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Marmot 06.10.2014 23:22

Sterbehilfe
 
Hallo in die Runde,

zur Zeit wird ja in Deutschland heftig das Thema "Sterbehilfe" diskutiert. Wie seht ihr das als Angehörige?

Mein Mann war sehr beruhigt, als ihm die Ärztin in der Klinik sagte, diese Diskussionen seien völlig überflüssig, denn es gibt keinen Arzt in Deutschland, der einen Patienten unnötig leiden lässt.

Diese Aussage hat ihn doch sehr beruhigt (und mich auch), denn die Angst vor dem Sterben war wirklich groß, er hat sich trotz aller palliativ medizinischer Bemühungen doch sehr quälen müssen.

Aber dann den letzten Schritt zu gehen und zu sagen, ja ich will jetzt sterben bzw. ich nehme diese Tabletten jetzt selbst zu mir, um zu sterben - das ist doch noch ne ganz andere Hausnummer oder? Und die Kraft haben doch die meisten Patienten dann gar nicht mehr.

Ach Mensch, ich weiß auch nicht, habe mir noch keine abschließende Meinung gebildet, denn so ein wenig ist die Palliativmedizin ja tatsächlich schon Sterbehilfe in den letzten Tagen jedenfalls.´

Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar, dass es die Medikamente - in welcher Dosierung zum Schluss auch immer - für meinen Liebsten gab.

Verwirrte Grüße
Marmot

Kolibri62 07.10.2014 04:07

AW: Sterbehilfe
 
Liebe Marmot!
Mir geht es genauso! Allerdings denke ich, es sollte jedem überlassen werde, der noch selbst in der Lage ist.
Wir hatten hier unlängst einen Fall einer 85jährigen Dame, welche beginnende Demenz hatte.
Hier ihr Brief an die lokale Zeitung.
Hat mich sehr berührt.
http://www.vancouversun.com/news/Gil...057/story.html
Mein Mann hatte dieses Dilemma Gott sei Dank nicht! Der Krebs hatte ganze Arbeit geleistet, aber er musste nicht leiden!

Liebe Grüße Kolibri

shahan 07.10.2014 07:59

AW: Sterbehilfe
 
Liebe Marmot@all

Sterbehilfe ist so eine umstrittene Sache, so eine Dimension von moralischen Hintergründen und doch nehmen es ganz viele Menschen in Anspruch.
Ich wohne ja in der Schweiz und bei uns ist die Sterbehilfe legal, aber ich weiss bis heute nicht, ob ich es gut oder schlecht finden soll.
Die Eltern meines Schatzes waren seit Jahren bei einer Sterbehilfe Org. angemeldet, haben schön brav eingezahlt, billig ist es ohnehin nicht und es hat ihnen nichts gebracht. Sein Vater starb nicht bei Bewusstsein und seine Mutter die letztes Jahr beschloss zu gehen, sie ass und trank eine Woche nichts mehr, war zu schwach den Drink zu schlucken, denn das ist eine Voraussetzung für den Suizid.
Meinem Schatz hätte es auch nichts genützt, zwei Tage vor seinem Tod war er unter so hohen Morphiumdosen, dass er selber nicht in der Lage gewesen wäre den Drink zu nehmen. Vorher war es eh keine Frage, denn mein Liebster
wollte einfach Leben.

Ich wünsche euch einen schönen Tag

L.g.

Gisella

Glaube39 07.10.2014 09:31

AW: Sterbehilfe
 
Liebe Marmot und liebe alle anderen,

Sterbehilfe ist ein Thema was sehr umstritten ist, aber ich kann Menschen verstehen , wenn sie sich in einer ausweglosen Situation Durch ihre Erkrankung befinden in der der sie nicht mehr sein möchten, vielleicht weil sie alleine sind oder...oder.,.und es hier in Deutschland Menschen gibt die sich denen angenommen haben.

Welches Tehema ich genauso wichtig finde ist die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.

Mein Papa musste bevor er vor 9 Jahren gehen durfte, sehr Leiden , zum Glück hatten die Ärzte mit uns ( seiner Frau und uns Kindern ) seinen Verlauf abgesprochen, nur hat man immer so gute Ärzte? Da wir meinen Papa für seine Letzte Zeit nicht in ein Heim geben wollten war er bis er friedlich eingeschlafen ist bei uns zu Hause , meine Mutter und/oder ich waren 24 Stunden für ihn da.

Für uns statt fest nach seinem Tod, soetwas wollen wir nicht erleben müssen und schon garnicht , was wenn die Ärzte nicht so einfühlsam gewesen wären.

So haben wir alle eine Patientenverfügung und jetzt auch eine Vorsorgevollmacht.
Leben ja , aber nicht Leiden müssen, dafü gibt es Medikamente, gehen dürfen wenn die Zeit da ist und nicht den Rest des Lebens durch Maschinen am Leben erhalten werden.Da wo nur noch ein Körper im Bett liegt, wo man nicht weiß was bekommt er/sie noch mit. Es keine Aussicht auf Besserung gibt..... Dafür gibt es zum Glück die Patientenverfügung. Ich finde das ist eine Sterbehilfe die jeder zu gesunden Zeiten für sich schreiben kann wenn er möchte.

Hoffnungsvolle Grüße von glaube

Monika Rasch 07.10.2014 11:10

AW: Sterbehilfe
 
Hallo ihr Lieben Alle !

Alles kann man in einer Patientenverfügung nicht abdecken- aber Eines
war für mich ganz wichtig.
Ich will keine dauerhafte PEG Sonde gelegt bekommen.

Diese PEG Sonde ermöglich eine künstliche Ernährung- über Jahre.

Wenn ich bewusslos dahinlebe, nur noch Körper ohne Geist bin(nach
schwerem Schlaganfall, nach einem Herzstillstand(nach geglückter?
Reanimation), nach einem schweren Unfall geistig
weggetreten(Kopftrauma, neurologisch schwer geschädigt).
Ich rede hier ausdrücklich nicht gegen eine zeitweise, einen akuten
Zustand überbrückende zwangsweise PEG Ernährung- aber alles muss
auch mal ein Ende haben.
In meiner Patientenverfügung steht mein Lebenspartner- und der weiss
genau was ich will.
Auch meine Kinder(beide in der Pflege) wissen genau, wo bei mir das Ende
zu setzen ist.
Kein Arzt wird meine Angehörigen unter Druck setzen können- denn wir
reden darüber !
Immer wieder mal.
Auch wenn einem eine todbringende Spritze verwehrt bleibt, so hat man doch
die Möglichkeit selber zu entscheiden ob man um jeden Preis- nur
weil man es kann- am leben erhalten werden muss.
Die betreuenden Ärzte sind ganz dankbar, wenn nicht SIE entscheiden
müssen.
Allerdings werden sie trotzdem im Ernstfall- auch mit Patientenverfügung-
versuchen ,die Angehörigen zu beraten"wir wollen ihn/sie doch nicht
verhungern lassen!?"
Und dann müssen unsere Angehörigen wissen was sie zu sagen haben-
auch wenn es ihnen herzlos vorkommt.

In der Patientenverfügung sollte auch stehen, dass man schmerzlindernde
Medikamente zu erhalten wünscht, auch mit dem Risiko dass eine
Abhängigkeit (Haha) entsteht oder weitere Organschäden auftreten.

Ich habe viel gesehen, sehe es immer noch- deshalb bin ich ganz sicher
wie mein Leben zuende gehen soll.

Marmot 07.10.2014 12:18

AW: Sterbehilfe
 
Hallo Ihr Lieben,

lasst uns das gerne im Forum für Hinterbliebene diskutieren, vielleicht ist das tatsächlich einfühlsamer, als hier, wo noch an anderer Front gekämpft wird. Muss nur noch herausfinden, wie ich es dahin schiebe :-)

Eine Patientenverfügung haben wir auch gemacht und vorher genau besprochen, was in welchem Fall gewünscht wird und was nicht.

Da steht ja dann auch drin, diese und jene Medikamente trotz des Risikos der Lebensverkürzung oder so ähnlich.

Also mir erschien die palliativmedizinische Versorgung der letzten 24 Stunden meines Liebsten schon wie "Sterbehilfe", dafür bin ich dankbar und er hat dies ja auch in der Patientenverfügung festgelegt und wurde gefragt, ob er sediert werden möchte und er hat klar und deutlich der Ärztin geantwortet.

Ich putze jetzt erstmal Fenster und grüble weiter, vielleicht werden dann nicht nur die Fenster klarer...

Liebe Grüße
Marmot

RudiHH 07.10.2014 12:25

AW: Sterbehilfe
 
Hallo
Wirklich ein schweres Thema!
Ich habe lange überlegt ob ich was dazu schreibe oder nicht.
Ich bin ja wie viele wissen ein gläubiger Mensch aber habe auch meine eigenen Ansichten.
Des weiteren leide ich ja seit meine Jugend an Depressionen.

Erst einmal ich könnte niemanden Töten.
Jedenfalls nicht unter normalen Voraussetzungen.
Dann, wenn ich das richtig sehe, ist damit eigentlich ein Suizid gemeint, denn man bestimmt selber ob man das Medikament nimmt oder nicht.

Selbstmord ist für mich nicht machbar.

Ich möchte es hier lieber nicht weiter ausführen und kann nur versichern das ich sehr unschöne Erfahrungen darin gesammelt habe.

Ich bin eher dafür das man selber bestimmt was bei einer Ausweg losen Situation passieren soll.
Versorgungsvollmacht ist ein Weg, wir haben sogar eine Generalvollmacht.
Man sollte schon sehr genau darin verfassen was wann der eigene Wunsch ist.
Der ausführende hat auch ein Gewissen und man sollte bedenken, das man mit dem erfüllen eines Todeswunsches in eine bestimmten Situation, das gewissen des bestimmenden sehr belastet.

Ich musste schon einmal so etwas entscheiden und es ist bis heute ein schwerer Stein auf meinem Herzen geblieben.
Ich hoffe das ich nie mehr so etwas entscheiden muss.

Monika Rasch 07.10.2014 12:52

AW: Sterbehilfe
 
;) Gitti...sieht Alles !

Danke für die prompte Erledigung des Umzugswunsches !

Timberwolf 07.10.2014 12:56

AW: Sterbehilfe
 
Hallo,

jetzt im richtigen Forum, oder?
Ich habe auch viel darüber nachgedacht, aber es ist schlussendlich nicht dazu gekommen. Meine Mutter hat nach Abfassung der Verfügung sofort gesagt, dass sie nicht dahinvegetieren möchte. Oder qualvoll ersticken (Lungenkrebs).
Ich wäre mit ihr diesen Weg gegangen. Ich finde, jeder sollte das Recht haben, so lange zu leben wie er kann und will. Und lieber durch medizinische Hilfe als irgendwelche missglückten Suizidversuche, die u.U. das Leid aller Betroffenen erhöhen. Bei bestimmten Erkrankungen könnte man es nicht mal alleine bewerkstelligen.
In den letzten beiden Tagen bekam meine Mutter auch Morphium, da sie keine Luft mehr bekam. Die Ärzte betonten mehrfach, dass es atemdepressiv wirkt und daher wahrscheinlich auch lebensverkürzend wirkt. Und damit wollten sie nicht warnen. Ich habe es eher so erlebt, dass es ihr Leiden verkürzt hat (wenn es denn damit zu tun hatte, bei einer eher geringen Dosis), obwohl der Tod an sich für mich immer noch unvorstellbar ist und ich sie in jedem Moment vermisse.
Was dabei doch wichtig ist, die Rahmenbedingungen gut zu stecken. Bei meiner Mama war es eindeutig, dass ihr kurzes Restleben aus Leiden besteht. Und sie hat einen Tag vor ihrem Tod noch ihren Lebenspartner gebeten, ihr Leben zu beenden, weil sie die Luftnot nicht aushält.

Timberwolf

waldi5o 07.10.2014 13:17

AW: Sterbehilfe
 
Zitat:

Zitat von Timberwolf (Beitrag 1289014)
Oder qualvoll ersticken (Lungenkrebs).

Grrrrr.... wer sagt denn so was?
Ich muß nicht qualvoll ersticken. Es gibt Möglichkeiten.
Liebe Grüße
Waltraud

Marmot 07.10.2014 15:17

AW: Sterbehilfe
 
Cool, vielen Dank für`s "Umziehen" :)

Die Fenster sind super klar, mein Verstand nach wie vor nicht, vielleicht auch deshalb, weil mein Mann heute vor 2 Monaten gestorben ist und ich daran zurück gedacht habe und mich hier auch auf das Ausziehen vorbereite. Das tut nochmal höllisch weh.

Zurück zum Thema: Die christlichen Werte stehen bei mir auch sehr im Vordergrund. Tatsächlich geht es ja um Suizid und gar nicht darum, ob wir als Angehörige da Einfluss nehmen können. Hatte ich irgendwie aus den Augen verloren.

Für meinen Mann bin ich dankbar für die "indirekte" Sterbehilfe der Palliativmedizin. Er wollte es so und konnte seine Entscheidung selbst treffen. Nie wäre er am 06./07. August 2014 in der Lage gewesen, irgendeine Tablette selbst zu schlucken.

Sollten diese palliativen Möglichkeiten nicht doch ausreichend sein?

Was aber tun, wenn man in einer Gegend wohnt, wo die palliative Versorgung noch sehr schlecht ist?

Habe ich das Recht, mein Leben, was mir von Gott geschenkt wurde, selbst zu beenden?

Ich glaube, man sollte den Menschen doch diese Selbstbestimmtheit lassen und ihnen zutrauen, dass sie mit der Möglichkeit der Sterbehilfe nicht inflationär umgehen!

Die Möglichkeit zu haben, ist vielleicht schon beruhigend. Das gibt Sicherheit, wo es doch bei den palliativen Möglichkeiten vielleicht noch zu viele Spielräume gibt, doch noch ein Hinauszögern oder so?

Ich bin sehr gespannt, wie die politische Entscheidung dazu ausfallen wird.

Schaue mir jetzt gleich mal den Artikel von Kolibri an.

Viele Grüße
Marmot

mausi69 07.10.2014 15:21

AW: Sterbehilfe
 
Hallo ihr Lieben!

Danke marmot für dieses sehr interessante Thema! Habe auch erst überlegt ob ich meine Meinung hier kund tue, aber wieso nicht. Jeder darf und soll sich hier frei äussern!

Ich habe mich das erste mal 1996 mit dem Thema Sterbehilfe auseinander gesetzt und habe für mich festgestellt Sterbehilfe ja aber unter strengen Auflagen!
1996 erkrankte mein damals 84 jähriger Großvater sehr sehr schwer. Körperlich ging überhaupt nichts mehr,aber der Kopf war total klar. Er hatte fürchterliche schmerzen und er hat so oft gesagt er möchte endlich seinen Frieden und sterben!
Er ist qualvoll gestorben und das ein halbes Jahr lang. Damals habe ich mich immer und immer wider gefragt, warum kann man diesen Menschen nicht die Möglichkeit einräumen wo sie selbst entscheiden bis hier her und nicht weiter!

Heute fast vier Monate nach dem Krebstod meiner Mama sehe ich die Sterbehilfe etwas anders zumal es bei uns in den letzten Monaten auch Thema war. Ich bin dagegen, denn es gibt viele andere Möglichkeiten heute schon festzulegen wie weit möchte ich am Leben erhalten werden und wie nicht.
Monika hat es sehr schön zusammen gefasst!

Eine Anmerkung habe ich noch die Generalvollmacht gibt es noch, mag sein das es von Bundesland zu Bundesland anders ist!
Und noch was ich hätte es nie über's Herz gebracht zum Beispiel meiner Mama aktiv oder passiv beim sterben zu helfen. Ich denke das könnten hier die wenigsten! Irgendwie hätte ich damit nicht leben können!

Die Mama hatte Gott sei dank eine PatientenVerfügung mit allem drum herum!

Lg mausi

carlchen 07.10.2014 16:37

AW: Sterbehilfe
 
Hallo,

hier meine Einstellung.
Bei meinen Mann Klaus war es Sterbehilfe. Ich war bei dem Gespräch mit der Ärztin nicht dabei. Er hatte Lungenmetastasen und drohte wenn zu ersticken.
Es war sein Wunsch und so schwer es war ihn sterben zu sehen, wir mußten es akzeptieren.
Meine Mutter hatte eine Verfügung diese war eindeutig.
Nach Klaus Tod denke auch ich ernsthaft darüber nach, obwohl mit fast 50 jahren ist es dennoch schwierig. ist und anderseits möchte ich nicht, daß meine Töchter darüber entscheiden müssen.
Es ist wirklich sehr schwer los zu lassen.
Ich arbeite selbst im Krankenhaus und habe es schon oft genug miterlebt.
Gut ist es, wenn der Hausarzt es abstempelt.
Eine Garantie ist es aber nicht immer, daß habe ich auch leider miterlebt.
LG Carolin

hermannJohann 07.10.2014 17:14

AW: Sterbehilfe
 
Hallo an Alle!
Unterscheiden muss man zwischen Sterbehilfe und Suizid. Das Recht auf Suizid habe ich jeder Zeit. Mein Leben gehört mir.
„Daß der Mensch, nur der Mensch sich das Leben nehmen kann in hellem, reinen Entschluss, ohne Trübung durch Affekt, vielmehr sich selbst treu, darin liegt seine Würde. Alle Despotien, alle Kirchen, alle Gewalt, die von Menschen über Menschen ausging, den Anspruch erhebend auf ihre Seele, haben den Selbstmord perhorresziert: hier bezeugte sich die Freiheit des Einzelnen, des Menschen als Menschen, der sich der Unterdrückung und dem vernichtenden Leiden entzieht Die Bereitschaft zum Selbstmord macht frei“ (Karl Jaspers 1962)
Das Problem ist hier, dass unsere Gesellschaft den Suizid erschwert. Ein Beispiel dafür ist der krebskranke Dichter, der sich illegal eine Pistole kaufen musste, um sich töten zu können. Der Staat bevormundet seine Bürgerinnen und Bürger und wird dann zum Despoten. Die zweite Frage ist die nach der Sterbehilfe. Ich weiß nicht, ob ich meine Frau hätte töten oder ihr dabei helfen können. Das ist eine Gewissensentscheidung, die man in der Situation trifft. Niemand, auch kein Arzt, sollte dazu gezwungen werden. Aber man darf Ärzte, die dies auf Bitte eines Patienten tun, nicht bestrafen. Gott sei Dank kommt es selten zu einer solchen Situation. Bei uns war das Problem eher die Hoffnung auf Leben und mehr Lebensqualität. Sie kann dazu führen, Leiden zu akzeptieren. Als diese Hoffnung geschwunden war, brauchte sie keine Sterbehilfe mehr, nur noch Schmerztherapie und Beruhigung.
Liebe Grüße
Hermann

Timberwolf 07.10.2014 19:33

AW: Sterbehilfe
 
Waldi,

Entschuldige... Ich glaube schon, dass es bei meiner Mama Sauerstoffmangel war. Sie war kurz bevor es passiert ist wach, aber der HA hat ja erst 14 Stunden vorher das Morphium in Tablettenform gebracht. Sie war lange sehr fit und dann ging es innerhalb von Tagen nicht mehr. Aber sie wollte auch unbedingt zu Hause bleiben und nicht mehr stationär aufgenommen werden. Wenn diese Situation länger angehalten hätte oder wir irgendwie besser vorbereitet gewesen wären, hätte ich diese Möglichkeiten auch umgesetzt bzw. befürwortet.
Aber es war jetzt eben so und es hat ihr trotz allem Leid erspart...

Timberwolf

Marmot 07.10.2014 19:55

AW: Sterbehilfe
 
Ich danke Euch allen für Eure Meinungen und Ansichten!!! Meine Meinung hat sich gefestigt, auf jeden Fall.

Danke Hermann, nochmal für die Erinnerung, um was es bei der Diskussion eigentlich geht.

Das Recht auf einen Suizid darf einem Menschen nicht genommen werden. Niemand und schon gar nicht der Staat, sollte hier eingreifen dürfen. Ist der Mensch dazu nicht mehr selbst in der Lage aus Gründen einer todbringenden Krankheit, sollte ihm geholfen werden dürfen.

Ich möchte Euch ansatzweise die letzten Stunden mit meinem Liebsten beschreiben. Er durfte zu Hause sterben. Er hat monatelang wirklich schwer gelitten, das Schlimmste für ihn war, dass er nach und nach (aus seiner Sicht!) seine Würde verloren hat, sein Körper durch Kachexie abgemagert bis auf die Knochen, jeden Knorpel konnte man sehen, er war immer sehr eitel und stolz im positiven Sinne und ein starker Mann - mein Bär.

Sein Geist war klar bis auf die letzten Stunden und er hat in keinster Weise seine Würde verloren. Auch - und vielleicht gerade - ein hilfloser, hilfebedürftiger Mensch strahlt eine unglaubliche Würde aus.

Ich wusste, dass er - wenn es die Möglichkeit der Sterbehilfe hier gegeben hätte - diese in Anspruch genommen hätte.

Die Ärztin hat ihm hochdosiert Morphium in den Tropf gegeben und mir gesagt, ich solle es selbst dosieren, also die Durchlaufgeschwindigkeit erhöhen, wenn ich merke, dass er unruhig wird. Die Pflegerin meinte, die Mittel reichen für normalerweise für 3 Patienten, aber mein Mann ist so stark. In diesem Tropf war noch irgendein starkes Narkosemittel drin, was bei ihm die Tage zuvor nicht zur Beruhigung beigetragen hat, sondern er wurde immer unruhiger, weil er seinen Geist nicht mehr klar kontrollieren konnte.

Ich habe Schritt für Schritt die Durchlaufgeschwindigkeit erhöht, da er immer wieder unruhig wurde.

Habe ich jetzt Sterbehilfe geleistet???

Und sollte es so sein, ganz ehrlich, das sage ich hier aus tiefstem Herzen und die Tränen laufen mir über mein Gesicht, ich würde es wieder tun!

Das ist für mich Barmherzigkeit und das kann ich mit meinem Glauben vertreten.

Danke wirklich für Eure Meinungen, mir ist einiges klar geworden.

Liebe Grüße
Marmot

mausi69 07.10.2014 20:23

AW: Sterbehilfe
 
Liebe marmot!

Ich möchte dir hier mal etwas da lassen!
Ich habe eure Leidensgeschichte immer leise mit verfolgt. Ihr wart bis zum Schluss ein starkes euch liebendes Paar. Ihr seit wie so viele hier von uns einen schweren sehr schweren weg gegangen. Ich glaube dir hat dieser thread besonders am Herzen gelegen, weil du bis heute Zweifel hattest habe ich ihn beim sterben unterstützt??? Nein hast du nicht!!! Du hast ihn schmerzen genommen und sein Leiden vielleicht verkürzt. Aber das ist wahre Liebe und nichts anderes! Du hast dir deine Frage ja selbst beantwortet du würdest immer wider so handeln!

Marmot du bist eine sehr starke Frau und ich wünsche dir das du irgendwann noch ist es viel zu früh zurück ins Leben schaffst!
Das musste mal raus! Alles liebe zu dir!!!
Mausi

RudiHH 08.10.2014 05:20

AW: Sterbehilfe
 
Hallo Marmot
Zitat:

Und sollte es so sein, ganz ehrlich, das sage ich hier aus tiefstem Herzen und die Tränen laufen mir über mein Gesicht, ich würde es wieder tun!

Das ist für mich Barmherzigkeit und das kann ich mit meinem Glauben vertreten.
Danke wirklich für Eure Meinungen, mir ist einiges klar geworden.
Was würde ich tun?
Das gleiche!
Denn was ist Barmherziger als einen Menschen beim Sterben zu begleiten und es ihm so leicht wie möglich zu machen?
Wenn man am ende des Weges angekommen ist.
Ist das die letzte Handlung, der Liebe, die man dem geliebten Menschen erweisen kann.
Wenn das leben seinem ende entgegen geht man an der schwelle steht dann sollte der Mensch abschied nehmen können.

Was nur wichtig ist:
Wann ist dieser Zeitpunkt?
War er schon als ich hier meine Liebe wiederbelebt habe, als sie nur noch haut und Knochen war, als sie schmerzen und fast kein Blut mehr in sich hatte?
Was wäre wenn ich ihr dann geholfen hätte zu sterben?

Ich habe um Hilfe gebetet das war es was ich gemacht habe.
Die Entscheidung in seine Hand gelegt.

Wer sagt wann es so weit ist?
Wer trifft diese Entscheidung?

Ich glaube das man das sehr genau spürt wenn es zu ende geht.
Wenn keine Hoffnung mehr besteht.

Jedenfalls habe ich gelernt auf Menschen, in der Sache, nicht mehr zu vertrauen, meine Liebe wäre schon lange Tod wenn ich das gemacht hätte.

Ich übrigens auch schon seit Jahrzehnten.
Das ist meine Meinung geboren aus Erfahrungen und Überzeugung.

Marmot 08.10.2014 17:10

AW: Sterbehilfe
 
Hallo in die Runde,

und danke für die lieben, aufbauenden Worte!!! :1luvu:

Vielleicht ging es mir unterschwellig tatsächlich um die Beantwortung einer Frage, die ich mit mir abmachen muss. Vielleicht hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich unwissentlich Sterbehilfe geleistet habe.

Ich hatte auch Angst, den Zeitpunkt nicht zu erkennen, heute weiß ich, dieser Zeitpunkt ist unverkennbar!!! Den Zeitpunkt, an dem es keine Hoffnung mehr für dieses irdische Dasein gibt, den erkennt man definitiv in so einer Situation.

Was ich ja auch in "einen Topf" geworfen habe, sind die Themen "Sterbehilfe" und "Suizid".

Nach wie vor bin ich gespannt, wie die Regierung sich hierzu aufstellt und argumentiert. Vielleicht geht es den Gegnern ja tatsächlich wieder nur um Geld und sie möchten das Leiden mit palliativen Möglichkeiten verlängern, verlängern, verlängern und abrechnen können, statt dem (eventuellen) Wunsch des Patienten nach Suizid zu entsprechen. Welche Lobby argumentiert wie? Es bleibt spannend. Ein Volksentscheid wäre doch hier vielleicht ganz gut.


Herzliche Grüße
Marmot

wolfsherz10 08.10.2014 20:34

AW: Sterbehilfe
 
Hallo marmot

Volksentscheid zu diesem Thema wird es wie so oft nicht geben. Ist generell ja nicht vorgesehen. Irgend so ein verbohrter Politiker hat's mal laut gesagt.: "Wär ja noch schöner wenn das Volk was zu sagen hätte."
Das ganze wird davon abhängen wieviel jeder einzelne Abgeordnete mit diesem Thema schonmal konfrontiert war. Alle Anderen schwingen schlaue Reden ohne zu wissen worüber. Also Alles wie immer. LG wolfsherz :mad::mad:

simi1 08.10.2014 22:21

AW: Sterbehilfe
 
Zitat:

Zitat von Marmot (Beitrag 1289254)
Vielleicht geht es den Gegnern ja tatsächlich wieder nur um Geld und sie möchten das Leiden mit palliativen Möglichkeiten verlängern, verlängern, verlängern und abrechnen können, statt dem (eventuellen) Wunsch des Patienten nach Suizid zu entsprechen.

Hallo Marmot,

die Krankenhausfinanzierung läuft seit einigen Jahren über Fallpauschalen. Für Palliativstationen konnten Ausnahmen beantragt werden, doch auch hier rechnet inzwischen der Großteil der Krankenhäuser über sogenannte DRGs ab.
Die Behandlung von Schwer- und Schwerstkranke, die eine umfassende Diagnostik, zahlreiche Behandlungen und viele stationäre Tage benötigen, ist in diesen DRGs noch immer nicht annähernd kostendeckend abgebildet. Das gilt auch für die ansetzbaren Fallpauschalen der Palliativeinheiten.
Kurz und vereinfach gesagt: Je länger die Liegezeit und je intensiver der Behandlungsbedarf, desto größer ist das Defizit.

Wenn man sich ein wenig mit der aktuell gültigen Krankenhausfinanzierung beschäftigt, verliert man die Sorge sehr schnell, alleine aus Profitgier am Leben erhalten zu werden.

Herzliche Grüße
Simi

HelmutL 10.10.2014 00:35

AW: Sterbehilfe
 
Oberste Priorität des Staates ist: der Schutz des Lebens seiner Bürger. Alles, was davon auch nur einen Millimeter abweicht, MUSS sehr wohl und sehr kontrovers diskutiert werden. Um so mehr, wenn es sich um sterbende Menschen handelt, die ihren Willen in dem Moment meist nicht mehr kundtun können.

Wir betrachten uns als selbstbestimmt. Das ist alles, woran wir denken und was wir verteidigen wollen bis zuletzt. Woran wir dabei nicht denken, ist die Verantwortung, die wir damit vielleicht auf andere Schultern laden.

Ich war einmal Mitbeteiligter, einmal Ausführender, als es darum ging, das 'Beste' zu tun für einen anderen Menschen. In nicht all zu ferner Zukunft werde ich wieder Ausführender sein. Patientenverfügung hin oder her: wer glaubt, es wäre einfach, den Willen eines Sterbenden zu befolgen und den Schalter auf Aus zu stellen (ob direkt oder indirekt), der irrt aber so was von gewaltig. Genau in diesem Moment bin ich einzig und alleine meinem Gewissen verantwortlich, denn es geht auch um mich.

Patientenverfügungen, Generalvollmachten sind gut und notwendig. Doch man ist dann letztendlich auf andere angewiesen und man kann für sich selbst nur hoffen, dass das dann Menschen sind, die diese Verfügungen auch verantwortungsvoll befolgen. Dazu kann niemand gezwungen werden. Diese Hoffnung per Gesetz zu regulieren ist sehr, sehr schwer.

Bevor nun Verschwörungstheorien aufgestellt werden, sollte man vorher vielleicht mal lesen. Z.B. hier: http://www.ekd.de/presse/pm134_2010_...erbehilfe.html Ich finde es absolut nicht unsinnig, was da steht.

Es ist sicher sehr wichtig, über dieses Thema kontrovers zu reden. Doch warum gerade hier im Forum für Hinterbliebene? Auch hier kämpfen Menschen um ihr 'Überleben'. Sollten wir uns hier nicht besser mehr mit dem Leben als mit dem Tod beschäftigen?


Liebe Grüße,

Helmut

Glaube39 10.10.2014 05:29

AW: Sterbehilfe
 
Hallo,
sicher Marmot, hat ihr Thema , Sterbehilfe genannt und wie man sieht durch die vielen Antworten .... Ist viel Schreib und Lesebereitschaft.

Ich finde gerade weil man soetwas durch gemacht hat , einen Geliebten Menschen verloren hat, kommen hinterher die Gedanken.... Die Gedanken was hätte ich noch oder anderes oder anders tun können .....

In meiner Patientenverfügung- vollmacht habe ich nur Mrnschen die mein volles Vertrauen haben genannt, natürlich mit ihrer Abspache im Vorfelt.

hermannJohann 10.10.2014 16:51

AW: Sterbehilfe
 
Hallo an Alle,
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ Psalm 90. Leben und Tod gehören zusammen, daher ist es für mich richtig, nachzudenken, wie und unter welchen Umständen ich leben möchte. Mein Leben gehört mir. Damit wende ich mich gegen alle Kirchen und Religionen, die den Suizid verbieten. Ich respektiere religiös motivierte moralische Grundsätze. Aber die Kirchen haben nicht das Recht, alle ihre Grundsätze gesetzlich durchzusetzen. Ich respektiere ja auch dass die Muslime den Konsum von Alkohol verbieten, wäre aber dagegen, dass der Staat Alkoholkonsum bestraft. Die EKD spricht nicht in meinem Namen. Hier geht es allein um die Frage der Sterbehilfe auf Verlangen in einer Krankheitssituation wie wir sie alle kennen. Das ist eine Gewissensentscheidung, ich weiß nicht, wie ich mich in einer eindeutigen Situation entschieden hätte. Ich hatte Probleme mit Sterbehilfe und habe das nicht getan, die Situation war aber damals nach Einschätzung von Ärzten nicht so, dass eine Besserung nicht zu erwarten war. Trotzdem frage ich mich noch heute, ob ich richtig gehandelt habe. Als dann völlig klar war, dass eine Besserung nicht möglich war und sie sterben würde, war keine Sterbehilfe mehr nötig. Aber was wäre gewesen, wenn es anders gewesen wäre? Ich bin dagegen, dass man eine Gewissensentscheidung eines Arztes mit Berufsverbot oder anders bestraft.
Liebe Grüße
Hermann

Glaube39 11.10.2014 15:01

AW: Sterbehilfe
 
Code:

Ich bin dagegen, dass man eine Gewissensentscheidung eines Arztes mit Berufsverbot oder anders bestraft.
Hallo Hermann,
Ich auch.....

simi1 11.10.2014 21:25

AW: Sterbehilfe
 
Guten Abend zusammen,

ich denke, das Thema Sterbehilfe ist weitaus vielschichtiger und kann aus der persönlichen Sichtweise, dem Empfinden und Erleben des Einzelnen nicht umfassend beurteilt werden.

Man muss sich darüber bewusst werden, dass eine Freigabe der Sterbehilfe andere Probleme mit sich bringen würde. So entstünde sowohl bei Patienten als auch bei Angehörigen u.U. Druck, zu Ende gehendes Leben oder unheilbare Erkrankungen frühzeitig zu beenden: Um die Familie nicht weiter zu belasten, um dem Kranken Leid zu ersparen, um keine weiteren Behandlungskosten zu verursachen etc.

Mit vergleichbaren Schwierigkeiten sind bereits heute Familien mit behinderten Kindern konfrontiert. Dadurch, dass sich über die Pränataldiagnostik viele Gendefekte bereits während der Schwangerschaft erkennen lassen, stößt man bei der Entscheidung zu einem solchen Kind immer häufiger auf Unverständnis bis hin zu unverhohlener Ablehnung. "Muss man so ein Kind heute noch bekommen?" "Das ist doch kein Leben." Bis hin zu "Was das die Allgemeinheit kostet."

Deutschland hat in dieser Hinsicht eine unrühmliche Vergangenheit. Schon einmal in unserer Geschichte haben Ärzte entschieden, welches Leben lebenswert ist und welches einem "guten Tod" zugeführt werden muss. In anderen Ländern wird hier unbelasteter entschieden. So gibt es in Belgien eine sehr weitreichende Freigabe der Sterbehilfe und in England eine restriktive Aufteilung der vorhandenen Ressourcen des Gesundheitssystems auf die Patienten. Ab einem bestimmten Alter oder bei bestimmten Krankheitsbilden stehen dort teure Behandlungen nicht mehr zur Verfügung.

Im persönlichen Erleben erscheint Sterbehilfe teilweise wünschenswert. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass eine diesbezügliche Änderung der Gesetzgebung auch Unsicherheiten, Gefahren, Gewissensnöte und damit neues Leid und Leiden beinhalten würde.

Herzliche Grüße
Simi

Marmot 12.10.2014 17:02

AW: Sterbehilfe
 
Hallo in die Runde,

und Danke für die neuen interessanten Aspekte.

Ich teile die Meinung von Hermann.

Lieber Helmut, nun war ich ja wohl auch irgendwie Ausführende (?) und selbstverständlich ist es nicht einfach, solche Entscheidungen zu treffen, aber ich habe das Gefühl und die Gewissheit in seinem Sinne entschieden zu haben, da wir vorher darüber sprachen und er dies auch in der Patientenverfügung festlegte, das ist tröstlich.

Und für ihn war es kein Leben mehr, das sagte er mir schon Monate vorher. "Wenn das das Leben sein soll, dann will ich das nicht mehr." Vom Bett zur Toilette, von der Toilette zur Couch, von der Couch zur Toilette, von der Toilette ins Bett unter qualvollen Schmerzen, jeden Tag sehen und spüren, wie der eigene Körper verfällt. DAS wollte er nicht mehr und er war ein sehr gläubiger Christ und auch davon überzeugt, dass Gott gnädig ist, hat Jesus doch schon all unsere Schuld auf sich genommen, so kann es auch keine Sünde sein, diese Qualen beenden zu wollen.

Ja, wir kämpfen hier als Hinterbliebene auch, mussten doch aber schmerzvoll erfahren, dass der Tod dazu gehört. Warum also nicht über ihn reden, lässt er sich doch nicht verdrängen und vertreiben, egal wie sehr wir uns darum bemühen, manchmal ist er sogar gnädig, haben wir doch die christliche Hoffnung, uns in die Liebe Gottes fallen lassen zu dürfen, keine Schmerzen mehr zu leiden. Immer noch laufen mir unaufhaltsam die Tränen über das Gesicht, wenn ich an seinem Grab stehe, so auch heute wieder. Ob ich will oder nicht - der Tod gehört dazu, begleitet mich jede Sekunde, streichelt meine Wange. Vielleicht begreife ich genau deshalb erst jetzt, wie wertvoll das Leben ist.

Vielleicht liegt es daran, dass ich "erst" 42 Jahre alt bin, aber ich finde, dass man die unrühmliche Vergangenheit Deutschlands bei dieser Diskussion außer Acht lassen kann. Das, was der Gesetzgeber jetzt diskutiert, hat aus meiner Sicht nichts mit den Verbrechen im Dritten Reich zu tun. Das waren völlig andere falsche, grauenvolle Beweggründe.

Und schlussendlich muss jeder Einzelne sein Tun und Handeln verantworten, egal ob mit dem Segen des Gesetzgebers oder ohne.

Herzliche Grüße
Marmot

Lella 12.10.2014 20:48

AW: Sterbehilfe
 
Hallo zusammen

Ich habe mich erst heute hier im Forum angemeldet, vorher aber schon lange mitgelesen, auch euren Beitrag zum Thema Sterbehilfe... Ich habe die Fernsehdiskussion, der die Diskussion ausgelöst hat, nicht gesehen.

Aber ich komme aus der Schweiz, also aus einem Land, in welchem die Sterbehilfe legal ist. Es gibt hier zwei grosse Organisationen (exit und dignitas), welche Sterbehilfe anbieten.

Trotz der Legalität wird das Thema aber auch hier sehr kontrovers diskutiert, viele Stimmen fordern immer wieder ein Verbot dieser Organisatinen, oft wird dabei auch der Vorwurf des "Geschäfes mit dem Tod" laut. Es ist aber auch nicht so, dass hier jeder Mitglied einer solchen Organisation ist oder diese Art, aus dem Leben zu scheiden, für sich auch effektiv in Betracht zieht. Ich kenne nicht mal vom Hörensagen, jemanden der Mitglied ist, und mir ist persönlich auch niemand bekannt, der jemanden kennt, der diese Art von Freitod genutzt hat. Die gesetzlichen Hürden sind ziemlich hoch, ganz so einfach kann man nicht einfach aus dem Leben gehen.

Ich habe mir auch gerade mal die Zahlen der Sterbehilfeorganisation "Exit" angesehen. Diese Organisation hat 75'000 Mitglieder. Da sich darunter auch Ausländer befinden, sind dies weniger als 1% der Schweizer Bevölkerung. Pro Jahr gehen 2000 Anfragen zur Freitodbegleitung ein, 600 davon werden bewilligt, 450 Menschen sterben jährlich mit Hilfe von "Exit". Darunter aber eben auch Ausländer... Ich möchte damit nur sagen, auch in einem Land, in dem die aktive Sterbehilfe legal ist, wird sie nur äusserst selten in Anspruch genommen...

Ich kann den Einwand von Simi nachvollziehen. Dennoch ist dieser Druck hier eigentlich kein Thema. Die Dienste von Sterbehilfeorganisationen dürfen z.B. in Krankenhäusern nicht in Anspruch genommen werden. Auch Angehörige dürfen darüber ja nicht entscheiden. D.h. Der Betroffene muss eigentlich sehr "früh" entscheiden, ob er Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Dazu muss er aber noch selbst entscheidungsfähig sein. Danach folgen auch noch medizinische und psychologische Abklärungen, also heute anrufen, morgen sterben, das geht nicht. Wer auch nicht schon jahrelang Mitglied ist, wird nicht prioritär begleitet und muss einen hohen Beitrag selbst tragen.

Trotz legaler Sterbehilfe laufen hier bei uns gerade riesige, sehr teure, nationale Projekte zur Palliativversorgung (die Schweiz ist diesbezüglich noch ein Entwicklungsland). Auch seitens Politik ist also kein Druck spürbar.

Ich persönlich denke, dass es jedem selber überlassen sein soll, wie er aus dem Leben scheiden möchte. Und wenn sich jemand für einen Freitod entscheidet (was sicherlich keine einfache Entscheidung ist), dann ist es sicherlich humaner, dies unter professionneller Begleitung zu tun, als sich vor den Zug zu werfen oder von einer Brücke zu springen. Für den Betroffenen selbst, für die Angehörigen und auch für alle Zugführer und Strassenreiniger...

Ich denke, Sterbehilfe ist ein sehr heikles und ernstes Thema, ich denke auch, dass es dazu keine richtige oder falsche Meinung gibt, jeder Aspekt hat seine Wahrheit. Leider eignet sich das Thema aber auch zu gut für reisserische Diskussionen und wird von profilierungssüchtigen Politikern genutzt, mit dem Schüren von menschlichen Urängsten aud Stimmenfang zu gehen.

Liebe Grüsse aus der Schweiz
Lella

Marmot 14.10.2014 12:12

AW: Sterbehilfe
 
Hallo Ihr lieben Schweizer Gisella und Lella,

vielen Dank für Eure interessanten Schilderungen aus der Schweiz. Mir war nicht klar, dass trotz der Entscheidung des Patienten für den Suizid dann nochmals solche Hürden genommen werden müssen.

Mir war auch nicht klar, dass man Mitglied in einem Verein sein muss, um diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen. Das habe ich jetzt durch die Beiträge im Fernsehen erst gehört und hier gelesen.

So sollte es meiner Meinung nach in Deutschland nicht organisiert werden. Wenn, dann muss jeder Mensch die Möglichkeit dazu haben und das darf nicht wieder vom Geldbeutel abhängen.

Die Palliativversorgung, wie ich sie hier in Berlin erlebt habe, war wirklich ausgezeichnet. Hoffentlich kann das auch in der Schweiz umgesetzt werden.

Ja, ein wirklich schweres Thema in jeder Hinsicht.

Herzliche Grüße
Marmot

Lella 14.10.2014 13:58

AW: Sterbehilfe
 
Ja, ich hoffe auch sehr, dass die Palliativmedizin hier noch mehr an Bedeutung gewinnt. Ich bin aber sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind, es werden wirklich grosse Anstrengungen unternommen. Leider ist es zur Zeit noch sehr von der Region abhängig, welche Angebote einem Patienten und seinen Angehörigen zur Verfügung stehen.

Was mich aber auch beeindruckt hat, ist die Aussage einer Palliativärztin, die sich dahingehend äusserte, dass viele Menschen ihre Sicht auf die Sterbehilfe ändern, und diese auch gar nicht mehr in Anspruch nehmen möchten, wenn sie erst einmal erfahren haben, was ihnen die Palliativmedizin bieten kann. Sterbehilfe bleibt dann als "Plan B" im Hintergrund.

Und ich denke, genau dies sollte der Weg sein. Linderung und ein "gutes" Leben, solange es geht. Und wenn dies nicht mehr geht, die Möglichkeit allem ein humanes Ende setzen zu können.

Aber wie Du richtig sagst, Marmot, ein schwieriges Thema. Und ich denke, dass sich die Sichtweise darauf auch mit jeder Erfahrung, die man macht ändert. Viele, die einen geliebten Menschen auf seinem letzten Weg begleitet haben, denken sich vielleicht, oh, hätten wir ihn doch erlösen können, es wäre doch so viel einfacher gewesen viel früher und "geplant" aus dem Leben zu scheiden... Ich bin mir aber nicht sicher, ob das jeder, der bei einem Freitod mit Hilfe einer Sterbeorganisation dabei war, dies auch noch immer genauso sieht...
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Lella

Alter Stassfurter 14.10.2014 14:46

AW: Sterbehilfe
 
Sterbehilfe...wie geht man damit um, wenn ein Angehöriger den Wunsch äussert, selbstbestimmt und in Würde zu gehen...
Meine Mutter hatte ihrerzeit eine PV hinterlegt...Alles gut und schön, die Ethik lässt im KH aber keine Sterbehilfe zu...Als ich sah, wie meine Mutter immer weniger wurde und körperlich / Kräftemäßig abbaute, sprach ich mit meiner Schwester und meiner Tante (der Schwester meiner Mutter) über die PV und wir wurden uns darüber einig, den behandelnden Arzt über das weitere Vorgehen zu begfragen...er sagte mir ganz klar, Herr S. Ihre Mutter hat noch ein Zeitfenster von eventuell 3-4 Tagen, wir leisten keine lebensverlängenden Maßnahmen, aber die Grundversorgung...
Mit der Prognose 3-4 Tage lag er sehr genau...

btt...Sterbehilfe ist (für mich!!) ein Weg der Würdigung eines Menschen...Man lässt ihn nicht auf Gedeih und Verderb an Schläuchen und Maschinen dahinvegetieren...Niemand wird sich in die Situation des Betroffenen hineinversetzen können, Niemand hat das Recht, einen Menschen zu bevormunden...In den Gremien wird immer schön diskutiert und gesprochen...und...geholfen hat's bisher Keinem...
Wer sein Leben selbstbestimmt geführt hat, dem darf nicht verwehrt werden, es selbstbestimmt zu beenden. und selbst, wer auf fremde Hilfe angewiesen ist, dem darf ein Recht auf Schmerz-und Leidensfreiheit nicht verwehrt werden. LG Ronald

hermannJohann 14.10.2014 15:23

AW: Sterbehilfe
 
Hallo an Alle,
1. Ablehnung lebensverlängernder therapeutischer Maßnahmen, wenn eine Heilung absgeschlossen oder extrem unwahrscheinlich ist. Das muss das Recht jedes Patienten und jeder Patientin sein, wenn er nicht mehr reden kann kann das die Patientenverfügung regeln. Das ist keine Beihilfe zum Suizid.
2. Verordnung von Medikanten zur Beruhigung oder Schmerzbekämpfung auch dann, wenn sie die Lebensdauer verkürzen könnten. Auch das ist keine Beihilfe zum Suizid.
3. Maßnahmen, die zu einem schnelleren Tod führen auf Wunsch des Patienten. Darum geht es bei der Frage, ob Ärzte dies tun dürfen. Das kann Beihilfe zum Suizid sein.
Einem Arzt wird man kaum nachweisen können, dass es Beihilfe zum Suizid war, wenn auch die Möglichkeit 2 gegeben ist. Meist ist daas bei Krebs im Endstadium so, da die Krankheit fortschreitet und mit Schmerzen verbunden ist. Aber der Arzt sollte auch nicht vom Gesetzgeber bedroht werden.
Befor meine Frau ins Hospiz kam, wurden Anzeichen für ein beginnendes Leberversagen festgestellt. Eine Ärztin sagt mir später, dass sei noch gut, weil sie so nicht so lange leiden mußte. Aber es hätte auch anders kommen können.
liebe Grüße
Hermnn

Lella 14.10.2014 15:57

AW: Sterbehilfe
 
Hallo nochmal
Ich glaube genau da liegt die Problematik. Wo fängt die aktive Sterbehilfe an und wo hört die Linderung von Leid auf?

Sprechen wir von Sterbehilfe im Sinne einer Freitodbegleitung, wie sie von den Organisationen Exit oder Dignitas in der Schweiz angeboten werden, ist es so, dass dazu der Patient ein Medikament nehmen muss. Er muss es entweder noch SELBER schlucken können oder SELBER einen Infusionshahn öffnen. Alles andere, also eine Gabe durch Dritte, ist auch in der Schweiz illegal. Und er muss in diesem Zeitpunkt noch URTEILSFÄHIg sein. Einen solchen Schritt bei vollem Bewusstsein zu gehen, das stelle ich mir sehr, sehr schwer vor, sowohl für Angehörige, wie auch für den Betroffenen selbst. Dies ist jedoch nur die eine Seite und ich bin hier auch der Meinung, dass dies jeder Mensch für sich selbst entscheiden können soll. Vielen hilft es auch ganz einfach, zu wissen, dass sie jederzeit könnten...

Wie oft unbewusste oder bewusste Sterbehilfe durch einen Arzt, eine Pflegerperson oder auch Angehörige geleistet wird, dies ist wohl schwerz zu sagen und die Grenze zur blossen Linderung wohl fliessend. Und auch hier denke ich, dass das gut so ist und dass die meisten Betroffenen instinktiv richtig und im Sinne des Patienten handeln... Der Gesetzgeber hat hier meiner Meinung nach nichts zu regeln, vor allem nicht dann, wenn ein Leben offensichtlich nicht mehr zu retten ist und ein Weiterleben nur noch für kurze Dauer und unter grossem Leid möglich wäre.

Liebe Grüsse
Lella

HelmutL 15.10.2014 01:51

AW: Sterbehilfe
 
Zitat:

Zitat von Lella (Beitrag 1290530)

Wie oft unbewusste oder bewusste Sterbehilfe durch einen Arzt, eine Pflegerperson oder auch Angehörige geleistet wird, dies ist wohl schwerz zu sagen und die Grenze zur blossen Linderung wohl fliessend.

Nein, das ist eindeutig geregelt. Es geht nicht um bewusste oder unbewusste Sterbehilfe, sondern um aktive und passive.

Vielleicht sollte man mal einige Begriffe erklären:

Zitat (http://www.sterbehilfe-info.de/):

1) Aktive Sterbehilfe

Bei der aktiven Sterbehilfe verabreicht jemand einem Patienten ein unmittelbar tödlich wirkendes Mittel. Der Patient nimmt es also nicht selbst zu sich (das ist der Unterschied zum assistierten Suizid), sondern es wird dem Patienten von außen “aktiv” zugeführt. Wer aktive Sterbehilfe betreibt setzt also bewusst und vorsätzlich einen neuen Kausalverlauf in Gang, der unmittelbar und kurzfristig zum Tod führen soll.

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland ausnahmslos verboten, wie fast weltweit (Ausnahmen gelten in einigen Benelux-Staaten und im US-Bundesstaat Oregon, allerdings unter strengen Auflagen). Sie ist mindestens als sog. “Tötung auf Verlangen” strafbar (§ 216 Abs. 1 StGB: “Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen”). War der Patient erkennbar unzurechnungsfähig, depressiv oder unter äzßerem Druck, so bestehen Zweifel am “ernstlichen Verlangen”. In diesem Fall ist sogar eine Verurteilung wegen Totschlags denkbar (§ 212 StGB).

2) Passive Sterbehilfe

Unter passiver Sterbehilfe versteht man den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Beendigung, entweder weil sie (in der unmittelbaren Sterbephase) medizinisch nicht mehr indiziert sind oder weil der Patient solche Maßnahmen ablehnt. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe wird hier also kein neuer Kausalverlauf (durch Gabe eines tötenden Mittels) gesetzt, sondern man lässt vielmehr nur den natürlichen Sterbeprozess geschehen.

Falls der Betroffene aktuell nicht mehr einwilligungsfähig ist, kommt es auf seinen früher geäußerten Willen (Patientenverfügung) an. Fehlt eine solche, muss der mutmaßliche Wille festgestellt werden. In solchen Fällen entscheidet der Vorsorgebevollmächtigte bzw. (falls der Patient keinen Bevollmächtigten benannt hat) der gerichtlich bestellte Betreuer; ggf. benötigt dieser für die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts (Details im Beitrag “Darf man Patienten verhungern lassen” unter Ziff. III).

Die passive Sterbehilfe ist also der Anwendungsbereich für Patientenverfügungen. Selbstverständlich ist passive Sterbehilfe nicht strafbar, sondern Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Das häufigste Mißverständnis ist, dass Ärzte eine zulässige passive Sterbehilfe für strafbare aktive Sterbehilfe halten. Grund: Auch die passive Sterbehilfe ist oft mit einer Handlung verbunden, z.B. Abschalten des Beatmungsgerätes oder Entfernen des Ernährungssonde. Der Arzt denkt also (irrtümlich): Ich tue etwas und der Patient verstirbt, ergo “aktive Sterbehilfe”. In Wirklichkeit kommt es aber – wie oben erläutert – darauf an, ob der Patient am Verlauf seiner Erkrankung stirbt, der nun nicht länger durch Apparatemedizin aufgehalten wird (dann erlaubte passive Sterbehilfe) oder ob durch Gabe tödlich wirkender Präparate eine neue Ursache gesetzt wird (dann strafbare aktive Sterbehilfe). Anmerkung: Siehe dazu auch Punkt 4

Die Ärzteschaft spricht dennoch ungern von passiver Sterbehilfe, sondern bevorzugt den Begriff Sterbebegleitung (vgl. “Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung”)

3) Assistierter Suizid (Beihilfe zum Freitod)

Die Aktivitäten von Organisationen wie “Dignitas” oder “Roger Kusch Sterbehilfe e.V.” fallen weder in die Kategorie passive, noch aktive Sterbehilfe (obwohl sie meistens unter diesen Begriffen diskutiert werden). Vielmehr handelt es sich hier um eine Beihilfe zur autonomen Selbsttötung des Patienten. Dem Betroffenen wird ein Mittel nicht aktiv verabreicht, sondern “nur” zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt dies aber selbst ein. Da die Selbsttötung in Deutschland nicht strafbar ist, macht sich auch der Beihelfer nicht strafbar. Die Bundesärztekammer hat sich aber eindeutig positioniert und erklärt, dass die Beihilfe zum Freitod gegen das ärztliche Ethos verstößt. Ärzten ist also in Deutschland die Beihilfe zur Selbsttötung durch die Berufsordnung verboten.

Kritisiert wird an der Beihilfe zum Freitod, dass der Sterbewunsch oft Ausdruck einer vom Patienten empfundenen Ausweglosigkeit ist und bei optimaler palliativmedizinischer Versorgung der Patient diesen Weg nicht gehen wollen würde. Ferner besteht die Gefahr, dass durch eine steigende gesellschaftliche Akzeptanz des assistierten Freitods schleichend eine Stimmung entsteht, in der von todkranken Menschen dann irgendwann einmal fast schon erwartet wird, diesen Weg zu gehen. Äußerst fragwürdig ist es schließlich, wenn – wie von Roger Kusch – das Thema kommerzialisiert wird und zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten dient..

4) Indirekte Sterbehilfe

Nur zur Vollständigkeit ein Wort zu dieser eigentlich überflüssigen, jedenfalls unglücklich bezeichneten Kategorie: Als “indirekte Sterbehilfe” wurden bis vor einiger Zeit noch manche palliativmedizinischen Maßnahmen bezeichnet, also insbesondere die Gabe schmerzlindernder Medikamente mit möglicherweise lebensverkürzenden Nebenwirkungen. Der Begriff trifft jedoch in doppelter Hinsicht nicht zu: Zum einen besteht die Intention des Arztes hier in der Linderung von Beschwerden des Patienten, ist also nicht auf den Tod gerichtet. Zum anderen bestätigen medizinische Untersuchungen, dass palliativmedizinische Maßnahmen die letzte Lebensphase eher verlängern.


Zitatende.

Ich denke, das ist eindeutig und verständlich erklärt.

In Deutschland ist Suizid nicht strafbar und somit auch nicht die Beihilfe zum Suizid, d. h. das Bereitstellen von tödlichen Medikamenten, welche der Sterbewillige dann selbst einnimmt. Der Helfer macht sich jedoch unter Umständen strafbar: wegen unterlassener Hilfeleistung und/oder einer Ordnungswidrigkeit bzg. des Arzneimittelgesetzes.

Das Lied von Purple Schulz (Der letzte Koffer), da habe ich das Gefühl, da weiß einer, was er singt. Es ist gut und sehr emotional. Doch Emotionen und persönliches Schicksal sollte man aus dieser Diskussion heraus lassen. Es ist eine Sache, was man sich persönlich wünscht und die andere, was man seinen Mitmenschen per Gesetz zumutet.

Ich persönlich brauche keine neuen Gesetze, die das direkte oder indirekte Töten von Menschen erlauben. Ich brauche die Gewissheit, in Würde und ohne Schmerzen sterben zu können. Stichwort: Palliativmedizin. Darum sollte man sich kümmern. Wie kann man Menschen in ihrer Not helfen und nicht, was wäre die einfachste Lösung.

Ein Gesetz, das zwar Straffreiheit garantiert, den Ausführenden jedoch zwingt eventuell gegen sein Gewissen zu handeln, ist kein gutes Gesetz.


Eine gute Nacht wünsche ich,

Helmut

Lella 15.10.2014 09:08

AW: Sterbehilfe
 
Helmut, vielen Dank für Deinen Post, nun ist einiges klarer, wenn auch nicht einfacher.
Liebe Grüsse
Lella

HelmutL 15.10.2014 12:00

AW: Sterbehilfe
 
Guten Morgen Lella, guten Morgen Silvia,

mir persönlich war das auch nicht so klar im Detail. Ich habe mich also umgesehen und o.a. gefunden.

Zitat:

Zitat von klesi70 (Beitrag 1290664)
Wir durften es so erleben - aber jeder Mensch und jede Erkrankung ist anders.

Wir haben es auch so erlebt als passive Sterbehilfe und es war gut so. Es war nicht leicht, doch menschlich eben.

Natürlich ist die Situation oft anders genau wie jeder Mensch. Das ist so. Doch alle diese Eventualitäten in ein Gesetz aufzunehmen ist ungeheuer schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Es werden Ausnahmen definiert. Ausnahmen von der Ausnahme usw. usf. Das kennt man von anderen Bereichen und trotzdem finden sich immer wieder Schlupflöcher für Dritte.


Liebe Grüße,

Helmut

Marmot 15.10.2014 14:12

AW: Sterbehilfe
 
Lieber Helmut,

wow, danke für den ausführlichen und strukturierten Überblick.

Eigentlich bin ich ja ein wenig im Strafrecht "zu Hause", nur gerade nicht in der Lage, "Emotionen und persönliches Schicksal" heraus zu lassen.

Aber das stimmt vollkommen, das muss man heraushalten.

So gesehen doch ganz gut, dass es keine "Volksentscheidung" geben wird und kann, es würden dann ja viele nicht mit "kühlem Kopf" entscheiden, denke ich.

Beste Grüße
Marmot

hermannJohann 15.10.2014 17:49

AW: Sterbehilfe
 
Hallo an Alle,
ob ich persönlich neue Gesetze brauche, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wie ich einmal sterben werde. Ich kann plötzlich sterben, aber auch in einem Hospiz ohne Beihilfe zum Suizid. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Arzt bitte, mir beim Sterben zu helfen, ist gering. Aber ich finde es nicht richtig, wenn Kirchen oder Ärztekammern diktieren wollen, was ethisch vertretbar ist. Es geht auch darum, ob Ärztekammern einzelne Ärzte deswegen sanktionieren dürfen. Für Ärzte gibt es eine Art Standesgerichtsbarkeit. Allerdings sollen Ärztekammern unterschiedlich in dieser Frage entscheiden. Ein Beispiel in der Sendung war, dass man vom Rheinland nach Westfalen ziehen müsste. Krebskranke haben viele Medikamente, meist noch aus der Zeit der ambulanten Behandlung. Natürlich könnte die diese Medikamente nehmen. Aber ob das besser ist? In einer Sendung wurde von einem krebskranken Dichter gesprochen, der sich eine Pistole kaufte, um sich in Berlin an einem Kanal zu erschießen. Ist das humaner?
Im Bundestag gibt es unterschiedliche Entwürfe. Einige drohen mit dem Strafrecht.
http://www.welt.de/politik/deutschla...s-Sterben.html
Liebe Grüße
Hermann

HelmutL 15.10.2014 23:28

AW: Sterbehilfe
 
Hallo Hermann,

Menschen oder Vereine, die am assistierten Suizid Geld verdienen, haben ihre Ethik. Jeder einzelne von uns hat wiederum seine eigene Auffassung von Ethik, welche dem Wandel unterlegen ist.

Warum sollten Kirchen und Ärzte nicht mitreden dürfen? Sind es doch gerade sie, die sich mit dem Leben und dem Tod beruflich auseinandersetzen müssen. Ob man nun deren Ansicht teilt oder nicht, ist eine andere Sache. Auch unsere politischen Parteien sind da keineswegs unabhängig und die werden letztendlich entscheiden.

Ich habe Diskussionen im Netz verfolgt zu diesem Thema und was da an Gedanken und Ideen zu alten Menschen, Kranken, Behinderten usw. zu Tage kommt, das geht auf keine Kuhhaut. Da stehen mir die Haare zu Berge.


Gute Nacht,

Helmut

Tiina 16.10.2014 10:14

AW: Sterbehilfe
 
Nach dem Tod meiner Mami habe ich mich auch intensiv mit diesem Thema beschäftigt - es wäre besser gewesen, ich hätte es vorher getan...

Meine Mami hat in dem Hospiz keine terminale Sedierung bekommen... wenn sie in den letzten Stunden Panik bekam, kriegte sie ein Beruhigungsmittel und alle 4 Stunden gab es eine Morphinspritze - nicht häufiger. Sie hatte einige schreckliche Minuten in diesen letzten Stunden, die ich ihr so gerne erspart hatte... einmal war ich in der Kapelle, (Es war ein christliches Hospiz - das war aber Zufall, war einfach das Nächste und wir hatten da einen Kontakt.) obwohl ich überhaupt nicht gläubig bin und habe gebetet, dass sie nicht mehr leiden muss - ich habe gefragt, was ich dafür tun muss, ob ich einen Arm geben soll... (Das wäre wohl eher ein Handel, den man mit dem Teufel schließt als mit Gott - aber wie gesagt, ich bin nicht so verwurzelt im christlichen Glauben...)

Dass das so gehandhabt wurde, lag wohl daran, dass das ein christliches Hospiz war und daher keine Medikation gegeben wurde, die das Leben verkürzen könnte, auch wenn es nur noch um wenige Stunden ging.
Ich wusste das nicht... ich hätte mich vorher besser informieren müssen... Da war ich aber zu sehr beschäftigt, mich um meine Mami zu kümmern, sie zu pflegen, zu organisieren, mit Ärzten zu kämpfen, nach Möglichkeiten der Linderung zu fahnden... Ich dachte, in einem Hospiz steht es immer im Vordergrund, dass der sterbende Mensch nicht leiden muss...

Meine Mami hatte auf ihre Art vorgesorgt, sie hatte sich von einer befreundeten Ärztin entsprechende Medikamente besorgt, schon Monate vorher - das war ihr ganz wichtig als Beruhigung, dass sie einen Ausweg hat, wenn sie es nicht mehr erträgt... Sie hatte nicht viel Vertrauen zu Ärzten.
Ich hatte ihr versprochen, auch diesen Weg mit ihr zu gehen, wenn sie das möchte, ich hätte ihr auch die Tabletten vorbereitet und gereicht, wenn sie es nicht mehr gekonnt hätte... Es wäre sicher sehr hart geworden und ich war sehr froh, dass meine Mami sich nicht dafür entschieden hat (die befreundete Ärztin übrigens auch) - aber so im nachhinein denke ich für meine arme Mami wäre es vielleicht doch die bessere Lösung gewesen.

Und seitdem lässt mich das Thema nicht mehr so richtig los.
Liebe Grüße an alle,
Anja


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