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Mistelzweig 14.10.2008 11:20

30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Lange habe ich überlegt, ob ich mich hier zu Wort melden soll.
Ich war unsicher, wie mein Beitrag verstanden werden könnte.

Im Alter von 5 Jahren änderte sich mein Leben. Und das meiner Eltern.
Ich hatte Krebs.
Und ich habe ihn überlebt.

Für die Eltern wohl die schlimmste Zeit ihres Lebens.
Eine Zeit des Umbruchs, voller Unsicherheit, Ängsten, Verzweiflung. Dabei ständig auf der Suche nach Antworten und Hilfe. Die Familie und ihre Struktur werden völlig auf den Kopf gestellt.

Das Alltägliche ändert sich. Der Blick auf die Zukunft wird erschüttert.

Und das Sichtfeld des Kindes?

Sie fordern viel von Euch in dieser Zeit.
Sie sind voller Angst.
Der große Drache aus dem Märchenbuch und das Gespenst stehen plötzlich wahrhaftig im Raum und lösen Panik aus.

Sie können nicht einschlafen?
Kommen immer wieder zu Euch in`s Bett?
Sie haben alles vergessen, was Eure gute Erziehung ihnen beigebracht hat?
Sie sind unruhig, strapazieren Euer Nervenkostüm, sind aufmüpfig und fordern sehr viel Aufmerksamkeit?
Vielleicht bringen sie Euch an Eure Grenzen...
Und trotzdem:
sie brauchen nichts mehr als Eure uneingeschränkte Liebe.

Unterschätzt niemals den Verstand und das Auffassungsvermögen Eurer Kinder! Sie verstehen viel mehr, als Ihr ahnt.

Bis heute - über 30 Jahre nach einem langen Krankenhausaufenthalt - löst der Geruch von Verbandsmaterialien in mir eine Welle der Schwermut aus.
Ich habe ein extrem gestörtes Verhältnis zu Ärzten und Untersuchungen.
Das Thema Tod beschäftigt mich, seid ich denken kann und ich habe einen Beruf gewählt, der es mir möglich macht, für Sterbende da zu sein.
Angst ist bis heute ein großes Thema.

Den Krebs habe ich besiegt.
Aber er hat ALLES verändert. Die Konfrontation mit Furcht, Krankenhaus, Tod... begleitet mich bis heute und ich werde es nie ganz abstreifen können.

Liebe Eltern,
seid da für Eure Kinder!
Gebt ihnen stets das Gefühl, sie bedingungslos zu lieben.

Sie werden es Euch danken, lange Zeit.

annika1977 14.10.2008 19:00

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Hallo Mistelzweig,

ich finde es toll von Dir, dass Du diesen Beitrag geschrieben hast.
Unser Sohn ist 2006 an Krebs erkrankt. Seine Geschichte steht in dem Beitrag "Medulloblastom Rezidiv bei 7jährigem"
Für uns ist immer die Frage, was denkt unser Junge, was geht in ihm vor wenn er all das über sich ergehen lassen muß. er spricht nicht darüber und nun mal von jemandem zu hören wie es sich "anfühlt" hilft uns vielleicht ein wenig.
Es wäre schön mehr von Deiner Geschichte zu hören.Natürlich nur wenn Du magst.

Liebe Grüße Anni

der_weg 14.10.2008 19:28

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Hallo Mistelzweig,

danke für den tollen und mutigen Beitrag !

Lieben Gruß
Sophie

manulorenzen 15.10.2008 09:48

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Danke für deinen Beitrag,
Manuela

Mistelzweig 15.10.2008 12:31

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Herzlichen Dank für Euer positives Feedback.

Annika1977,
es tut mir sehr leid, daß Ihr als Eltern und Euer Sohn diese schlimme Zeit durchmachen müßt. Es ist nicht leicht.
Aber vielleicht hilft es ein bißchen, wenn ich Dir schreibe, daß die Krankheit neben all ihrem Fluch auch den Segen mit sich bringt, das Glück der kleinen Dinge intensiver wahrzunehmen, mehr auf das Herz als den Verstand hören zu können und die Familie in ihrem Zusammenhalt zu stärken.

Zitat:

Zitat von annika1977 (Beitrag 615612)
Für uns ist immer die Frage, was denkt unser Junge, was geht in ihm vor wenn er all das über sich ergehen lassen muß. er spricht nicht darüber und nun mal von jemandem zu hören wie es sich "anfühlt" hilft uns vielleicht ein wenig.

Kinder reagieren sicher völlig individuell auf die Angst.
Eine große Rolle dabei spielt auch, wie sehr sie das Leben bis zum Zeitpunkt der Diagnose in Bezug auf Angstgefühle trainiert hat.
Aus meiner Erfahrung kann ich Dir sagen:
nur weil sie kleiner und unerfahrener scheinen, heißt das nicht, daß sie das Geschehen um sie herum auch nur kindlich wahrnehmen. Ein großer Fehler ist wohl, daß man ihre Fähigkeit zu Objektivität und dem Ernst der Lage unterschätzt.
Frage Deinen Sohn. Sachlich. Unemotional.
Sprecht über die Angst. Will er nicht, dann lass ihn. Aber hör nicht auf, es zu versuchen, mit ihm in Kontakt zu treten. Zeige Interesse. Respekt.
Erkläre ihm, wie groß Deine Angst vor einer Operation wäre.
"Ich finde es so toll, wie mutig Du bist!"
Er ist sehr belastet. Möchte vielleicht gar nicht mehr (darüber) sprechen. Auch okay. Laßt ihn. Er hat das Kommando.
Und: versucht (auch wenn es unheimlich schwer ist) den Schmerz als Eltern und die große Angst um Euer Kind nicht mit ihm zu besprechen oder auszutauschen. Denn vielleicht - so ging es mir damals - sieht er sich selbst nicht als Opfer, sondern als Verursacher für Euren Schmerz!!!
Stellt Euch mit ihm auf eine Stufe.

Ich wünsche Euch alles erdenklich Gute!

Mitfühlende Grüße
Mistelzweig

annika1977 15.10.2008 17:41

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Hallo Mistelzweig,

danke für Deine Lieben Worte.
Wir geben ihm all unsere Kraft und machen immer wieder deutlich, dass wir diese Zeit gemeinsam überstehen, gemeinsam kämpfen und immer an seiner Seite sind.
Ich hoffe wir machen es richtig und können ihm so weit uns das möglich ist helfen.
Wie sieht Dein Leben heute aus? Hast Du Kinder?

Gruß Annika

Mistelzweig 22.10.2008 21:47

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Liebe Annika,

ich war ein paar Tage unterwegs, daher erst jetzt eine Antwort!

Zitat:

Zitat von annika1977 (Beitrag 616002)
Wir geben ihm all unsere Kraft und machen immer wieder deutlich, dass wir diese Zeit gemeinsam überstehen, gemeinsam kämpfen und immer an seiner Seite sind.
Ich hoffe wir machen es richtig und können ihm so weit uns das möglich ist helfen.

Wenn Ihr ihm ein Gefühl vermittelt, daß Ihr zusammen haltet und dem Krebs die Stirn bietet, wenn er sich geborgen und verstanden fühlen kann, wenn auch in der größten Not Optimismus an oberster Stelle steht - dann macht Ihr alles richtig :)

Zitat:

Wie sieht Dein Leben heute aus? Hast Du Kinder?
Die Krankheit hat mich stark gemacht!
Ich nehme vieles gelassener hin. Die Freude hingegen als Geschenk.
Und ich bin in Rekordzeit erwachsen geworden ;).
Andererseits gab es Zeiten, in denen ich arg zu kämpfen hatte. Mein Lebenslauf ist nicht nur gespickt mit Erfolgen.
Es bleibt die Angst vor zu wenig Zeit für das Leben.

Kinder habe ich (noch) keine.

Viele Grüße vom
Mistelzweig

annika1977 08.11.2008 20:42

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Hallo,

hab mich ne Weile nicht gemeldet - Sorry.
Wie wichtig Deine Worte für uns sind haben wir am Donnerstag mal wieder gemerkt.
Die Temodal Kapseln haben leider nicht gewirkt, so dss nun eine andere Therapie versucht wird. Ich hffe das wir die Kraft haben , das alles durchzustehn und Tim eine Stütze in seinem Kampf zu sein.

Liebe Grüße
Anni

Mistelzweig 18.11.2008 10:13

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Liebe Annika,

erst gestern abend habe ich wieder mal hier in`s Forum geschaut und lese Deinen traurigen Beitrag.

Es tut mir sehr leid.
Ich wünschte, ich könnte Dir Mut machen und Dich trösten.

Eines ist sicher:
Ihr seid ihm eine Stütze! :pftroest:
Denn es wird ihm sehr helfen, daß Ihr ihn in seiner Angst begleitet, zuhört und immer die Ansprechpartner für ihn seid.
Egal, was auch kommt, Ihr bleibt an seiner Seite. Bedingungslos. Wie ein Felsen.
Darauf kann er bauen.


Ich wünsche Euch viel Kraft!

Mistelzweig

annika1977 18.11.2008 10:18

AW: 30 Jahre nach dem Aufenthalt auf der Kinderkrebsstation
 
Guten Morgen,

vielen Dank für Deine unterstützenden Worte. Ich denke das Du recht hast und wir werden alles tun was in unserer Macht steht ihm die Zeit so "angenehm" wie möglich zu machen.

Gruß Annika


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