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Alt 27.05.2011, 23:08
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Standard Ich fresse alles in mich hinein

...hallo, ich bin 15 Jahre alt und habe meinen Vater heute vor genau 2 Jahren an Darmkrebs verloren. Ich weiß echt nicht wie ich damit umgehen soll. Meine ganze Familie redet immer offen über ihn und mir kommen schon Tränen in die Augen wenn ich nur einmal das Wort Papa höre. Ich kann einfach nicht offen über diese Sache reden, ich fresse alles in mich hinein. Jeder sagt mir, dass das nicht gut ist, aber ich kann nicht anders?!
Mein Papa war alles für mich. Meine Eltern haben sich getrennt als ich 3 Jahre alt war, und immer wenn ich Streit mit meiner Mutter hatte konnte ich zu ihm gehen. und jetzt nicht mehr... Mit 6 hat mein Vater eine neue Frau geheiratet, die ich nicht mochte. Wir haben uns nie verstanden und verstehen uns jetzt immer noch nicht. Ok, ich habe größten Respekt vor ihr, weil sie in der Zeit als Papa im Krankenhaus lag, jeden Tag und jede Nacht bei ihm war. Das konnte ich nicht. Ich hasse mich dafür, ich hasse mich so sehr dafür, dass ich ihn nicht öfters im Krankenhaus besucht habe. Warum habe ich es nicht gemacht?! Es gab z.b. einen Tag, da hat meine Freundin mich gefragt ob wir ins Kino wollen, und dann musste ich absagen weil ich meinen Papa im Krankenhaus besucht habe. An dem Tag war ich so sauer, weil ich lieber mit meiner Freundin weggegangen wäre. Und wenn ich jetzt daran zurückdenke schäme ich mich dafür. Aber ich wusste doch nicht, dass es so schlimm um ihn steht?! Ich konnte mir das Ausmaß nicht vorstellen. Ich war also nur selten da, vielleicht jedes 2. Wochenende, für 1 oder 2 Stunden. Als meine Mama mir dann erzählte, dass er sterben würde habe ich es überhaupt nicht begriffen. Warum hat es in meinem Kopf nicht klick gemacht, dass ich daran gedacht hätte ihn jetzt natürlich jeden Tag zu besuchen? Aber nein, ich habe es nicht eingesehen. Eines Tages kam meine Mutter von einem Krankenhausbesuch zurück und meinte er sieht wirklich sehr schlimm aus und das ich mir das lieber nicht angucken sollte, damit ich ein gutes Bild von ihm im Kopf behalte. Nach 2 Wochen fühlte ich mich jedoch schuldig, und besuchte ihn doch.
Ich weiß nicht ob ich jetzt für einen Fehler halte oder nicht. Denn dieses Bild, wie er dort blass und abgemagert in diesem Bett lag, kein Wort sprechen konnte, nur keuchte und ich meinen eigenen Vater nicht wiedererkannte, werde ich nie vergessen. Außerdem gebe ich mir jetzt auch die Schuld an seinem Tod, denn noch in der Nacht in der ich ihn besuchte starb er. Alle meinten, dass das normal ist, dass er noch so lange durchgehalten hatte um mich zu sehen. Aber warum sagen sie so etwas? War es also meine Schuld, oder wie?
Und jetzt sitze ich hier, heute ist sein Sterbetag, es ist 2 Jahre her. Ich konnte mich heute zusammenreißen und bin zu seinem Grab gegangen, nach 6 Monaten wieder. Ich bin der Meinung es bringt nichts an diesem Boden zu stehen, er ist doch im Himmel, man muss in den Himmel gucken?!
Aber jeder geht zu seinem Grab und meine Mutter meint es ist eine Ehre die man ihm gegenüber damit erweist. Bin ich eine schlechte Tochter weil ich das nicht möchte? Oder nimmt er es mir übel?
Oft denke ich auch, ob ich auch Krebs bekommen werde. Wenn ich dann daran sterben würde, würde ich wenigstens bei ihm sein.
Aber es macht mich innerlich wirklich total fertig, dass er nicht sehen wird wie ich aufwachse. Ich bin doch erst 15. Er wird nicht sehen wie ich mein Abi bestehe, er wird nicht sehen wie/was ich studieren werde, er wird meinen Ehemann nicht kennenlernen, und meine Kinder werden keinen Opa haben, der ihm alte Geschichten darüber erzählt, was ich für Dummheiten als kleines Kind gemacht habe. Das ist das was mich am meisten bedrückt. Wird dieses Gefühl je weg gehen? Würde es wirklich etwas ändern, wenn ich meiner mutter meine ganzen Gefühle erzähle? Sie sitzt gerade im Zimmer nebenan, ich könnte rübergehen und ihr alles erzählen, aber ich kann nicht. Und ich werde wahrscheinlich auch nie.
Ich vermisse ihn so sehr.

Liebe Grüße, Chanez.