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-   -   Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren (https://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=69802)

Verena_Gr 21.05.2017 20:18

Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo zusammen,

gerne möchte ich hier meine Geschichte erzählen.
Meine Mama ist nach nur 8 Wochen nach der Diagnose an Lungenkrebs verstorben.
Meine geliebte Mama durfte nur 57 Jahre alt werden.
Zunächst hatte sie "nur" Hirnmetastasen und uns wurde viel Hoffnung gemacht.
Dann begann die Ganzhirnbestrahlung und der Zustand meiner Mama verschlechterte sich recht schnell. Vor 4 Wochen waren wir noch Pizza essen :-(... Wegen einer Thrombose mussten wir dann wieder ins Krankenhaus und nur eine Woche vor ihrem Tod wurden Metastasen im ganzen Körper festgestellt. Selbst die Ärzte waren geschockt, da meine Mama vorher in einem guten Zustand war und ein langsam wachsendes Karzinom hatte.
Eine Woche vorher haben wir dann also erfahren, dass Mama nur noch wenige Wochen zu leben hat. Aus den geschätzten Wochen wurde dann genau eine Woche.
Ich war die ganze Zeit an der Seite meiner Mama und habe auch ab und zu im kranKrankenhaus übernachtet. Sie war mein Anker und mein Mittelpunkt. Es ist jetzt 2 Wochen her und ich kann es einfach nicht begreifen. Ich bin erst 27 Jahre alt und habe 2 ältere Schwestern die beide schon Kinder haben. Vor 2 Tagen bin ich Tante geworden. Der größte Wunsch meiner Mama war es, das kleine Mädchen noch zu sehen. Ich denke jede Sekunde an sie und es zerreißt mein Herz.
Ich bin auf der Suche nach Gleichgesinnten.

Wie soll ich das alles bewältigen?
Wie soll ich ohne meine Mama leben?

fluturi 21.05.2017 20:33

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

es tut mir sehr leid, dass deine Mama so früh gehen musste. Wie man diese grausame Zeit bewältigen soll, kann ich dir leider nicht beantworten. Mein über alles geliebter Papa ist seit knapp 4 Monaten nicht mehr bei uns. Es tut schrecklich weh und er fehlt mir immer. Er ist auch nur 58 geworden. Ich bin etwas älter als du und habe vorgestern den ersten Geburtstag ohne Papa gefeiert. Ich kann es bis jetzt nicht begreifen, dass er nicht mehr da ist. Das kann einfach nicht sein.

Ich glaube, jeder hat eine andere Art Trauer zu verarbeiten. Jeder braucht eine andere Zeit, andere Lösungen für das Begreifen. Ich warte auf einen Platz in einer Trauergruppe. Eine Freundin hat mir diese Gruppe empfohlen und im Vorgespräch mit der Leiterin hatte ich einen sehr guten Eindruck. Vielleicht gibt es sowas bei dir auch? Hast du ein gutes Verhältnis zu deinen Geschwistern?

Ich wünsche dir viel Kraft.

"Ohne dich. Zwei Worte so leicht zu sagen und doch so endlos schwer zu ertragen."

Verena_Gr 21.05.2017 20:45

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Ich hatte am Mittwoch Geburtstag und es war einfach nur schrecklich.
Ich habe die alten Geburtstagskarten von meiner Mama rausgekramt und konnte mich über nichts freuen.
Mein Schwestern sind ganz toll, aber ich glaube sie stecken das ein bisschen besser weg.
Es gibt viele Menschen um mich herum die mir helfen möchten, aber ich habe das Gefühl, dass das alles nichts bringt.
Danke für den Tipp mit der Trauergruppe.
Ich habe heute schon danach gesucht, bin aber leoder noch nicht fündig geworden.

Mit Deinem Papa tut es mir natürlich auch sehr leid. Diese Krankheit ist einfach schrecklich.

Clea 21.05.2017 20:54

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

hier ist eine Gleichgesinnte.
Meine Ma ist 59 geworden, und bei uns waren es genau sieben Wochen und fünf Tage von der Diagnose bis zum Ende. Das ist jetzt drei Monate und zwei Tage her.
Auch heute noch kribbelt in mir das grauen jeden tag um 13.47.
Du siehst also, es dauert.
Vieles wird einfach so leichter, mit jedem tag, an dem du dich einfach dem Alltag hingibst. Wichtig war mir immer, dass ich mich weiter bewegt habe,
nicht in meiner Trauer erstarrt bin. Manchmal, an ruhigen Vormittage, an denen ich nichts besseres als Putzen zu tun habe, ertappe ich mich, dass ich gar nichts geschafft bekomme, sondern nur herumdümpele.
Ich erlaube mir das auch.
Ich habe alle möglichen Fotos von meiner Ma auf meinem Handy. Wenn es schlimm ist, dann schaue ich sie mir an, sehe, wie sie ausgesehen hat, bevor der Krebs zugeschlagen hat. Und am Ende sah sie wirklich nicht mehr aus wie sie selbst.
Mein herzliches Beileid zum Verlust deiner Mutter.
Ich weiß nicht, was ich mit 27 gemacht hätte. Ich bin schon 40.
Deine Mutti hätte bestimmt nicht gewollt, dass du leiden musst.

fluturi 21.05.2017 20:55

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Das Gefühl kenne ich. Ich habe auch viele Menschen um mich, die mir helfen möchte. Aber es kann mir keiner helfen. Ich habe bessere und schlechtere Tage. An schlechten hilft mir nichts. Dann bin ich unendlich traurig und kann fast nur weinen.

Ich bin teilweise sehr vor den Kopf gestoßen, welche Erwartungshaltung manche "Freunde" von einem haben. Lass dich nicht unter Druck setzen. Ich sage inzwischen offen, dass es mir schlecht geht, auch wenn es vielleicht anders wirkt. Und dass mir keiner helfen kann.

Hörst du gern bestimmte Musik? Ich lese auch gern Gedichte. Ohne dich und Traurigsein von Erich Fried mag ich sehr.

Verena_Gr 22.05.2017 13:24

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo zusammen,

heute morgen hatte ich zum ersten Mal nicht dieses erdrückende Gefühl im Magen. Ich weiss nicht, ob ihr das kennt, aber das überkommt mich immer wieder.
Ich denke die ganze Zeit am Mama und frage mich immer wieder wie das nur so geschehen konnte und warum alles so schnell ging, obwohl sie ein nicht kleinzelliges Adenokarzinom hatte...
Wie kann der Tumor dann innerhalb von 3 Wochen so explodieren?
Ich mache mir auch Vorwürfe, dass ich mit Mama nicht mal eher zum Arzt gegangenen bin. Sie ist nie zur Vorsorge, obwohl ihre Eltern und eine Schwester auch an Krebs verstorben sind.
Ich hätte mich noch besser kümmern müssen..
Ich empfinde das ganze Leben als sinnlos seitdem Mama weg ist..

Wolle2 22.05.2017 15:49

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena.

Ich möchte Dir mein tief empfundenes Beileid zum unerwarteten Heimgang deiner Mama aussprechen. Es ist schlimm, wenn man schon so früh einen Menschen, der einem lebenslang begleitet hat, so schnell verliert.
Für Deine beiden Schwestern ist der Tag unter anderem mit der Sorge um die Kinder ausgefüllt. So bleibt weniger Raum zur Trauer, abgesehen davon, dass man sie dann möglichst unterdrücken muss, um die Kinder nicht zu belasten. Bekannte oder Freunde können bei der Bewältigung des Verlustes und bei der Trauerarbeit ohnehin nicht helfen. Damit muss man allein fertig werden.
Du brauchst Dir keine Vorwürfe zu machen. Die Krankheit mit ihrem rasanten Verlauf war einfach schneller. Daran hätten wahrscheinlich auch Vorsorgeuntersuchungen nichts geändert.
Wichtig ist nur, dass Du so lange und so oft wie möglich für deine Mama da warst und sie bis zum Schluss begleitet hast.
Ob Du in einer Trauergruppe Halt finden wirst, musst du versuchen. Für die nächste Zeit wünsche ich Dir viel Kraft. Dir bleibt die Erinnerung an die gemeinsam erlebte Zeit.

Ein stiller Gruß.
Wolle2.

Clea 22.05.2017 20:08

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Das sehe ich genauso wie Wolle.
So schnell sind wir einfach nicht wie diese heimtückische Seuche.
Meine Mutter ist auch nicht zur Vorsorge gegangen, auch ihr Vater und wahrscheinlich auch der Bruder sind daran verstorben.
Sie selbst hatte auch schonmal "was" an der Gebärmutter und einem Eierstock, aber damals brauchte sie keine Chemo oder ähnliches.
Ich denke heute, bei ihrem Husten hätten wir hellhörig werden müssen.
Heute denke ich, wir hatten zwar ein schnelles Ende, aber dafür hatten wir nicht diese elendenden Chemotherapien, nicht diese bange Ungewissheit bei jedem CT, undundund. Ich kann natürlich nicht in den Patienten reinhören, aber ich persönlich hätte es lieber so, wie unsere Mütter es durchgemacht haben, wenn es denn dann unbedingt Krebs sein musste.
Im Fall meiner Mutter wäre das leider auch bei STillstand des Krebses nichts mehr geworden, sie hatte nach der OP der Hirnmetastase eine Halbseitenlähmung. Aus dem Rollstuhl herausgekommen wäre sie sowieso nicht mehr. Vielleicht war es letzten Endes sogar gnädiger so.
In der Situation selbst hätte ich übrigens nicht so gedacht, ich habe gehofft und gebetet, dass wir noch einen und noch einen Tag bekommen, so schlecht sie auch waren. Und am Ende, als es hieß, wir stellen die Infusionen ein, dachte ich zuerst, wir bringen sie um und alles ist zu früh. In Wahrheit wäre es nur ein In Die Länge Ziehen des Leidens.
Auch das Gefühl in der Magengegend kenne ich. Auch das wird besser.
Ich hatte auch einen deutlich höheren Blutdruck in den Wochen und auch die Verdauung... naja, lassen wir das. Der Körper reagiert bei Angst. Und in dem Fall war es Todesangst. Wenn du liebst, ist es unerheblich, wer in Gefahr ist.

Verena_Gr 28.05.2017 21:44

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo zusammen,

vielen Dank für die lieben und mitfühlenden Worte.
Morgen habe ich meinen ersten Arbeitstag und mein Magen spielt verrückt.
Es fühlt sich so an als hätte mir jemand einfach so mein Herz rausgerissen.
Ich fülle momentan mein Erinnerungsbuch für Mama. Ist ganz toll, habe ich von einem Kollegen geschenkt bekommen.
Es heisst "Du bleibst für immer in meinem Herzen - mein persönliches Traurr- und Erinnerungsbuch" (falls jemand Interesse hat)..
Hier kann man persönlich Texte und Bilder niederschreiben / einkleben.
Mir ist das sehr viel Wert, da ich Angst habe irgendwann Kleinigkeiten zu vergessen..
Um so später es wird, destso mehr Angst habe Ich, den Tag morgen nicht zu überstehen..
Ich sehe jetzt schon die mitleidigen Blicke meiner Kollegen vor mir...

Clea 28.05.2017 21:55

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Verena,

nicht jeder kann das, einen aufmuntern, ohne plump oder neugierig, oder gezwungen zu wirken. Aber die meisten werden sich zumindest Mühe geben.
Nimm es, wie es kommt.
Ein wenig Alltag wird dir gut tun. Dann vergeht der Tag besser.
Ich wünsche dir alles Gute.

rocketpocket 30.05.2017 19:27

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

ich antworte hier im Forum das erste Mal, lese aber schon seit einiger Zeit sehr aufmerksam mit. Ich kann deine Situation sehr gut verstehen, da ich das Gefühl habe, dass das was du erlebt hast sehr meiner Geschichte ähnelt.
Ich bin 41 und meine Mutter bekam im Dezember 2016, kurz vor ihrem 65. Geburtstag die Diagnose Lungenkrebs, inoperabel, Stadium 4 mit einer kleinen Meta im Muskelfleisch und mit drei metastasierten Lymphknoten.
Zuerst waren wir auch sehr positiv gestimmt und wollten die Behandlung so gut es geht gemeinsam durchziehen.
Meiner Mutter ging es dann nach der ersten Chemo (Cisplatin und Permetrex?) schlagartig sehr schlecht. Sie erkrankte an einer Bronchitis und wir mussten die zweite Chemo verschieben. Ihr Zustand wurde immer schlimmer und es wurde dann entschieden zunächst zu bestrahlen, um den Tumor zu verkleinern. Es kam genau zu zwei Bestrahlungen.
Der Krebs ist förmlich "explodiert" und meiner Mutter ging es dann innerhalb weniger Tage immer schlechter, sie aß und trank nichts mehr und am 01.04. ist sie dann nach nur einer Nacht im Krankenhaus verstorben.

Es ist immernoch so unwirklich für mich und ich kann auch den rasanten Krankheitsverlauf noch nicht wirklich fassen.
Sie fehlt mir wahnsinnig. Ich habe leider keine Geschwister und auch keinen Vater mehr.
Wie man ohne die Mutter weiterleben soll ist mir auch noch nicht so richtig klar und ich denke, dass es noch lange dauern wird, bis ich endlich verstanden habe, was da eigentlich passiert ist.

Mir hat es bis jetzt sehr geholfen, dass ich mir gute Literatur gesucht habe. Besonders Bücher, die sich mit Trauer, dem Sterben und dem Tod beschäftigen, haben mir momentan geholfen.

Liebe Grüße
rocketpocket

Verena_Gr 22.06.2017 19:15

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo zusammen,

ich habe mich lange nicht mehr gemeldet.
Seit 3 Wochen gehe ich wieder zur Arbeit, aber es fällt mir unheimlich schwer. Auf der anderen Seite tut es auch gut, da ich nur von Menschen umgeben bin, denen es "egal" ist, was meiner Mama passiert ist. Das heißt jetzt nicht, dass meine Kollegen gefühlskalt sind, aber bis auf mein engster Kollege kannte niemand meine Mama.
Mir geht es so schlecht und die Trauer wird gefühlt immer größer...
Alle sagen "Du schaffst das", "es muss weiter gehen" etc., aber ich schaffe das nicht und für mich geht es zwar weiter, aber auf einer Art und Weise, die ich mir nie hätte ausmalen können.
Mein Freund ist ganz, ganz toll und steht mir bei, aber da ist eine Lücke, nein ein Krater, den niemand schließen kann.
Ich habe gelesen, mich abgelenkt, selbst geschrieben und alles versucht.
Ich habe mir sogar immer wieder vorgestellt, dass ich morgen aufwache und der ganze Albtraum ist vorbei. Nichts hilft!
Meine Mama war der tollste Mensch den ich kenne, nicht weil ich sie natürlich liebe, weil sie meine Mama ist, sondern weil sie ein unfassbar toller Mensch war. Sie hat immer zuerst an die anderen gedacht und gaaamz weit hinten kam sie. Viellleicht hat sie das auch krank gemacht.
Sie hat immer jedem geholfen und hatte ein Herz so groß wie man es sich kaum vorstellen kann. Ich befürchte gerade, dass es keinen interessiert was ich hier schreibe, aber das ist das was ich fühle und denke.
Ich weiß nict mehr wohin mit meinen Gedanken und mit mir und weiß nicht mehr wofür das Leben noch gut sein soll.
Allen die auch Ihre Liebsten verloren und mir geantwortet haben sende ich mein tiefstes Mitgefühl.
Irgendwie müssen wir das schaffen, wie auch immer...

Ich2009 22.06.2017 20:42

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo

Ich kann sehr gut verstehen, wie es Dir geht. Ich habe zwar meine Mama noch, habe aber vor 6 Monaten meine über alles geliebte Schwester verloren. Ich kann es auch bis heute nicht verkraften, dass sie nicht mehr da ist.
Meine ganze Familie trauert immer noch, aber irgendwie redet man immer weniger drüber. Ich denke, dass ich oft zu viel von den anderen verlange. Jeder geht anders mit der Trauer um. Auch meine Schwester war so ziemlich die beste Person auf der Erde. Bis zum ihren Tod hat sie zuerst an andere gedacht und nun habe ich das Gefühl dass kaum einer an sie denkt. Aber ich glaube, dass es nur mein Empfinden ist, weil sie für mich so wichtig war
Ich hoffe auch für dich dass es bald etwas erträglicher wird und wir damit besser umgehen können
Viel Kraft dir weiterhin

Clea 23.06.2017 08:03

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

ich weiß leider genau, was du meinst.
Alle kehren zur täglichen Routine zurück und man selbst tut es auch.
Ein Weilchen klappt das. Und dann bricht es über dich herein.
Du kannst nix dagegen tun.
Ich saßda und heulte. Am Tisch, an der Kasse, im Bett.
Jedesmal auf dem Weg zur Arbeit, wenn ich an dem Kreuz nicht zu ihr weiterfahre, sondern zur Arbeit abbiege. Am Grab ist es ganz schlimm.
Ich habe meiner Ma ein wenig Sand von Mallorca mitgebracht.
Sie liebte die Insel so sehr und nun konnte sie nicht mehr mit.
Gestern Einschulungsbesprechung in der Aula. Sie wird es nicht mehr sehen.
Da kamen mir dann auch die Tränen.
Es ist so ungerecht, dass wir heute den 60. Geburtstag unserer Chefin feiern,
wir aber den 60. meiner Ma nicht mit ihr feiern dürfen.
Es sind so viele Dinge, die einen erinnern und jedesmal gibt es einen Stich.

Ich denke, es wird noch länger ein Auf und Ab bleiben.
Man muss erstmal akzeptieren, dass das Leben nun in anderen Bahnen verläuft.
Und dann muss man sich neu einstellen. Das geht nicht von heute auf morgen.
Aus der Ausbildung weiß ich noch, dass die physiologische Trauer bis zu zwei Jahre dauern kann.
Eine grausam lange Zeit.

rocketpocket 23.06.2017 10:27

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo an alle!
Schön, dass ihr hier weitergeschrieben habt. Mir geht es momentan auch nicht gut. Bin gerade seit einer Woche im Haus meiner Mutter und muss nun langsam damit anfangen ihre Sachen zu sortieren... Das fällt mir alles wahnsinnig schwer. Hinter jeder Schranktür oder Schublade verbergen sich unendlich viele Erinnerungen und ich merke erst jetzt wie groß sich der Verlust anfühlt. Meine Mutter ist nun seit fast drei Monaten tot und ich hab immer noch das Gefühl, dass ich noch nicht richtig begriffen habe was passiert ist.
Anfang letzter Woche musste ich auch zum ersten Mal ihr Grab bepflanzen, da nun alle Blumen von der Beerdigung verblüht waren. Es fühlt sich alles immer noch so unwirklich an und ich weine viel.
Mein Mann und meine Oma stehen mir so gut sie können bei und das hilft mir.
Ich glaube wir alle müssen uns immer wieder vorstellen, was unsere Mütter bzw. unsere verstorbenen lieben sich für uns gewünscht hätten. Sie würden alle nicht wollen, dass wir an dem Verlust zerbrechen.
Ich wünsche euch allen viel Kraft und mut und auch ein paar schöne Momente in der nächsten Zeit, wo ihr das Gefühl bekommt, dass das Leben zwar viel von uns verlangt im Moment aber trotzdem auch gute Momente existieren.
Ich umarme euch.
Rocketpocket

Clea 28.06.2017 17:40

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Das hast du sehr schön geschrieben.
Danke dafür.
Das ist der Grund, warum wir uns hier
angemeldet haben, in schweren Stunden etwas Zuspruch zu erhalten
von Menschen, die dasselbe durchmachen.
Fühl dich gedrückt.

Verena_Gr 21.08.2017 20:02

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Ihr Lieben,

lange ist es her, dass ich hier in das Forum hineingeschaut habe..
ich habe immer wieder daran, gedacht, aber das Arbeitsleben hat mich zurück und ich versuche irgendwie wieder in meinen "neuen" Alltag zu finden.
Dennoch denke ich jede Minute an Mama...
Gestern war die Taufe von meinem Patenkind. Ich habe mir eben die Fotos angeschaut und das alles macht mich einfach nur traurig, obwohl ich mich ja auch freuen sollte.
Ich habe eine Fürbitte für Mama lesen wollen, habe es zumindest versucht, aber es ging so ziemlich in die Hose.
Mein Patenkind Lina ist das Kind meiner Schwester. Mama hat sich so gefreut, dass nach 2 Jungs endlich ein Mädchen auf dem Weg ist. Meine Schwester war hoch schwanger, als wir die Diagnose bekommen haben, sie tut mir auch so leid. Sie ist eher verschlossen, aber ich weiß, dass es ihr so weh tut, dass Mama die kleine Maus nicht mehr sehen durfe. Das war ihr größter Wusch. Meine Schwester musste knapp 2 Wochen nach Mamas Tod die Geburt "durchstehen"... woher sie die Kraft genommen hat, weiß ich bis heute nicht. Ich bin sehr stolz auf meine Schwester.
Als wir noch guter Hoffnung waren hat Mama immer gesagt: hoffentlich sehe ich unser kleines Mädchen noch...
Für mich war es ganz klar, dass Mama sie noch sieht.. falsch gedacht..
Heute habe ich versucht einen Termin beim Psychologen zu bekommmen.. 6-10 Monate Wartezeit - na danke...
Ich kann mich an nichts wirklich erfreuen und wenn es mir "gut" geht nur, weil ich verdränge was passieren musste.
Ich will meine geliebte Mama zurück!!!

Liebe Grüße an Euch alle, ich hoffe es geht Euch gut / besser...

rocketpocket 22.08.2017 14:13

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Verena,

schön, mal wieder was von Dir zu hören.
Mir geht's auch ähnlich.. die Tage streichen dahin und irgendwie ist seit dem Tod meiner Mutter alles anders. Ich kann mich auch an manchen Tage über Garnichts freuen, fühle mich leer und traurig.
Familienfeste meide ich soweit es geht, da mir da "der leere Platz" meiner Mutter am meisten auffällt.. das kann auch nicht jeder verstehen, aber mir ists egal- Hauptsache ich "überlebe"...
Habe auch bis letzte Woche durchgearbeitet und nun fliegen mein Mann und ich morgen für 16 Tage nach Kreta. Ich freue mich schon sehr auf den Urlaub, da ich seit der Erkrankung und dem Sterben meiner Mutter noch nicht wirklich zur Ruhe gekommen bin... Ich hoffe die freie Zeit hilft mir, alles nochmal zu verarbeiten und eine innere Akzeptanz zu erreichen.. das fällt mir manchmal noch schwer :huh: :weinen: ich werde die nächste Zeit nutzen, mich auch mal von allem "abzumelden" und mich mal wieder nur um meinen Mann, mich und um unsere Beziehung zu kümmern... da ist in den letzten Monaten auch vieles auf der Strecke geblieben, aber genau das ist jetzt auch wichtig: gute Zeit mit den Lieben zu verbringen!
Ich hoffe auch für Dich und Deine Schwester, dass die Tage besser werden, schön, dass Ihr Euch gegenseitig habt..

Fühl Dich umarmt :knuddel:
rocketpocket

Verena_Gr 22.08.2017 16:24

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo rocketpocket,

schön, dass Ihr erstmal in den Urlaub fahrt.
Ich versuche meinen Freund seit Wochen zu überreden, dass wir weg fahren, auch wenn es nur für ein paar Tage ist.
Ich habe jetzt auch 2 Wochen Urlaub, den ich aber Zuhause verbringe.
Mein Freund ist selbstständig und da ist in den letzten Monaten augrund der Situation auch einiges liegen geblieben, was nachgeholt werden muss.
Dennoch würde ich gerne weg fahren, aber ohne ihn kann ich mir das auch nicht wirklich vorstellen - also bleibe ich Zuhause.
Ich habe versucht mir ein bisschen was vor zu nehmen, wenn ich nur alleine Zuhause bin denke ich nur nach, habe die letzten beiden Tage noch mehr geweint als "normal". Liegt wahrscheinlich auch ein bisschen an der Taufe, aber auch daran, dass ich jetzt Zeit habe.
Heute Mittag musste ich mit meiner Schwester das erste Mal wieder in DAS Krankenhaus, da wir einige Unterlagen brauchten. Es war so unwirklich, diesen Ort wieder zu betreten.
Ich habe gedacht, jetzt gehe ich einfach wieder auf´s Zimmer 309 und besuche Mama, ich war ja ohnehin immer da. Aber das geht nicht, weil auf Zimmer 309 keine Mama mehr ist, auch nicht Zuhause und auch sonst nirgendwo, zumindest kann ich sie nicht mehr sehen und "anfasen"....
Ich bin nicht besondern gläubig, aber ich denke trotzdem, dass unsere Lieben bei uns sind. Vielleicht bin ich verrückt, aber ich denke manchmal spüre ich das. Das gibt mir ein bisschen Hoffnung. Auf der Beerdigung kam zum Schluss das Lied "Amoi seg ma uns wieder", das haben Mama und ich oft gehört und dabei geweint.. jetzt höre ich es alleine und weine...

Was meint Ihr, sehen wir unsere Lieben irgendwann wieder?
Gibt es da was nach dem Tod?
Ich stelle mir diesen Fragen jetzt sehr oft und der Gedanke, dass das nicht so ist zerreißt mich.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Urlaub rocketpocket, genieß die Zeit und hab (trotz allem) eine schöne Zeit mit Deinem Mann! Das die Beziehnung auf der Strecke bleibt kenne ich, ich dachte zwischenzeitlich kurz, dass wir das nicht überstehen, aber ich denke wir sind übern Berg, wenn es darum geht.

Umarmung zurück :knuddel:

Annelie1984 22.08.2017 23:31

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Ich glaube und hoffe auf ein Wiedersehen! Meine Tante ist jetzt 3 Monate tot, aber wirklich glauben kann ich das nicht. Oft lasse ich das letzte Jahr Revue passieren (weil meine Tochter am Sonntag 1 Jahr wird) und dann ist es für mich noch viel unvorstellbarer, dass sie nicht mehr da ist und auch nicht mehr kommen wird, wo ihr Kampf letztes Jahr um diese Zeit begonnen hat. Für mich gab es keinen Zweifel, dass sie wieder gesund wird.
Auf ihrem Begräbnis wurde auch "amoi seh ma uns wieder" gespielt. Hab das Lied gestern das 1. Mal im Radio gehört und einmal mehr kann ich nicht begreifen, dass es ist, wie es ist...

rocketpocket 23.08.2017 05:22

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena, hallo an alle hier,

vielen Dank für die lieben Wünsche. Ich werde versuchen eine gute Zeit zu haben.
Das ist doch schön, dass Du nun auch zwei Wochen Urlaub hast. Natürlich denkt man viel darüber nach, was alles passiert ist, wenn man so viel Zeit hat und nicht durch Arbeit oder den Alltag abgelenkt wird.
Ich habe mir vorgenommen das zu nutzen, mir die Zeit auch zu nehmen zum Weinen, zum Erinnern aber auch um darüber nachzudenken, wie es nun weitergeht. Wie ich mein Leben nun ohne meine Mutter weiterleben werde.

Ich wünsche Dir jedenfalls auch eine erholsame Zeit und gute Gedanken. Und wenn man dann mal wieder so richtig weinen muss, dann ist das eben so. Danach fühle ich mich meistens besser.

Zu Deiner Frage, ob es nach dem Tod ein Wiedersehen gibt... Ich weiß es natürlich auch nicht, aber ich hoffe und glaube es!
Die Energie meiner Mutter ist bei mir geblieben, auch wenn ihre Hülle nicht mehr da ist. Ich merke das ganz oft, wenn ich zum Beispiel ihre Sachen sortiere.. dann fühlt es sich an, als wenn sie neben mir steht und sagt: "das kannst Du der Oma geben" oder "das kannst Du wegwerfen" etc... und es fühlt sich völlig normal an. Ich genieße dieses Gefühl jedes Mal.

Dir Verena eine gute Urlaubszeit! :cool2:
Herzliche Grüße an alle, die hier mitlesen!

rocketpocket :winke:

Verena_Gr 10.11.2017 22:24

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo ihr Lieben,

ich hoffe Euch geht es allen gut.

Ich hatte ständig den Gedanken, mal wieder etwas zu schreiben.

In der letzten Zeit habe ich mich in die Arbeit gestürzt und den Schmerz mehr oder weniger verdrängt. Wenn ich meine Gefühle zu lasse und mir alles hervor hole bekomme ich sofort Weinkrämpfe und habe das Gefühl, keine Luft zu bekommen (passiert mir komischerweise meist beim Auto fahren).

Meine Freunde denken, dass ich den Verlust gut kompensieren kann, vor anderen kann ich gar nicht mehr wirklich weinen und wirke scheinbar abgestumpft, was ich normalerweise überhaupt mich bin.

Ich beschäftige mich oft und immer wieder mit der Frage, wo Mama jetzt ist und ob wir und irgendwann wieder sehen. Oder ist das doch nur naiv und nach dem Tod ist alles vorbei?

Heute Abend habe ich sehr viel geweint, die Zeit ohne Mama.. jetzt schon ein halbes Jahr. Es gab keinen Tag in meinem ganzen Leben, an dem wir keinen Kontakt hatten. Wir haben nachdem ich ausgezogen bin jeden Tag telefoniert, jeden Morgen eine SMS und ganz oft nach der Arbeit war ich bei ihr. Das ist nun alles nicht mehr. Ich vermisse meine Mama... Kein Kaffee nach Feierabend, keine Stimme die mir immer das Gefühl gegeben hat, dass mir nichts passieren kann und das alles gut wird. Mama hat eine so unglaublich Wärme ausgestrahlt, ich kann das gar nicht beschreiben.

Meine Mama ist tot, das zu schreiben ist immer noch so unwirklich....

Traurige Grüße,
Verena

Jusy 11.11.2017 22:42

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Mir geht es ein bißchen wie dir, wenn man das überhaupt so sagen kann... Bei mir ist es nun ein Jahr her. Meine Mami hatte nach dem Rezidiv auch nur sieben Wochen. Sie ist an Allerheiligen ein Engel geworden. Vor einem Jahr. Und irgendwie wird die Trauer nicht besser, die Sehnsucht wird größer...
Ich bin jetzt auch zum 2. Mal Mutter geworden und wenn mein Baby etwas neues lernt oder kann bin ich stolz, aber weine, weil es die Mami nicht mehr erlebt, wir es nicht gemeinsam als Mutter und Oma erleben können...
Ich wünsche dir alles Gute

rocketpocket 12.11.2017 15:55

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Verena,

schön, dass Du mal was von Dir hören lässt.. ich lese hier immer noch sehr oft mit und auch im Angehörigen-Forum lese ich oft noch.. einen eigenen Thread wollte ich nicht mehr eröffnen, zu weit weg erscheint mir doch alles aus heutiger Sicht.
Bei mir sind es jetzt auch schon 8 Monate, seitdem meine Mutter gestorben ist und die Zeit verändert die Trauer. Es gibt immer noch sehr schlimme Tage. Da wache ich morgens schon auf mit Tränen in den Augen und der ganze Tag fühlt sich an, als wenn ein trauriger Schatten mich umgibt.
Dann gibt es auch Tage, an denen ich mich schon wieder stark und gut fühle und alles was passiert ist, besser annehmen kann.
Ich denke auch oft darüber nach, ob wir uns irgendwo wiedersehen und ich versuche positiv zu denken. Ich kann von mir noch nicht sagen, dass ich mich über die gemeinsame Zeit freue und mir die Erinnerungen an meine Mutter gut tun. Eher ist es so, dass diese Gedanken noch mehr schmerzen und mir der Verlust dadurch ganz nah kommt... Vielleicht ändert sich das ja noch??
Ich habe hier im Forum so viele Geschichten gelesen, die mich sehr traurig gemacht haben und mir wurde durch dies alles sehr bewusst, wie endlich das Leben doch ist.. trotzdem habe ich Halt gefunden durch das Gefühl nicht alleine zu sein.. Vielen Dank Euch allen, die ihr hier schreibt und unterstützt!!
Ich versuche mich wieder dem Leben zuzuwenden, aber ich werde hier auch immer mal reinschaun und hoffe für alle hier, dass die Dinge entweder noch gut ausgehen oder jeder zumindest so viel Kraft hat alles gut zu überstehen..
Ich wünsche allen hier nur das beste!!

Herzliche Grüße
rocketpocket

desireh 12.11.2017 18:52

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena

Habe gerade deine Geschichte gelesen und wollte einfach liebe Grüsse dalassen. Mein Mami hatte auch Lungenkrebs und es ging alles so schnell... Ich glaube fest an ein Leben nach dem Tod. Es gibt einfach zuviel, was ich mir manchmal nicht erklären kann und bin darum fest der Überzeugung, dass wir alle wieder einmal sehen.

Liebe Grüsse aus der Schweiz
Désirée

Verena_Gr 14.11.2017 20:12

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Ihr Lieben,

mein Wochenende war nicht so toll, ich habe das Gefühl, dass nicht nur die Tage, sondern auch meine Gedanken dunkler werden.
Wenn ich an Weihnachten denke könnte ich ... naja, lassen wir das.
An Heiligabend habe ich den Abend immer mit Mama verbracht und wir haben gekocht, da meine Schwestern ja schon eine "eigene Familie" haben. Mama hat am 2. Weihnachtstag Geburtstag und dann waren alle bei uns Zuhause, also bei ihr und mir. Ich weiß nicht, wie ich diese Tage und auch die Vorweihnachtszeit überstehen soll und habe unheimlich Angst davor.

@ rocketpocket: das mit den Erinnerungen kenne ich nur zu gut, ich denke auch ich müsste mich über das ein oder andere freuen, aber ich kann nur mit Traurigkeit erinnern.

Ich bin auch wirklich froh, dass es dieses Forum gibt. Hier fühle ich mich verstanden. Auch wenn ich meine lieben Schwestern habe, ist es doch etwas anderes.

Ich wünsche Euch allen einen guten Wochenstart und alle Liebe!!

rocketpocket 22.11.2017 14:54

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

ja da sagst Du was. Die besonderen Tage werden sehr schwer, weil man dann so sehr daran erinnert wird, wie man die Zeit gemeinsam verbracht hat, als unsere Mütter noch da waren.

Vorgestern hat meine Oma ihren 93. Geburtstag gefeiert. Es war richtig schlimm für mich. Sonst war meine Mutter immer diejenige, die sich um alles gekümmert hat. Auch für meine Oma war es furchtbar und es sind viele Tränen geflossen.

An Weihnachten werden wir nun dieses Jahr einfach die "Flucht nach vorne" unternehmen. Meine Oma fährt zu ihrer Schwester und ich werde mit meinem Mann ein langes Wochenende in Amsterdam verbringen. Einfach die Umgebung wechseln und nicht genau den gleichen Ablauf wie sonst planen. Das schmerzt noch zu sehr.

Ich hoffe, dass das irgendwann besser wird und man wieder Lust auf das Feiern bekommt. Meine Mutter würde es nicht gut finden, wenn ich das Leben nicht mehr genießen würde. Aber das ist alles so leicht gesagt.

Freue mich, wenn Du wieder mal was von Dir hier hören lässt.

rocketpocket

Verena_Gr 27.11.2017 18:40

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Ihr Lieben,

gestern war eine Andacht auf dem Waldfriedhof, wo meine Mama beigesetzt worden ist. Die Pfarrerin hat einen ganz tollen Text gelesen, der mich sehr berührt hat. Habe ihn eben gefunden und möchte das gerne mit Euch teilen.
Der Text lohnt sich wirklich zu lesen, ich zumindest finde, es trifft es auf den Punkt.

@ rocketpocket: schön, dass Du über Weihnachten weg fährst. Das hatten mein Freund und ich eigentlich auch vor, aber ich kann das meinem Patenkind und meinen Neffen nicht antun und meinen Schwestern auch nicht...

Das der Geburtstag Deiner Oma schlimm war kann ich mir vorstellen. Ist das die Mutter Deiner Mama? Das muss ja schrecklich für sie sein.
Ich drücke Dich!

Ich wünsche Euch allen einen guten Wochenstart und viel Kraft in den regnerischen Tagen.


Sie ist, wie eine kleine graue Katze.
Sie kommt, wann sie will, manchmal bleibt sie tagelang weg, manchmal
ist sie anhänglich, liegt lange auf meinem Schoß, will gar nicht wieder
gehen.
Sie ist, wie eine kleine graue Katze.
Eine Katze, die ich mir nicht ausgesucht hat, die zu mir kam, ohne, dass
ich mitreden durfte, sie war einfach da und ich ahne, dass sie noch lange
bleiben wird.
Sie ist, wie eine kleine graue Katze – meine Trauer.
Sie kommt, wann sie will, manchmal bleibt sie tagelang weg, manchmal
ist sie anhänglich, liegt lange auf meinem Schoß, will gar nicht wieder
gehen.
Und manchmal, manchmal, da halte ich sie auch fest, die kleine graue
Katze, will sie nicht gehen lassen, halte sie fest und lasse den Tränen
freien Lauf, den Tränen, von denen ich gar nicht wusste, wie viele ich
davon besitze.
Ich weine, weil Du nicht mehr bist. Weil ich Dich für immer verloren
habe.
Seit Du weg bist, kommt die Katze, seit Du weg bist, kommen die
Tränen.
Ich weine, weil meine Mutter starb.
Ich weine, weil es weh tut,
obgleich ich weiß, dass meine Mutter nun dort ist, wo sie ohne Schmerz
sein darf, ohne Leid und ohne Tränen.
Das weiß ich, das glaube ich – und trotzdem tut es mir weh, trotzdem
weine ich,
obgleich ich fühle, da, wo meine Mutter ist, der Ort, den ich Gott nenne,
da wo sie ist, da werden ihr alle Tränen abgewischt. Jede Träne, die die
Krankheit brachte, jede Träne, die ihr ihre Lebensjahre brachten, jede
Träne wischt er ihr zärtlich von der Wange. Wie schön! …für sie.
Doch für mich, hier, fließen meine Tränen weiter,
denn die, die sie abwischte, die die meine Tränen Tag für Tag und Jahr
für Jahr abwischte, sie ist nicht mehr und meine Tränen fließen
hemmungslos.
Meine Tränen fließen, weil ich unendlich traurig bin und noch nicht so
recht weiß, wie es weitergeht. Nur: dass es weitergeht, das weiß ich
inzwischen, alles geht weiter, alles geht einfach so weiter, obwohl alles
anders ist, geht alles einfach so weiter.
Jeden Morgen geht die Sonne auf, jeden Abend geht sie wieder unter.
Der Sommer war wieder durchwachsen, der Herbst war wieder golden,
der November ist immer noch grau, alles wie immer.
Der Bus morgens ist voll, die Schlange an der Kasse ist lang, die
Menschen, die immer grüßten, grüßen weiterhin,
immer kommen Tage und immer wieder gehen die Tage wieder.
alles ist wie immer?
Nein!
Nichts ist wie immer.
Da ist die kleine graue Katze, die kommt, wann sie will und da fehlt die
Mutter, die anrief, wann sie wollte.
Nichts ist mehr wie immer, denn der Ehemann starb, unerwartet nach
jahrzehntelanger Ehe, er war immer da, schraubte und reparierte und
tat und machte und nun, ist alles furchtbar still.
Nichts ist mehr wie immer, denn die Tochter starb, unerwartet, viel zu
früh, noch mitten im Leben, sie lässt ihre Mutter zurück und ihre
Tochter, beide haben einander, doch sie, sie haben sie nicht mehr.
Nichts ist mehr wie immer, denn die Mutter starb, Anfang des Jahres
schon starb und dennoch hört die Tochter noch immer Geräusche im
Haus, und sie denkt: Sie ist noch da, meine alte Mutter, gepflegt zuhause
bis zum Ende.
Nichts ist mehr wie immer, egal wie lange man schon damit rechnete,
egal, wie lange der Mann, die Schwiegermutter, die Tochter, der Vater,
ganz egal wie lange sie schon nicht mehr sind.
Nichts ist mehr wie immer, denn unsere Liebe ist heimatlos geworden.
Unsere Liebe (zu ihnen) hat nun keinen Ort mehr, irrt umher und findet
nicht, was sie sucht, unsere Liebe irrt umher, sucht nach ihrer Heimat,
irrt und weint und weint und sucht…
Von Zeit zu Zeit findet sie etwas, für einen Moment nur, findet es und
hält sich daran fest:
den Pullover der Großmutter, sie schlüpft hinein und fühlt sich ihr ganz
nahe.
Von Zeit zu Zeit findet sie etwas, für einen Moment nur, findet es und
hält sich daran fest:
das Rezeptbuch der Mutter, sie weiß nun wieder wie der Hefeteig geht.
Apfelkuchen kauend ist sie wieder Kind und wieder wischt die Mutter
alle Tränen ab.
Von Zeit zu Zeit findet sie etwas, für einen Moment nur, findet es und
hält sich daran fest:
die Drechselbank des Vaters, er kennt fast jeden Handgriff, hatte ihm oft
genug zugeschaut, am Ende aber nicht alles gelernt, zu wenig
miteinander gesprochen.
Wenn meine Liebe umherirrt, bin ich froh, dass ich weiß, wo ich
hingehen kann:
Dorthin, wo sie begraben liegt, dorthin, wo er seine letzte Ruhe fand.
Und das mach ich nicht nur, mit der grauen Katze im Arm, sondern
auch ohne sie, dann wenn Mama Geburtstag hat, dann kaufe ich wie
jedes Jahr, einen großen bunten Blumenstrauß. Dann zünde ich wie
jedes Jahr eine Kerze an, dann stoße ich wie jedes Jahr mit einem Glas
Sekt auf sie an.
Mit ihr kann ich nicht mehr feiern, mit ihr kann ich nicht mehr
anstoßen, aber auf sie und auf ihr Leben.
Dann ist alles wieder ein bisschen wie immer,
obgleich doch alles ganz anders ist.
Es ist gut, die zu erinnern, die gestorben sind.
Es tut gut, ihre Namen zu hören.
Es ist gut, der heimatlos gewordenen Liebe wieder Halt zu geben.
Alles ist wie immer und zugleich ist alles anders …
Wir wissen, dass die Welt da draußen nicht untergeht, wenn ein Mensch
stirbt – aber hier drinnen (auf Herz klopfen) da ist eine Welt zu Ende.
Wir wissen, dass die Katze immer seltener kommen wird - aber hier
drinnen (auf Herz klopfen) da ist auch die Angst zu vergessen, zu
verstummen oder zu erkalten.
Wir wissen, dass jeder von uns eines Tages sterben wird - aber hier
drinnen (auf Herz klopfen) da ist auch die Freude und die Hoffnung,
wieder vereint zu sein, mit denen, die wir jetzt so sehr vermissen wieder
vereint zu sein und frei zu sein, frei von Schmerz und Leid,
denn dann ist da wieder einer, der die Tränen abwischt
Das glaube und hoffe ich
und das wünsche ich uns allen,
nicht, weil es uns hilft, leichter zu leben,
sondern weil es uns das Schwere ertragen lässt
nicht, weil es uns verführt, einfacher zu leben,
sondern weil es uns dankbar sein lässt für das, was wir hatten
miteinander
und weil es uns getröstet auf das zuleben lässt,
was wir haben werden, miteinander und mit Gott.

Clea 27.11.2017 21:19

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Danke, Verena.

Jusy 27.11.2017 22:51

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Danke für die schönen Worte ❤

rocketpocket 28.11.2017 09:29

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,

ein schöner Text. Und wieder laufen mir die Tränen übers Gesicht.

Ja, ,meine Oma ist die Mutter meiner Mutter. Sie hat ihre Tochter verloren. Das ist immer sehr schlimm, egal wie alt die Mütter sind.
Ich versuche auch für meine Oma stark zu sein. Sie braucht mich jetzt auch.

Ich wünsche Euch, auch wenn Ihr nicht wegfahren werdet, eine schöne Advents- und Weihnachtszeit. Lass zwischendurch gerne mal was hören von Dir.

Ich umarme Dich
rocketpocket

Verena_Gr 18.01.2018 21:38

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Ihr Lieben,

ich melde mich mal wieder und hoffe, dass Ihr alle gut in das neue Jahr gekommen seid. Im Moment geht es mir wieder schlechter.. und das schlimmste ist: dieses komische Bauchgefühl ist wieder da.
Ich stürze mich in die Arbeit, nur da geht es mir "gut".. Obwohl ich immer noch glaube, dass man die Trauer da nur versucht zu verdrängen. Ich habe das Gefühl, dass ich das nie verarbeiten werde und ich bin sauer, weil ich dieses Leben nicht will, ein Leben ohne sie...
Mama ist tot, dieser Satz geht immer noch nicht in meinen Kopf.
Noch vor einem Jahr war unsere Welt noch in Ordnung und keiner ahnte nur etwas von diesem scheiß Krebs.
Seit ein paar Tagen überkommt mich Abends immer wieder die Angst, Angst vor dem Tod, Angst vor der Leere, Angst davor, Mama nie wieder zu sehen.
Heute Nacht hatte ich einen schlimmen Traum und weil ich immer noch geschockt bin, musste ich heute auch schreiben. Ich war krank und bin dann gestorben, aber Mama war am Leben, oder auch nicht, irgendwas zwischen Leben und Tod und hat um mich geweint. Ich habe keine Luft mehr bekommen und mein ganzer Körper hat geschmerzt. Erst nachdem ich ein paar Minuten wach war, habe ich gemerkt, dass ich ja doch noch Lebe. Es hört sich bestimmt verrückt an, so verrückt, dass ich dem Traum auch niemanden erzählt habe...
Damals, kurz vor Mamas Tod, war ich im Krankenhaus bei einer Psychologin, was mich allerdings kein Stück weiter gebracht hat..

Liebe Grüße an alle!

Verena_Gr 19.02.2018 20:42

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo ihr Lieben,

ich melde mich mal wieder und fühle mich im Moment gar nicht gut.
Ich habe das Gefühl, nur auf den Tag zu warten, an dem Ich aufwache und das alles nur ein schlimmer Traum war.
Ich vermisse meine Mama einfach nur und begreife diese Ungerechtigkeit nicht!
Wie soll ich das nur aushalten ohne sie.. meine geliebte Mama, meine beste Freundin, der einzige Mensch der mich immer und bedingungslos geliebt hat.
Ich möchte hier niemanden entmutigen, aber auch die Zeit macht es nicht besser, zumindest nicht bei mir.
Wir haben verloren und ich glaube erst jetzt wird mir alles bewusst. Noch vor einem Jahr war mein Leben noch so schön.

Traurige Grüße
Verena

Clea 19.02.2018 21:47

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Liebe Verena,
deine Mutter hätte bestimmt gewollt, dass du weiter machst, nicht, dass du dich in der Trauer einigelst. Meine Ma fand es furchtbar, dass meine Oma so unter Opas Tod gelitten hat. Zwei Jahre trug sie schwarz. Ma sagte immer, man muss doch weitermachen, seinen Weg weitergehen, dazu hätten einen die Eltern schließlich in die Welt gesetzt. Nicht dazu, ein Leben lang zu trauern.
Auch mir fällt das heute schwer. Und ich weiß, sie würde das nicht gutheißen. Daher dachte ich mich immer wieder auf und gehe weiter. Komm mit, es wird besser irgendwann.... Hoffentlich...

Nicitzka 20.02.2018 09:57

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Hallo Verena,

es tut mir sehr leid, dass Deine Mama so früh gehen musste. Und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass die Trauer einen immer wieder umhaut, auch nach Monaten, vor allem wenn die Beziehung so gut war.

Meine Mama ist seit 5 Wochen nicht mehr da und in den letzten Tagen kommt bei mir mal wieder die Sinnfrage. Was macht Sinn? Wi ekann ich denn jetzt weiterleben und einen Sinn finden, der mein Leben zu einem schönen, sinnerfüllten Leben macht. Meine Mama hat das ja leider nicht geschafft.

Nach dem Tod ihrer Mutter (und der war auch sehr früh und sehr sehr schlimm; ich habe sie nicht kennengelernt) hat sie glaube ich einfach weiter gemacht. Das war nicht gut, aber das ist ein anderes Thema.
Und das ist auch eine komplett andere Generation.


Mir fällt vieles schwer. Zum einen wirke ich ganz normal nach Außen hin. Kommen aber kleine Herausforderungen, dann merke ich wie verwundet ich bin.

Ich hoffe, Leichtigkeit und gute Zeiten kommen wieder.
Ich will mir schon seit langem einen Sport suchen, komme aber nicht zu Potte.

Dir alles Gute! Sei milde mit Dir!!!!

Jusy 11.03.2018 22:26

AW: Meine Mama hat den kurzen Kampf verloren
 
Ich kann dich irgendwie verstehen. Sicher macht man weiter und ist nicht immer am Boden. Aber für mich gibt es so viele Momente am Tag an dem ich mir denke: das kann nicht sein, dass meine Mami nicht mehr da ist. Obwohl ich schon zweimal Geburtstag "ohne" sie hatte. Die Sehnsucht und Trauer wird nicht besser. Aber ich binde meine Mutter (meine Eltern) in meine Gedanken und Handlungen ein. So sind sie immer bei mir.
Aber die Trauer und Sehnsucht und das Unverständnis ist auch immer da!!


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 16:16 Uhr.

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