit und Chemo schon sehr geschwächt warst hast du mein Fahrrad repariert und ich kann es bis heute regelmäßig benutzen.
Dafür danke ich dir.

Du hast alles getan was in deiner Macht stand um zu überleben, dachtest nicht daran aufzugeben. Knie und Rückenschmerzen hast du klaglos hingenommen. Tavor milderte die Atemnot und die damit verbundene Angst vor dem Ersticken, doch sie wurde innerhalb kurzer Zeit immer schlimmer und machte dir große Sorgen.
Einfache Alltagsverrichtungen waren furchtbar anstrengend, du gingst oft bis an die Grenze des erträglichen.

Die Tage sind merkwürdig gewesen, nein, keine guten Tage, Stunden und Minuten mehr, wie auch?
Es gab jedoch intensive Momente der gegenseitigen Zuneigung wie ich sie vorher nie gekannt habe.
Irgendwann möchte ich wieder das Schöne sehen und wertschätzen, aber es kann mir niemand das Gefühl nehmen allein zu sein, denn du bist durch niemanden zu ersetzen.

Ich vermisse nichts so sehr als das, was dich als liebenswerten Menschen ausgemacht hat. Es sind keine äußerlichen oder materiellen Dinge .
Es ist dein Wesen. Die Bescheidenheit, Zuverlässigkeit der innere Kern der mich berührt - und den ich kennenlernen durfte.
Ich danke dir für die 22 Jahre, die ich in guten und schlechten Zeiten mit dir verbringen konnte.

Yogi 12 09.07.2015 23:10

AW: Geht es euch auch so?
 
Für mich ist es eine Binsenweisheit, das sich die Traurigkeit nach etwa einem Jahr allmählich zurückzieht. Es dauert lange und braucht Zeit, es gibt nur wenig Erfahrungen die noch unangenehmer sind als die Trauer.
Ich bin manchmal ziemlich lieblos zu mir selbst, finde mich in meiner eigenen schmerzvollen Wirklichkeit wieder, spüre Wut und Angst und weiß nicht gut damit umzugehen.
Es ist niemand mehr da mit dem ich meine Gedanken, meinen Zorn und meine Liebe teilen kann.

Lebewohl mein lieber Ingo......

sjarissa 10.07.2015 00:05

AW: Geht es euch auch so?
 
ja, so ist es... auch nach Jahren bleibt die Sehnsucht nach einem Menschen, der innerlich so berührt hat.
Das Ersatzteillager, wie so oft propagiert und an die Hand gereicht, gibt es nicht, es ist verdammt schwer, den Weg zum Leben zu finden, steinig, und wenn's nur das wär, erstmal einen Weg, egal wo hin er führt, zu finden, ist schon eine enorme Herausforderung. Und doch, es gibt sie, die winzigen kurzzeitigen Lichtblicke, die Mut geben, weiterzugehen. Vertrau darauf, nach jedem durchschrittenen Tal zeigt sich auch der Weg daraus. Das das Verweilen auf deren, wenn auch zunächst unscheinbaren, Hôhen unendlich sein mag, ist vielleicht nur eine kindliche Vorstellung, aber es allumfassend zu geniessen, wäre ein Wunsch derselben.

Du berührst mich sehr mit deinen Worten, ich wünsch dir eine, nur für dich strahlende, lebenserweckende Sonne.

Sjarissa

Yogi 12 11.07.2015 09:41

AW: Geht es euch auch so?
 
Ich möchte nicht dass mich eine Krankheit in die Enge treibt, bevor ich das Leben und Sterben so annehmen " muss " wie es ist.
Es gibt viele Wege zu lernen damit gelassener umzugehen, das Leben schon " jetzt " so zu nehmen wie es ist.
Die Unbeständigkeit der Gedanken ist vielleicht ein Prozess auf den ich schrittweise achten kann.
Hierbei will ich versuchen Einfluss zu nehmen, damit Grenzen und Hindernisse die mein Leben unnötig schwer machen - überwunden werden können.
Ich beschäftige mich viel mit solchen Dingen und weiß, es hört sich leicht an und ist doch so schwer zu realisieren.
Trotzdem könnte das mein Weg sein, denn es lässt mich hoffen dass nicht alle Mühe die das Leben uns abverlangt hat vergeblich war.
Auf dieser Ebene nehme ich Kontakt zu meinem Mann auf und würde mich freuen wenn er mich eines Tages abholt und wir gemeinsam in das Licht der Ewigkeit eintauchen können.

Liebe sjarissa: Danke für die warmherzigen Worte und Wünsche, die du so schön formuliert hast.

Yogi 12 12.07.2015 18:13

AW: Geht es euch auch so?
 
Es ist ein verregneter Sonntag und die Erinnerung an dich ist wieder sehr lebendig.
Heute war ich in einem neuen Fitnessstudio aktiv, in das ich nun alleine gehen muss.
Ich weiß, es würde dir dort gefallen!
Es gibt einen großen Saunabereich und der Ruheraum ist mit Buddha Figuren bestückt, die zum entspannen einladen.
Die Wärme in der Sauna hat gut getan und ich dachte oft an dich.
Du hast dich nach dem Sport immer auf diese Belohnung gefreut.
Es waren einige Leute, auch Paare da, die wir aus einer längst vergangenen Zeit kannten und es schmerzte als sie nach dir fragten.
Die meisten haben ihre Partner noch und auch das versetzte mir einen Stich.
Es ist so wie es ist, ich muss mich daran gewöhnen....

Trotz deiner brüchigen Existenz hast du mir mal gesagt, dass du immer nur - du selbst - sein willst und kein Anderer, obwohl dieser Andere nicht mit diesem verborgenen Unglück leben müsste.
Dafür liebe ich dich....
Du hättest gerne noch etwas vom Leben gehabt, obwohl - oder gerade weil - die Nähe des Todes unerfüllte Sehnsüchte und vielleicht auch verborgene Konflikte in dir geweckt haben muss.
Das tut mir unendlich leid.....

In Liebe

Jutta

Yogi 12 19.07.2015 09:26

AW: Geht es euch auch so?
 
Morgen am 20.07. ist mein erster Geburtstag den ich ohne dich erleben muss.
Die tiefen Gefühle der Wehmut schmerzen, aber sie verbinden mich mit dir und du bist mir wieder sehr nahe.

Vor einem Jahr umarmten wir uns lange und in der Geburtstagskarte die ich von dir bekam konnte ich lesen dass du glücklich warst schon so viele Jahre mit mir zusammen zu sein.
Du hattest Hoffnung, noch eine längere Zeit mit mir den vorgezogenen Ruhestand zu erleben.
Knapp 3 Wochen danach starbst du schnell und unvorbereitet, aber mit schwerer Atemnot, die selbst mit Morphium kaum in den Griff zu kriegen war.
In einem engen unruhigen Zweibettzimmer der Städtischen Kliniken hast du ohne Würde deine letzten Atemzüge gemacht. Diese Tatsache bedrückt mich bis heute.
Genau an dem Morgen als du gestorben bist solltest du auf die Palliativ-Station eines nahegelegenen Krankenhauses verlegt werden.
Ich hätte dort Tag und Nacht bei dir sein können, sogar unser Hund wäre dabei gewesen. So gerne hätte ich dich mit all meiner Liebe auf deinem letzten Weg begleitet, doch es sollte nicht so sein.

Es tröstet mich ein wenig, dass deine Leidenszeit nicht all zu lange gedauert hat, doch wie lang sie dir vorkam kann ich nur erahnen.

In Liebe

Jutta


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