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Alt 13.02.2011, 19:45
Matthias31 Matthias31 ist offline
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Registriert seit: 13.02.2011
Beiträge: 6
Standard AW: kann einfach nicht mehr

Hallo,

ich muss ehrlich sagen, dass mir gleich die Tränen rausgeschossen sind, als ich Eure Antworten und Eure Anteilnahme gelesen hatte. Dies zeigt mir, dass Ihr da "eigentlich" richtig liegt.

Also, ich sage mal: Ganz herzlichen Dank!
Ich fühle mich hier mal echt verstanden und komme mir vor wie ein "Jammerlappen". Manchmal wie ein Versager, der dies alles nicht mehr wirklich packt.

Ich bin studierter Theologe, zur Zeit arbeitslos, habe zehn Jahre mich um Randgruppen gekümmert (Prostituierte, Drogenabhängige usw.),hatte die letzten drei Jahre einige persönliche Schicksalschläge abbekommen und nun die Krebserkrankung meiner Mum.

Sie ist sehr schwach, schläft die meiste Zeit und nimmt kaum noch Nahrung zu sich,hat Schmerzen (wobei diese mehr psychische Verspannungen sind, statt Tumorschmerzen. Sie verkrampft oft wegen psychischer Anspannung die Schulter - und Rückenmuskulatur, ist kaum mobil und die Muskulatur bildet sich stark zurück.Sie nimmt Valeron 32mg am Tag, Tavor 3mg am Tag, Novalminsulfat 2000mg am Tag) und ist völlig durcheinander.

Alle zwei Tage bade ich Sie in einen Ölbad, da die Haut von der Chemo völlig ausgetrocknet ist und teilweise aufspringt. Die Lippen waren schon so trocken, dass diese blutig waren. Die Haut wird aber durch die Ölbäder, eincremen, viel besser. Und auch die Lippen heilen gut zu. Zumindestens brennen die Nahrungsmittel nicht mehr an den Lippen. Zur Nacht hin habe ich ihr die Arme eingecremt und dann bandagiert, dass sie diese nicht mehr blutig kratzt. Die sehen nun viel besser aus.

Zwei mal klingelte morgens dass Telefon, dass Sie einen Blutsturz hat und sofort ins Krankenhaus gefahren muss, zwecks Bluttransfusion.


Ich manage quasi alles: Medikamente, Fahrten zur Chemo, zur Blutentnahme, Haushalt usw. Wenn Sie wach ist, dann zerwühlt sie wieder den halben Haushalt und ich fange von vorne an.
Sie ist bei einem guten Onkologen (?) in ambulanter Behandlung. Der sagt mir, ich mache dies alles sehr gut. Die Ärzte im Krankenhaus, sagten mir, dass ich dies alles sehr gut mache. Vielleicht ist dies mein Problem?

Dass ich die "Dinge" gut mache? Oder mir zuviel Verantwortung auf die Schultern gelegt habe? Und ich keinen "Rückwärtsgang" finde?

Dabei funktioniere ich eigentlich nur noch äußerlich.

Gestern Nacht bin ich erst um ca. 3:30 Uhr eingeschlafen. Um 5 Uhr wieder aufgewacht. Knappe 1,5 Stunden Schlaf - toll ist dass nicht. Komme mir da manchmal vor wie ein "Zombie" der funktioniert. Zumindestens äußerlich - noch.

Heute geht der gleiche Turn bis um 22 Uhr (Nachtmedikation) und morgen um 7:30 Uhr los zur Blutentnahme, dann Arztgespräch, Medikamente besorgen, Essen kochen, Haushalt, Wäsche machen, der Krankenkasse in den Arsch treten, dass die mal aus dem Knick kommen, meine Angelegenheiten regele ich mehr oder weniger Nachts.

Dass Problem ist, dass ihr noch niemand gesagt hat, wie es wirklich um sie steht. Dass sie in wenigen Monaten sterben wird. Vielleicht auch Wochen.
Und dass sie im Grunde genommen moralischen Druck ausübt, dass sie zu Hause bleiben will, nicht in ein "Pflegeheim".

Ich müsste ihr sagen:
"Weißt Du, ich kann nicht mehr Mum."
Wer erklärt einem Krebspatienten die Lebenserwartung eigentlich?
Bis jetzt hat man mir dies nur erklärt, aber kein Arzt ihr.
"Wir können nichts mehr für sie tun, außer ihnen eine Chemo anbieten", war dass direkteste was ihr ein Arzt gesagt hat.

Sie setzt da viel Hoffnung in die Chemo, wobei ich persönlich in dem Stadium nichts davon halte. Dass Ganze gleicht mehr einer lebensverlängerndern - oder quälender Maßnahme.
Sie bekommt Cisplatin mit Gemzar. Sie klagt über Nierenschmerzen, erbricht fast alles wieder und ich habe den Verdacht, dass die "Nebenwirkungen" vom Cisplatin mir verschwiegen werden. Dies würde die "diffusen" Schmerzen in der Nierengegend erklären und auch ihren rapiden Gewichtsverlust, wobei ich versuche soviel Calcium, Magnesium, Vitamine, Kohlenhydrate und Kalorien wie irgendwie möglich in sie reinzubekommen. Ebenso 2,5 l Wasser, wobei dann wieder die Nahrungsaufnahme darunter leidet.

Entschuldigt, wenn ich soviel schreibe.
Ich kann einfach nicht mehr.

Matthias
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