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Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo,
ich bin 62 Jahre alt. Im August diesen Jahres ist meine Frau an einer Peritonalkarzinose in einem Hospiz gestorben. Sie wurde 61 Jahre alt. Der Krebs ist in meiner Lebensgeschichte ein alter Bekannter.Als ich noch Kind war, stark eine Tante an Brustkrebs. 1977 starb dann eine Geoßmutter an Lebenkrebs, alleridings im Alter von 86 Jahren. Dann bekam meine Mutter ein malignes Melanom, das operiert wurde. Sie überlebte diese Krankheit. Ihre halbschwester starb dann an Leberkrebs. Ende 1990 erkrankte mein Vater an Blasenkreibs, 1992 starb er an der Krankheit. 1996 bekam eine Mutter Darmkrebs. Sie starb 1999, aber nicht unmittelbar an der Krankheit. 2009 war er dann wieder da. Meine Frau hatte Brustkrebs. Nach Operation und Bestrahlung passierte drei Jahre nichts. Dann aber im Juni 2012. Ein Tag vor meinem Geburtstag wurde bei ihr eine Peritonalkarzinose festgestellt. Ich habe so oft es ging sie begleitet. Die erste Chemo-Therapie ging bis Oktober 2012, dann wurde sie operiert. Die OP wurde abgebrochen. Danach war etwas Ruhe bis Ende Januar. Dann war er wieder da. Wieder zwei Chemo-Therapien und Krisen. Es folgte eine OP, weil man in einer Klinik eine Heiung noch für möglich hielt. Es war nicht mehr möglich. ich habe meine Frau durch diese Krisen begleitet und wundere mich, dass ich das durchgehalten habe. Aber nun frage ich nach dem Sinn. In diesem Jahf haben wir sehr viel mehr schlechte als gute Tage erlebt. Natürlich war es sinnvoll, dass ich sie nicht im Stich gelassen habe. Das war gut so. Aber hatte dieses Leiden einen Sinn? Welchen Sinn hat mein weiteres Leben? ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr depromiert Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
Das Thema Sinn und Unsinn stellt sich mir auch gerade. Ich schreibe normalerweise noch im Bereich Angehörige. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Mein Mann ist gerade 60 und hat Lungenkrebs im Endstadium. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen habe ich seit 2010 ein Multiples Myeom (Krebs im Knochenmark) und habe letztes Jahr Stammzellen von einem Spender bekommen. Die Prozedur hätte ich ohne die Unterstützung meines Mannes nie geschafft. Jetzt wird er mich bald alleine lassen und ich kann nicht sagen wie es mit meiner Krankheit weitergeht und ich hab dann niemanden mehr der mich bei meinen Behandlungen unterstützt. Ich habe meinen Glauben verloren. Sinn macht das alles keinen. Aber trotzdem müssen wir weiterleben und versuchen das Beste daraus zu machen. Ich hab mal den Tipp bekommen vielleicht sogar auchmal was zu machen was unserem Partner nie gefallen hätte. LG Conny |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Liebe Conny,
als erstes wünsche ich dir viel Glück. Dein Schicksal ist sehr hart. Da stellt sich auch die Frage nach dem Sinn. Als Hinterbliebener ist man meistens zu egozentrisch. Man denkt, das eigene Schicksal ist besonders schlimm und man hat vor allem Mitleid mit sich selbst. Dein Schicksal aber ist schlimmer als mein Schicksal. Leider habe ich keinen Trost. Liebe Grüße Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
> Aber hatte dieses Leiden einen Sinn?
ja. Wenn ich Dich richtig verstehe, beziehst Du "leiden" auf die Achterbahnfahrt zwischen guten und schlechten Nachrichten, Hoffnung und schlagartigen Fakten. Es wird anders herum ein Schuh draus: Jedes Leben hat einen Sinn. Es hat auch einen Sinn, zu meiner/m Partner/in zu stehen in guten und schlechten Zeiten. Da bekommt dieser Satz richtig Bedeutung. Leiden hat sehr viel mit einem Vergleich zwischen (früheren) guten und (späteren) schlechten Zeiten zu tun. Es sind aber die Momente, die dabei unter den Tisch fallen können. Das, was Euch zusammenschweisst, auch über den Tod hinaus. > Welchen Sinn hat mein weiteres Leben? dass Du Dich mit der Situation auseinandersetzt. Dass Du verarbeitest und, wenn Du magst, Anderen bei der Verarbeitung mit Deinen Erfahrungen hilfst. Aber auch, dass Eure Erinnerungen und das was Euch wertvoll ist nicht einfach untergehen. Du hast doch etwas aus Deinem Leben mitzuteilen und kannst Anderen wertvolle Hilfe geben. |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
lieber hermann..
es tut mir leid, daß du schon soooo viele schlimme erfahrungen hinter dir hast und ich möchte dir mein mitgefühl aussprechen. zu deiner frage nach dem sinn möchte ich dir folgende zeilen mitgeben: mein leben hatte von kindheit an schwere einschnitte. ich mußte viel erleben an leib und seele. es gab zeiten, da wäre ich fast dran zerbrochen, hatte keinen lebenswillen mehr und suizid wurde immer mehr ein ziel für mich. ich war dann lange zeit in der psychiatrie um einiges aufzuarbeiten. danach war ich anderthalb jahre in ambulanter therapie. dort habe ich mich neu kennengelernt, wurde mir meiner stärke bewußt. das ergab dann für mich sinn. diese überstandene zeit stärkte meinen glauben an mich selbst. und ich fing an, anderen menschen mit ähnlichen schicksalen helfen zu können. das war ein schönes gefühl. dann vor drei jahren schlug das schicksal zweifach zu. gleichzeitig erkrankte meine mami an krebs und bei meiner tochter wurde ein hirntumor entdeckt. das war sehr hart. ich begleitete beide so gut ich konnte. manchmal zerriss es mich schier. meine tochter hatte unzählig viele ops und die letzte war die entscheidenste. ich wußte nicht, ob und wie ich mein kind aus dem op wieder sehen würde. kurzfassung: sie überlebte die operation, hatte währenddessen drei schlaganfälle, lag lange auf intensiv. danach folgte reha, denn sie mußte z.b. wieder das laufen lernen. bis heute hat sie noch beeinträchtigungen, ist momentan wieder auf reha. aber sie lebt und kann wieder ein stückweit am leben teilnehmen. meine mutter starb letztes jahr im oktober, ebenfalls im hospiz. ich habe sie 12 tage und nächte begleitet, bis sie dann für immer gegangen ist. auch ich habe immer wieder nach dem sinn gefragt und ich bekam auch meine antwort: durch meine viele erfahrungen in verschiedene lebensbereiche kann ich anderen menschen helfen. und das durfte ich oft erleben... es ist ein geschenk für mich. ich bin mittlerweile in mehreren bereichen tätig: sterbe- und trauerbegleitung, krankenhausbesuchsdienst und familienbegleiterin. all das könnt ich kaum machen, hätte ich nicht diese schlimme zeiten erlebt. ich kann mich sehr gut in die hilfesuchenden menschen reinversetzen und darf ihnen was geben. und oft nehm auch ich aus diesen begegnungen was mit. ich möchte dir mut zusprechen... sei dankbar für die schöne zeit, die du und deine frau hattet.. für eure begegnung und dem gemeinsamen weg, den ihr hattet. ihre begleitung auf deinem weg ist nun beendet, aber dein weg geht weiter. und unsere lieben da oben wollen das auch so. lieber hermann, ich wünsch dir von herzen alles erdenklich gute und daß du wieder fuß auf deinem weg fassen kannst. liebe grüße von tine |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
Die Frage nach dem Sinn ist eine sehr rationale, typisch männlich. Frau hätte sich gefragt: "hat er / sie meine Liebe überhaupt noch wahrnehmen können" - emotionaler. Womit man keinem der beiden Geschlechter Gefühlskälte oder emotionales Chaos mit Selbstaufgabe unterstellen kann. Aber, ich bezweifle sehr, dass die Begleitung von Hermann durch seine Frau beendet ist. Wie ich lese, ist sie weiterhin bei ihm und beschäftigt ihn. Seine Eingangsfrage nach dem Sinn stellt er aus Sicht seiner Frau, ob "ein Leiden für sie Sinn gemacht habe". Somit ist sie weiterhin bei ihm. Das kann nicht zur Frage führen, ob sein weiteres Leben Sinn mache. Natürlich macht es Sinn, sonst wäre er im Tod vielleicht wirklich allein. Das sich da "oben" alles wieder vereine ... ist nicht erwiesen. Dass Du aber hier im Sinne von Verstorbenen fühlen/denken/handeln kannst und sie in Deinen Alltag einbeziehst, kennst Du vielleicht selbst. |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
a nna das ist m. E. auch nur Spekulation, bei mir trifft diese Aussage nicht zu. Er "hat meine Liebe wahrnehmen können", dass habe ich gespürt und darüber würde ich auch nicht spekulieren. Es kommt ja darauf an, wie gut sich die beiden Partner auch vorher nonverbal verstanden haben. Zitat:
Beste Grüße Geske |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo an Alle,
vielen Dank für Eure Beiträge. Die Frage nach dem Sinn ist für mich nicht primär rational. Es gab in diesem Jahr Zeiten, da wollte meine Frau aufgeben und sich töten, einmal bat sie mich sogar, sie zu töten. Dann gab es wieder Zeiten, da wollte sie nicht sterben, sondern kämpfen. Das aber war sinnlos. Sie sagte dann auch, sie wolle leben, aber nicht unter diesen Bedingungen. Ich würde nach diesen Erfahrungen nicht mehr kämpfen. In einem anderen Beitrag habe ich von Lebensmüdigkeit gesprochen. Ich will mich nicht umbringen, aber es ist auch nicht so, dass ich unbedingt alt werden will. mit besten Grüßen Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
@ Geske
Trotzdem ist ja die Kommunikation zwischen Partnern in einer solchen Ausnahmesituation (gegen die Zeit, gegen Wirkungen der Krankheit, Medikamente und Therapie sowie Angst) schwerer als sonst. Zum Set der Angebote in onkologischen Abteilungen gehört inzwischen die Ehe-/Partnerberatung genauso wie die Sozial- und Ernährungsberatung. Mir hat nach der Reise zum Regenbogen eine Beraterin erläutert, die Trennungsquote in ihrem Beritt betrage um 64 % nach der Diagnose. Ungefähr die Hälfte durch die Erkrankten selbst, die sich zurückzögen aus Scham, Angst vor Veränderungen durch OP / Chemo usw.; und dem Wunsch, Niemandem zur Last fallen zu wollen. Man könne keinesfalls sagen, da habe vorher schon etwas nicht gestimmt. Es sei ein Rätsel, weshalb die Kommunikationsmuster so auseinanderfielen. Männer als Erkrankte wollten für sich sein und legten sehr Wert auf Struktur ohne Störungen. Frauen betonten mehr die emotionalen Aspekte und erhebliche Angst vor Veränderungen, die von aussen sichtbar seien. ("Haarausfall", Gewichtsabnahme usw.) Ich denke mir, es kommt ganz wesentlich auf diesen kleinen Moment, in dem eine Diagnose überbracht wird, und die (spontane) Vereinbarung beider Partner miteinander an ("der deal"). Da kommunizieren beide sehr direkt über Ein und Dasselbe. Später in der Trauerphase kommt es nach meiner Erfahrung - auch das Forum ist voll von Schilderungen - zu ganz anderen Auffassungen zu der Kernfrage, ob die Verbindung zu einem Partner abrupt abgerissen ist, oder ob sie noch weiter besteht. Und da bleibe ich bei, dass Männer anders als Frauen verarbeiten und trauern. Das ist auch eine Frage der Reife, insbesondere in welchem Lebensalter Tod und Trauer eintritt. Was nutzen mir nach dem Tod die gemeinsamen Erlebnisse durch dick und dünn ... ausser dem vagen Gefühl einer zukünftigen Soloveranstaltung. Ich will nicht ergeben "dankbar sein" ... etwa für den Tod ? Gefolgt von einer Erklärung der "Erlösung" ? Im nächsten Schritt sprechen wir dann aufbäumend von "Gerechtigkeit" um uns darüber hinweg zu trösten, "das Liebe nicht ewig währt" ? Es ist doch aber das überwiegende Bestreben der Trauer, ganz persönlich festzuhalten und die Liebe (weiterhin) zu leben. Wenn denn "die Begleitung durch den/die Vorstorbenen auf dem gemeinsamen Weg beendet ist" - stünden Hinterbliebene abrupt noch ein zweites Mal ganz allein. Das ist so, als wenn man Jemandem die Pistole reicht, damit er sich erschiessen kann. Ich möchte da keinen situativen Sadismus unterstellen. Darum ziehe ich mich auf die Geschlechterrolle zurück und erkläre mir die Haltung durch einfach gänzlich unterschiedliche Trauermuster. @ hermann > In einem anderen Beitrag habe ich von Lebensmüdigkeit gesprochen. ich las Deine "Bilanz" und danach diesen Beitrag als thematische Fortsetzung. Im ersten Beitrag äussertest Du, Deine Angehörigen lebten bereits ihr Leben und Du seiest quasi "über". Danach hier die Sinnfrage nach Deinem weiteren Überleben. "Schön, und jetzt mal ganz ruhig nochmal durchlesen", dachte ich. Du weisst schon, was Du damit - auch Dir - antust ? Auch hier bleibe ich dabei, Du kannst Euch beiden nur helfen, wenn Du bleibst und Eure Verbindung weiter lebst. In Deiner Bilanz fehlt ein ganz wesentlicher Teil. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du so ganz gefühllos durch Deine Angehörigen verabschiedet würdest. Du hast glaube ich eine Tochter (?). Vieles Unterschwellige habe ich erst nach dem Tod kennen gelernt. Allein damit zu stehen, Kinder und Restfamilie, die sich der Teilnahme an Beerdigung und Gottesdienst verweigert, dazwischen vor der Tür zu stehen im Glauben, die Wohnung durchsuchen und ausräumen zu können. Dann die persönliche Habe auf der Straße vor dem Haus wieder zu finden, die "wertvollen" Dinge natürlich mitgenommen. Wie die Wölfe. Denen habe ich aber auch zu verdanken, dass ich durch ihr Verhalten Trauer als "offenen Prozess" :-)) erlebt habe und gar nicht zur Ruhe kam, um zu grübeln. Aber da gibt es am Rand noch einen Angehörigen, der uns sehr nahe steht, sich zurückgehalten hat und von dem ich weiss, dass es ihn sehr mitgenommen hat. Obwohl wir noch keine Gelegenheit für ein Gespräch hatten. Im Verhältnis 7:1 ist mir dieser eine Angehörige auch für meine Frau mehr Wert, als die 7. Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich weiss, es wird zu einem Gespräch kommen, auf das ich mich bis dahin vorbereite. Die Frage der begleiteten Sterbehilfe haben wir auch durch. Und ich weiss noch jedes Wort von ihr und jeden meiner Gedanken, sie davon abzubringen und mich nicht zu zwingen. Sinngemäss sagte ich damals, was dies für uns und mich zu bedeuten habe, wenn es uns nur wie bisher im Verbund gäbe. Wer sich um den Jüngsten kümmern solle. Und warum sie dieses Thema jetzt aufbrächte. Wir hatten gerade von den Onkologen die Nachricht, auf Grund der Blutwerte sei sie in gut 4 Wochen ausgeheilt.Der Turmor sei erheblich zurück gegangen, ggfs. müsse man eine Strahlentherapie zur Nachsorge überlegen. Ja, Achterbahn - fahren haben wir gelernt. Aber auch, dass wir nicht allein sind und dass es wertvolle Menschen gibt, die manchmal eben nicht in der ersten Reihe stehen. |
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Hallo,
ich habe nicht den Eindruck, das ich "über" bin. Das wäre bitter und so empfinde ich nicht gegenüber der Familie. Es ist die Tochter meiner Frau und ihre Familie. Wir sind zwar nicht verwandt, aber nach 15 Jahren Ehe sind die Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder mit auch sehr wichtig. Die Tochter lebt mit ihrer Familie im Ausland und deshalb musste ich meine Frau bis kurz vor ihrem Tod fast alleine betreuen. Dafür sind sie mir auch dankbar. Ich meine, dass ich mich wie ein alter Mann fühle, dessen Lebensabend begonnen hat bzw. bald beginnt. Drei Viertel meines Lebens sind vorbei. Vielleicht bleiben auch viel weniger. Meine Frau war ja vor 4,5 Jahren auch noch scheinbar gesund. Welchen Sinn hat nun diese Restlaufzeit. Ich sage nicht, dass es diesen Sinn nicht gibt, ich habe ihn aber nicht gefunden. Vielleicht trauern Männer anders. Statistiker heben festgestellt, dass es das Phänomen des "Nachsterbens" bei Witwern gibt, bei Witwen sich aber statistisch nicht nachweisen lässt. Gemeint ist eine geringere Lebenserwartung von Witwern im Vergleich zu verheirateten Männern. Das weiß ich, weil ich mich beruflich damit beschäftigt habe. mit besten Grüßen Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
man muss bei diesen Studienergebnissen bzgl. des Nachsterbens aber auch berücksichtigen, dass Männer häufig alleine nicht "lebensfähig" waren, v.a. in früheren Generationen. Viele waren nicht in der Lage, sich vernünftig zu versorgen, zu ernähren usw. Sie hatten nie gelernt, auf sich, ihre Kleidung, ihre Ernährung selbständig zu achten. Somit setzte häufig mit dem Tod der Frau eine "hauswirtschaftliche Hilflosigkeit" und dadurch eine gewisse Verwahrlosung ein. Ich denke, ein junggebliebener Sechziger, der seine Frau gepflegt hat, fällt nicht darunter. Noch eine persönliche Anmerkung: Auch ich kämpfe täglich darum, in meinem Leben Sinn zu finden, irgendwie oben zu bleiben. Deine Gedanken kann ich also sehr gut nachvollziehen. Dennoch: Auch meine Kinder haben einen Stiefopa, den sie sehr lieben und der für sie und ihr Heranwachsen wichtig ist. Für sie wäre es furchtbar, wenn sie Oma UND dann auch Opa nicht mehr hätten. Ich würde mir also sehr wünschen, dass mein Stiefvater für seine Enkel weitermachen würde, in ihrer Begleitung einen Lebenssinn sähe. Alles Gute für dich Simi |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Lieber Hermann, der Sinn im Leben...? Hast du ihn mit deiner Frau verloren, also war er vorher durch sie da? oder ist er durch die große Trauer überdeckt worden, also die Trauer ist so groß, dass es im Moment keine Freude am Leben geben kann?
Für jeden ist der Sinn so einzigartig. Ich denke schon lange, dass das leben keinen Sinn hat, sondern dass das leben selbst der Sinn ist. Das Leben ist ein Geschenk, weil es einzigartig ist, lebendig zu sein und die Schöpfung erleben zu dürfen, am ehesten spürbar in der Natur. Ich wünsche dir, dass du dir zeit lassen kannst. Zeit für Schmerz und Trauer, und dass dann langsam die Freude am lebendig sein durch kleine Ritzen wieder in dein Leben kriecht. ch glaube, dass für uns alle der Dezember am schwierigsten ist. Das trübe Wetter, die viele Dunkelheit, die Adventszeit, Weihnachten, Silvester, Neujahr, das ist ja ein Trauermarathon, der mir selbst auch gerade viel Angst macht und mich viel Kraft kostet. Aber ab dem 21.12. wird jede Nacht wieder kürzer, und im Januar werden wir das dann auch sehen und empfinden können, das Licht kehrt zurück. Ich wünsche dir alles Gute Elisa |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo A_nna,
die Zahlen, die diese Frau genannt hat, sind erschreckend. Danach geht mehr als die Hälfte aller Beziehungen kaputt, ein eine oder einer Krebs bekommt. Aus eigenem Erleben weiß ich, dass diese Zeit für den Partner sehr hart ist. Häufig stößt man an seine Grenzen. Negative Gefühle, die die Kranke hat, wirken sich manchmal auch auf die Ehe aus. Ähnliche Erfahrungen haben ja auch einige gemacht, die hier im Forum schreiben. Trotzdem wäre für mich Trennung in diesen 14 Monaten niemals in Frage gekommen.Aber ich muss auch sagen,dass unsere Beziehung auch in dieser Zeit meistens liebevoll war. Männer trauern anders, wenn sie trauern. Es gibt auch Männer, die sich gut ablenken können. Nach dem Männerbild meiner Frau musste der Mann stark sein, weinen passte nicht in dieses Bild. Aber nicht nur meine Frau hat so gedacht. Als mein Vater starb und ich manchmal weinte, konnten viele Frauen (etwa aus der Nachbarschaft) nicht ab. Während dieser 14 Monate mir meiner kranken Frau durfte ich weinen. Kurz nach ihrem Tod funktioniert die Gefühls-Kontrolle wieder besser. Weinen und traurig sein kann man auch alleine. mit besten Grüße Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Simi,
auch wenn ich zur Zeit eher müde bin, werde ich wohl nicht Morgen sterben, so dass ich für die beiden Enkelinnen noch da sein kann. Die ältere ist 16, die jüngere 15 Jahre. mit besten Grüßen Hermann Liebe Elisa, der Sinn ergibt sich zum einen aus Lebenszielen und die sind zeitlich begrenzt. Ein Ziel war, für die Altersvorsorge meiner Frau zu sparen. Meist überlebt ja die Frau den Mann. Sie sagte, es wäre besser gewesen, das Geld zu verbrauchen. Man lebt in diesem Sicherheitsdenken, so als ob man mit 80 noch viel Geld ausgeben will. Das ist Unsinn. Es gab private Ziele, zum Beispiel mit meiner Frau zeitweise im Ausland leben, zeitweise in Deutschland. Es gibt noch berufliche Ziele, aber die sind zeitlich begrenzt und ich weiß nicht, ob sie realisierbar sind. Zum anderen ergibt sich der Sinn aus dem Gefühl, ein gutes Leben geführt zu haben. Das heißt nicht: "Gib Gas ich will Spaß". Aber was es konkret für mich heißt, weiß ich noch nicht. Am Ende blickt man zurück auf sein Leben, meine Frau hat das auch getan. Liebe Grüße Hermann |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Zitat:
... die Wahl zwischen Verhungern oder Verloddern. Und die Fenster sind auch nicht geputzt ! Um zwischendurch vielleicht ein kleines Lächeln hervorzuzaubern. Dieser Satz ist meines Erachtens bedenkenswert: Zitat:
Vor dem Tod meiner Frau haben wir einen Deal geschlossen: Für den schlimmsten Fall sei es meine Aufgabe, mich um die Kinder, insbesondere die Jüngsten, zu kümmern. Keinen "Quatsch" zu machen. Sie erwarteten, dass wenigstens ich noch da sei und "uns" fortsetzen werde, wie auch, ihnen bei Fragen zu helfen, sie durch die Schule an den eigenständigen Start zu treiben. Trotz fortgeschrittenem Alter und anderen Interessen Deiner Enkelinnen erleben sie Dich und die Entwicklung nach dem Tod ihrer Großmutter aktiv. Aus eigenem Erleben weiss ich, mit welchen Fragen ich mich nach dem Tod meiner Großmütter und meines Vaters herumgeschlagen habe. Damals war ich 12 und 13 bzw. 27 und hatte keinen Großvater und auch sonst Niemanden, der mir erklären konnte, wie es denn nun weiter geht und was ich dafür tun kann. Ich habe dem Tod nie verziehen, was er mit meinen Leuten gemacht hat. Schon weil ich keine Erklärung dafür hatte. Nach dem Tod meiner Frau Ende letzten Jahres wollte / konnte das jüngste Kind (12) nicht realisieren, dass sie keine Englisch- und Französischvokabeln mehr gemeinsam lernen konnten. Das war für beide wichtig und die erste zaghafte Frage, ob und wie es weitergehe. Da zu sein und zu bleiben ... zu zeigen, dass es garantiert weitergeht, dass man auch die härteste Krise bewältigen kann, sich nicht selbst beschädigt und nicht einknickt ... ist eine wichtige Aufgabe und ein Sinn gegenüber den Menschen, die Euch nahe stehen und Euch mögen. Gerade Teens und Twens lernen den Umgang mit Leben, wozu auch Verlust und Tod gehören. Wie sollen die mit ihren Verlusten im Verlauf eines Lebens umgehen und leben können, wenn es nicht Jemanden gibt, der ihnen vorleben und sie auch etwas "leiten" kann ? Das ist eine fürsorgliche Aufgabe eines Erwachsenen. Bestimmt auch der Eltern. Aber die können nicht Deinen Teil übernehmen. |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo zusammen,
über den Sinn des Lebens kann ich nichts sagen. Nur über den 'Unsinn': "Das einzig sinnlose im Leben ist, sich über den Sinn des Lebens Gedanken zu machen." Es war für mich sicherlich sinnvoll, meine Frau durch ihre Krankheit bis zu ihrem Tod zu begleiten. Das kann jedoch nicht der Sinn meines Lebens gewesen sein. Zum Ersten: warum sollte sie so schrecklich leiden und sterben müssen, damit mein Leben einen Sinn bekommt? Was ist denn dann der Sinn ihres Lebens, erst recht ihres Sterbens? Zum Zweiten: wenn sich der Sinn meines Lebens in dieser und durch diese Begleitung erfüllt hätte, was wäre dann jetzt? Dann könnte ich ja eigentlich gehen, oder? Was ich natürlich nicht vorhabe. Ich lebe inzwischen wieder sehr gerne und hoffentlich noch lange. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Warum, ist so alt wie die Menschheit. Trotz vieler Versuche hat sich das bis heute nicht wirklich dem Wissen erschlossen. Es gibt jedoch viele religiöse Gedankenmodelle. Modelle eben, als solche nicht erwiesen. Sie sind das, woran man glaubt und glauben heißt nicht wissen. Oder wie ich gerne sage: "Glauben heißt mit dem Herzen wissen." Rational an diese Frage zu gehen (sich Gedanken machen) bringt meines Erachtens gar nichts. Daran haben sich schon größere Denker versucht und sind letztlich doch wieder ins esoterische gerutscht. In der ganz besonderen Situation der Trauer ist rationales Denken über die Frage nach dem Warum sowieso nur sehr schwer möglich, wenn nicht sogar unmöglich. Ich finde weiter: auch gar nicht notwendig. Viel wichtiger als das 'große Ganze' ist in unserer Situation viel mehr jeder Einzelne selbst. Wie schon einige VorschreiberInnen ausführten, haben sie für sich einen Sinn gefunden. Einen Sinn aus der Konsequenz ihres bisherigen Lebens. Das ist gut so und richtig. Diese persönlichen Erkenntnisse sind jedoch nur schwer zu übertragen. Sie können und sollen als Trost, als Hilfe, als Anregung dienen. Das heißt jedoch auch: jeder muss seine persönliche Lösung finden. Eine sehr schwere Aufgabe. Die Lösung für den Einzelnen liegt in seinem persönlichen Glauben. Damit ist nicht unbedingt eine Religion gemeint. Die kann es sein, muss jedoch nicht. Ich komme wieder auf meinen Satz von oben: "Glauben heißt mit dem Herzen wissen." Dieses Wissen muss man sich erkämpfen. Oder auch nicht. Es gibt bestimmt viele Menschen, die nicht darum kämpfen. Aus welchen Gründen auch immer. Gut für sie, wenn sie damit leben können. Manche zerbrechen daran. Die Menschen, die hier diese Fragen stellen, gehören nicht zu dieser Gruppe. Sie haben einen oft langen und steinigen Weg bereits hinter sich und auch noch vor sich. Viel Auf und Ab, einige Schritte vor und wieder viele zurück. Doch wenn man dann weiß, dann ist ein großer Schritt für die eigene Zukunft gefunden. Mit diesem Wissen im Herzen lässt sich wieder leben. Ein sehr persönliches Wissen. Für andere unter Umständen nicht mehr als ein Glaube, den man zwar verstehen kann, doch nicht übernehmen. Den Sinn des Lebens kann man theoretisch bis zum Urknall zurück verfolgen. Und dann? Eine rationale Idee lässt sich nicht wirklich finden. Dafür jedoch viel und sehr persönliches, emotionales Wissen: Glauben. Ich wünsche euch diesen Glauben. Fest in euren Herzen. Er gibt Sicherheit und Mut und er lässt sich finden unter den persönlichen Trümmern, die das Leben aufgehäuft hat. Die Schaufel steht neben euch. Nehmt sie in die Hand. Alles Gute, Helmut |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Lieber hermannJohann,
sehr zufällig bin ich auf Deinen Thread gestoßen, ohne im Detail alles gelesen zu haben, so dass ich zunächst mal an Dein erstes Posting anknüpfe und Dir mein aufrichtiges Mitgefühl zum Tod Deiner Frau ausspreche. Wer kann die Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Lebens schon beantworten außer demjenigen, der sich gerade – aus welchem Anlass auch immer – selbst mit dieser Frage konfrontiert sieht? Was bringt Dir die Suche nach der Antwort auf diese Frage? Würde das Wissen um die Antwort an der Situation etwas ändern? Was verbindest Du mit der Frage? Herzlich Ulphin |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo, ich hoofe ich verstoße jetzt nicht gegen ein Nutzungsbedingung hier ein Link zu einer schönen Geschichte, villeicht kennen sie ja schon einigige.
http://www.sara-mona.de/zwei_baeume.htm Wenn der Link nun doch verschwindet, es ist die Geschicht "Zwei Bäume im Park" von Doris Wolf. Einen Menschen zu verlieren ist hart. Das Erde dreht sich einfach weiter. Es braucht einfach alles seine Zeit und die soll man sich nehmen. LG carlchen |
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@ a_nna
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1. er gehört zu mir wie mein Name an der Tür 2. wenn du gehst dann geht ein Teil von dir und der andere bleibt hier - oder so ähnlich. Wir haben 37 Jahre zusammengelebt, da gibt es nicht mehr dazu zu sagen, wir haben uns "blind verstanden". Da wir auch beruflich gleiche Interessengebiete hatten, hat sich bei mir in der Lebenseinstellung nichts geändert. Zitat:
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Gruß Geske Zitat:
ich erlaube mir mal folgende Antwort auf Grund dessen, dass wir gleichaltrig sind: das Lebensgefühl, das du da beschreibst, würde sich über kurz oder lang auch dann einstellen, wenn deine Frau noch leben würde. Ja, wir haben mind. 2/3 des Lebens hinter uns. Nach dem Tod des Partner wird einem bewusster, das ein Lebensabschnitt unwiederbringlich "abgeschnitten" ist, die Lebensstufe alt zu sein oder alt zu werden bleibt aber unverändert, dann droht auch noch der Austritt aus dem Berufsleben, wenn beides zusammenkommt wird das Gefühl des Alterns bewusster. Zitat:
Natürlich akzeptiere ich andere Meinungen! Da du dich beruflich mit der Trennung durch Tod beschäftigt hast, könntest du mein heuristisches Gefühl in Bezug auf eine zeitabhängige, unterschiedlich Neubindung von Witwern oder Witwen entweder zustimmen oder ablehnen. Interessieren würde es mich schon, auch ob es Statistiken darüber gibt. Gruß Geske |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Moin Hermann,
herzliches Beileid zu dem schweren Verlust. Der ganze Leidensweg wird Dir sicher noch mächtig in den Knochen stecken. Die Sinnfrage muss jeder mit sich selbst abmachen. Aber wenn Du mal genau nachdenkst, wann Du besonders zufrieden bist, oder was Dir besonders viel Freude macht oder gemacht hat, kommst Du der Antwort ja vielleicht etwas näher. Ich empfinde mein Leben als besonders sinnvoll und erfüllt, wenn ich mit guten Kumpels in der Kneipe sitze, Bier trinke und einen Skat ausspiele und wenn Räubergeschichten erzählt werden. Oder wenn ich mit dem Moped bei schönem Wetter am Deich lang fahre und mir der Wind um die Ohren weht. Oder wenn meine Lieblingsband eine neue Scheibe rausgebracht hat und ich die 20x hintereinander höre und immer noch toll finde. Mehr ist es manchmal nicht. An so Sachen möchte ich mich erinnern, wenn ich irgendwann auf dem Sterbebett liege. Und dann werde ich sagen können: jau. Allein dafür hat es sich gelohnt :) Beste Grüße Tom |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Ich bin ziemlich verärgert über die Vorstellungen von Frauen von mir als Mann. Wenn die Frau tot ist, sucht man sich eben eine neue. Männer sind ja angeblich umschwärmt. Das machen vielleicht einige Männer, Frauen vielleicht auch. Wer selber erlebt hat, was es bedeutet, seine Frau durch alle Krisen zu begleiten, könnte nicht so reden. Immerhin hat meine Frau gemerkt, dass ich auch gelitten habe.Andere können das nicht nachvollziehen. Da war die Angst, dass sie leidet und doch keine Hoffnung ist. Was ist das für ein Gefühl, den die Frau den Mann bittet, sie zu erschlagen? Da ist die Hoffnung, die enttäuscht wird. In den letzten Tagen begleitete ich sie. Die Tochter kam rechtzeitig, um sich zu verschieden. Ich war sehr froh. 14 Monate war meine Frau krank, die letzten sieben Monate waren sehr schlimm.. Der Onkologe schrieb, dass ich meine Frau treu begleitet habe.
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AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
mit meinem Beitrag wollte ich dich nicht verletzen. Der Tod deiner Frau ist ja noch sehr zeitnah. Ich habe mich in meinem Beitrag auf den oben zitierten Textausschnitt von dir bezogen, zudem las ich aus deinen Beiträgen, dass du hier den Sinn des Überlebenden ernsthaft, ich ging davon aus auch ehrlich, diskutieren wolltest. Ich bezog mich nicht auf dich persönlich, sondern auf deine Texte, besonders auf den bereits oben zitierten. Das "Nachsterben" betrifft m.E. Menschen, wohl auch Frauen in einem weit höheren Alter als 60 - dann wird es auch verständlicher. Das von dir geschilderte Mitleiden mit dem Partner trifft auch auf mich, sogar in ähnlicher Weise zu, und es dauerte bei uns weitaus länger als 7 Monate. Gruß Geske |
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@ hermann @ geske
es war erforderlich die Theorie der unterschiedlichen Verhaltens- und Trauermuster von Frau und Mann einzubringen, um der Frage nach dem Sinn auch Respekt zu verleihen. Die Frage ist von zentraler Bedeutung für das Selbstverständnis und auch für die Zukunft. Oberflächliche Allgemeinplätze ("ihre begleitung auf deinem weg ist nun beendet, aber dein weg geht weiter.") nehmen das Bedürfnis, sich in vertraulicher Atmosphäre auseinander zu setzen und einen Weg für die Zukunft zu suchen, nicht wahr. Sie erhöhen die Unsicherheit, das Verlustgefühl und den Druck. Die Frage nach einem Sinn, der Wunsch sich die Zusammenhänge zu erklären und mit wenigstens einer Last "innerlich etwas abzuschliessen" (wenn so etwas geht), kann man natürlich nicht nach Geschlechtern trennen. So ist Geske auch nicht zu verstehen. Sondern, dass es Menschen gibt, die sich anders oder schneller arrangieren mit ihrer Betroffenheit und Trauer. Die deshalb aber nicht weniger trauern. Im Thread "Unsere Zukunft löst sich gerade auf" http://www.krebs-kompass.org/showthread.php?t=59197 liest man so ziemlich alles, was einem an Klischees und Rollenverständnis von Mann und Frau bekannt vorkommt, obwohl ich dachte, das sei ausgestorben: Vom Besuch im Baumarkt, obwohl "er" durch die Chemo hingestreckt ist (Mann) bis zur Frage wo man erfahre, ob er Schulden habe, man wolle ja nicht später vor gar nichts stehen (Frau). Dazwischen ewige Beschwerden, "er liege ja nur auf dem Sofa, obwohl sie ständig versuche, ihn zu animieren, sich zu bewegen" (ginge mir während der Chemo nicht anders) und "sie müsse sich ständig um Haushalt und Kinder kümmern" (setze ich in dieser Situation als Mindestes voraus, da die Kinder noch zu klein sind, um sich selbst zu erziehen). Nette Sozialstudie, wenn es nicht so ernst wäre. Hier ist ein Punkt, um besser zu differenzieren. Es gibt Menschen, die gehen mit Anderen und sich sorgsam und aufmerksam um. Es gibt andere, die offensichtlich nicht realisieren (wollen / können) - unabhängig vom Geschlecht. Sicher steckt auch Angst und Unsicherheit dahinter, was auch keine Geschlechterfrage ist. Genausowenig wie blindes Verständnis füreinander und gleiche Lebenseinstellung und Interessen, die solche tiefen Partnerschaften tragen. |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo Hermann,
wenn auch spät, doch auch von mir mein tiefes Mitgefühl für deinen Verlust. Statistiken sind gut und informativ. Leider auch oft eine Entschuldigung für das Verhalten des Einzelnen. Man kann ja nichts dafür. Ist doch statistisch erwiesen, oder? Abseits aller Statistik: ist nicht jeder für sich selbst verantwortlich? Es mag ja interessant sein mit dem Nachsterben, nur: ich will nicht sterben sondern möchte da der Minderheit angehören. Dazu muss sowohl Frau als auch Mann was tun. Solche Statistiken sind als Übersicht gedacht. Für den Einzelnen sind sie bedeutungslos. Zu dem Gespräch über Männer und Frauen. Warum heißt es immer: Männer sind anders als Frauen? Sind nicht auch die Frauen anders als die Männer? Ist nicht jeder Mensch anders? Sicher trauern Männer prinzipiell anders als Frauen. Ihre Gedankengänge sind sehr oft unterschiedlich. Das ist sowohl biologisch als auch soziologisch bedingt und man kann nicht sagen, das Eine oder das Andere wäre besser. Es sollte sich eigentlich ergänzen. Zu einem Witwer, der eine neue Frau findet, gehört auch eine Frau, die sich finden lässt und gehört dazu nicht auch die Liebe? Selbst ein, wie man bei uns sagt, "Bratkartoffelverhältnis" kann für beide Seiten durchaus erfüllend sein. Doch jeder muss das für sich selbst entscheiden und jeder Weg, den ein Witwer oder eine Witwe für sich richtig hält und ihr oder ihm ein zumindest zufriedenes Weiterleben ermöglicht, ist gut und richtig. Wer alleine bleiben will, soll es tun. Ich fände es nur schade, würde dadurch das Weiterleben zur Qual. Zufriedenheit und Glück, ob mit anderen oder für sich alleine, gehört für mich zum Leben. Hallo Geske, deshalb kann ich deine Gedanken dazu durchaus verstehen und akzeptieren. Auch ich gehöre übrigens dieser Altersgruppe an. Wenn ich dich richtig lese, sagst auch du nicht Niemals und dein Mann wollte das auch nicht. Das widerspricht sich keineswegs mit deiner jetzigen Vorstellung. Alles braucht seine Zeit, egal wie es und was kommt. Die Hauptsache ist doch, dass man ein gutes und erfülltes Leben führen kann und man ist mit sich selbst im Reinen. Was anderes. Zu sagen: "Ich lasse dich los" oder "Du darfst jetzt gehen" heißt doch nicht, man hätte irgendwelchen Einfluss oder der/die Sterbende wartete auf unsere exclusive "Erlaubnis" zu gehen. Es heißt vielmehr: "Mach dir keine Sorgen um mich. Ich schaffe das und werde dich nicht vergessen, denn in meinem Herzen wirst du weiter leben. Ich akzeptiere deinen Tod. Du musst nicht für mich oder für dich leiden. Du bist frei." Auch wenn das hinterher wieder tausendfach in Frage gestellt wird: in diesem Moment stimmt das für mich. Hallo Tom, deine pragmatische Einstellung ist nicht unbedingt die schlechteste. ;) Ich kann nur über meine Erfahrungen schreiben. Sechs Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht findet jemand darin Anregungen für eigene Gedanken oder Ziele. Alles Gute, Helmut |
AW: Vom Sinn und Unsinn des Lebens
Hallo zusammen,
ich glaube auch nicht, dass ich eine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens finde.Vielleicht muss sich jeder selbst seinen Sinn konstruieren. Mit Aussagen wie die, dass der Sinn des Lebens das Leben sei, kann ich nichts anfangen. Warum ist es wichtig, dass ich weiter lebe? Für wen ist das wichtig. Ältere Künstler bekommen manchmal Preise für ihr "Lebenswerk" Ist das Lebenswerk dann abgeschlossen? Vielleicht sind meine Werke ja auch bald abgeschlossen. Einiges ist gelungen, anderes misslungen, aber es ist abgeschlossen. Meine Frau sagte "Ich will leben, aber nicht so wie jetzt". Im Unterschied zu meiner Frau habe ich keine lebensgefährliche Krankheit. Dennoch frage ich mich, wichtig es für mich ist, zu leben. Vielleicht wird man im Alter zum alten Eisen. mit besten Grüßen Hermann |
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Zitat:
du vergleichst dein Leben mit dem eines Künstlers, ist das eine Metapher, oder bist du vielleicht einer? Ob das Lebenswerk eines Künstlers nach der Preisvergabe abgeschlossen ist, hängt davon ab, ob er weiterhin kreativ arbeitet: bis auf große Ausnahmen, wird der geehrte Künstler nichts weltbewegenderes - als bis zum Zeitpunkt der Ehrung - mit seiner Kunst schaffen, aber vielleicht gelingt ihm ja noch der große Wurf im "das Leben leben". Man muss ja im letzten Drittel seines Lebens nicht perspektivlos sein. Hier gleich mal eine Anregung: Philosophie als Gasthörer an einer Uni belegen, das bringt möglicherweise Licht an den grauen Horizont. Natürlich gibt es noch zahlreiche andere Beschäftigungsarten: von unserer Regierung wird Freiwilligenarbeit mächtig beworben. Gruß Geske |
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Hallo Geske,
ich bin kein Künstler. Wenn ich von Werken spreche, ist das eine Metapher. Es geht um das, was man erreicht hat und was man noch erreichen will. Dabei geht es natürlich nicht um materielle Werte In der Kur hat meine Frau eine Patientin getroffen, die in einem Pflegeheim arbeitete. Diese Frau sagte, sie wolle lieber jung sterben, aber nicht so alt werden, wie die Heimbewohner. Vielleicht war das eine Abwehrhaltung, denn sie war so schwer krank, wie meine Frau. Aber vielleicht hilft es, wenn man das eigene Leben nicht so wichtig nimmt. Liebe Grüße Hermann |
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Hallo Hermann, hallo Geske,
hmmm ... altes Eisen? Aber ja doch! Der Spruch: "Man ist so alt, wie man sich fühlt", der ist Schwachsinn oder auch nicht. Kommt drauf an, wie man ihn liest. Auf der einen Seite die Herren mit Toupeé und die Damen in knackigen Jeans, die suggerieren wollen: ich bin nicht alt. Auf der anderen Seite die Menschen, die weder ihre Halbklatze noch den Bauchansatz noch die tiefen Falten noch die grauen Haare verstecken. Menschen, die sich nicht mit der Maske der Jugendlichkeit zu tarnen versuchen sondern stehen zu dem, was sie sind: nicht mehr so schnell und mit Wehwechen hier und Wehwechen da. Gezeichnet von Schicksalsschlägen, die schon so manchen aus der Bahn geworfen haben. Es ist die seelische Kraft, das Wissen um das Leben, was uns von den Jungen nicht nur unterscheidet sondern im Gegenteil, wir sind ihnen in dieser Beziehung oft weit voraus. Das, was wir geschaffen und geschafft haben, da müssen sie erst mal beweisen, dass sie das auch können. Der Körper altert. Mal schneller, mal langsamer. Wirklich aufhalten lässt sich das nicht. Kopf und Herz jedoch, die werden nicht alt. Im Gegenteil. Wenn ich mir so manche junge Menschen betrachte, denke ich: "So alt möchte ich mal werden, wie die jetzt bereits sind." Auch altes Eisen lässt sich schmieden. Die einen sagen Rost. Ich sage Patina. ;) Einen schönen vierten Advent, Helmut PS: Zitat:
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Moin an Alle,
ich danke für Eure Beiträge. Erst einmal geht es "bis auf weiteres" weiter. Vielleicht werde ich noch knapp drei Jahre voll arbeiten. Dann bin ich Rentner. Die ältere Enkelin könnte vielleicht meine Hilfe brauchen, wenn sie studiert. Sie hatte eine besondere Beziehung zu ihrer Oma. Meine Frau hat sich auch von ihr telefonisch verabschiedet. Meine Frau hatte noch die Familie zu Weihnachten eingeladen, die Jahre vorher waren wir immer bei ihnen. Die Familie ist gekommen, aber sie lebt nicht mehr. Zu Silvester hatten sie mich eingeladen, aber ich habe abgelehnt. Es wäre eine lange Reise gewesen, auch wäre ich das erste Mal ohne meine Frau zu Silvester dort gewesen. mit besten Grüßen Hermann |
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Lieber Hermann,
ich lese aus Deinen Zeilen irgendwie immer heraus "noch drei Jahre arbeiten". Du flüchtest Dich in Deine Arbeit. Sie macht Dir bestimmt Spaß, aber sie ist nicht alles. Es gibt auch noch ein Leben neben der Arbeit. Mein Mann ist am 18.12. verstorben. Ich bin wegen meiner Krankheit in EU Rente und ich bin froh darüber. Zum einen hätte ich die letzte Zeit mit meinem Mann nicht so verbringen können und zum anderen kann ich jetzt machen was ich will. Ich stehe auf wanns mir paßt, gehe vielleicht spazieren und vor allen Dingen ich brauche mich für niemanden verbiegen. Wenn ich traurig bin dann weine ich eben. Genauso plane ich auch wieder in Urlaub zu fahren, allerdings nicht an die Orte wo ich mit meinem Mann war. Bevor ich arbeiten gehe trinke ich lieber mal mit einer Freundin einen Kaffee. Ich habe keine Verpflichtung irgendwann irgendwo zu sein. Ich will Dir damit nur sagen das Leben hat auch ohne Arbeit seine Reize. Klar wir hatten auch andere Pläne aber unsere Partner hätten auch gewollt dass wir weitermachen. Ich hoffe Du kannst Dich irgendwann auf Deinen Ruhestand freuen. Alles Liebe Conny |
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@Conny
entschuldige wenn ich mich jetzt einmische, aber ich kann Hermann sehr gut verstehen, dass er sich in seine Arbeit reinsteigert. Geht mir nicht anders. Solange ich arbeite oder mich anders beschäftige kann ich verdrängen. Mein Arzt hat mir vor drei Wochen angeboten mich bis Weihnachten krank zu schreiben. Ich habe dankend abgelehnt, da ich angst hatte in ein tiefes Loch zu fallen. Und wenn es Hermann hilft dann soll er das so tun wie es für ihn das Beste ist. Drei Jahre sind noch eine "lange" Zeit, vielleicht hat er bis dahin gelernt wieder Freude an seinem Leben zu haben und kann dann auch andere Dinge wieder genießen. Ich wünsche es ihm auf jeden Fall. Wenn für dich wichtig ist so zu Leben wie es du jetzt tust ist das doch auch in Ordnung. Wie sagt man so schön, jeder ist seines Glückes Schmied. |
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Hallo Scania,
Du benützt das richtige Wort "verdrängen" Conny |
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Ja klar ist es verdrängen. Ich weiß das, aber es hilft mir, für mich und meine 3 Kinder zu funktionieren. Sorry, aber wie sollte es den sonst mit meiner Familie weitergehen, wenn ich depressiv werde und aus dem Tal der Tränen nicht mehr raus komme? Ist meine persönliche Einstellung, tut zwar auch nicht immer gut aber so kann ich wenigstens den Kindern ersparen, dass sie zum Verlust des Vaters auch noch eine völlig aufgelöste Mutter vor sich haben.
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Hallo Scania,
hallo Conny, ich denke nicht, dass "verdrängen" das treffende Wort ist. Den Tod meiner Tochter kann ich nicht verdrängen. Sie fehlt mir zu jeder Sekunde. Dennoch tut es mir gut, wieder zu arbeiten. Es gibt meinen Tagen ein Gerüst. Zwingt mich, aufzustehen und unter Menschen zu gehen. Es beschert mir Inseln in diesem oft endlos scheinenden Meer aus Schmerz. Manchmal schafft es eine stressige Situation im Büro mich abzulenken. Manchmal begegne ich im Beruf Menschen, die nichts von meiner Situation wissen. Auch das ist hin und wieder wohltuend. - Ja, es gibt ein kleines Stück Normalität zurück. Letztlich muss aber jeder selbst herausfinden, wie er sein Leben nun in Angriff nimmt. Häufig hat man ja auch gar nicht die Wahl, weil man aus wirtschaftlicher Notwendigkeit arbeiten muss, oder aber gar nicht die Möglichkeit einer Berufstätigkeit hat. Wie auch immer euer Weg nun aussieht, ich wünsche euch viel Kraft und Zuversicht dafür - ganz besonders auch dir, Hermann! Herzliche Grüße Simi |
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hallo ihr lieben..
ich möchte gern das wort verdrängen mit dem wort ablenken austauschen.... liebe grüße von tine |
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@Tine
hast recht, das Wort ablenken passt besser. |
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Liebe Conny,
ich kann verstehen, dass Du deine Zeit als Rentnerin frei gestalten willst. Aber das ist nicht mein Weg. Ich brauche auch Aufgaben. Da war bisher meine Frau, um die ich mich kümmern musste (natürlich hat sie das für mich auch getan), da waren berufliche Aufgaben. Jetzt ist in der Familie nicht viel für mich zu tun. Wir telefonieren mit skype, ich zeige, dass ich noch da bin, mich für ihr Leben interessiere und über Erfolge freue. Beruflich habe ich noch Aufgaben. Arbeit lenkt auch meisten ab, es gibt aber auch Tage, an denen mich die Traurigkeit von der Arbeit ablenkt. Natürlich weiß ich, dass mit diesen Aufgaben, die Sinnfrage nicht beantwortet ist. Man könnte auch nach dem Sinn der Aufgaben fragen. Aber es ist erst einmal ein Versuch. "die Erde hat mich wieder" (Goethe) Liebe Grüße an Alle Hermann |
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Heute ist unser Hochzeitstag, der erste ohne meine Frau.
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Hallo Hermann,
normalerweise ein Tag, um zu feiern. Laut und fröhlich. Immer noch ein Tag, um zu feiern. Leise, mit geschlossenen Augen im Gedanken an die Liebe. Unvergessene Jahre, Tage, Momente. Mal traurig, mal lächend. Ein Bild malend in vorsichtigen Pinselstrichen. Mal zarte, mal kräftige Farben. Ein gutes Bild braucht seine Zeit. Liebe Grüße, Helmut |
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Danke Helmut,
natürlich hast Du recht. Aber ich bin noch nicht soweit, dass ich feiern könnte. Ich bin gerade beim umziehen und verlasse die letzte gemeinsame Wohnung. mit besten Grüßen Hermann |
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