Antwort an den Lebenspartner
Ich kann nur aufstöhnen darüber, was alles an Sorgen im Zusammenhang mit Krebs und Sex entsteht. Quälend zu lesen, daß Frauen immer die Rolle zufällt / in diesem Fall: auferlegt ist, diejenige zu sein, die den Wunsch nach Sex des Partners abwehrt oder unangenehm empfindet.
Das alles sind Beobachtungen aus Beziehungen, die den Krebs bisher tapfer überstanden haben. Zumeist, sofern es Brustkrebs betrifft, sicherlich bei Einnahme hormonunterdrückender Medikamente.
Wer hier nicht schreibt, sind die Frauen, die Lust auf Sex haben, die der Partner aber wegen der Brustkrebsdiagnose verließ.
Ein letztes Zusammensein im Dezember mit Bluterguß auf der Brust von der Stanzbiopsie. "Was ist das denn da?" Dann Stille.
Klar, soviel kann die Beziehung nicht wert gewesen sein, wird hier manche zutreffend sagen. Aber was gibt es nicht alles für verschiedene Formen des Zusammenseins? Jedenfalls war der Sex wunderschön, stets mit viel Zeit, ausufernd und teils rauschhaft durchlebt. Ja, Liebe war auch im Spiel, wenn vielleicht auch ungleich verteilt. Gemeinsame Interessen waren zahlreich.
Der Rückzug des Kandidaten, anfänglich unter Notlügen, dann Schweigen, dann Rückmeldung ohne Bereitschaft zum persönlichen Treffen, läßt eine Frau Mitte 50 nach Durchlauf aller üblichen Brustkrebsbehandlungen in einem schwer erträglichen Zustand zurück:
Perücke, Augenbrauen halbiert, Wimpern ausgedünnt, Gesicht daher weniger ausdrucksvoll, von der Chemo, leicht zugenommen, abends geschwollene Füße... eine jetzt noch ganz ansehnliche Brust war nicht nur verkleinert, sondern inzwischen durch Bestrahlung unnatürlich rotbraun verfärbt worden.
Das Sehnen jedoch bleibt. Seit 7 Monaten keine Berühung, kein in-den-Arm-Nehmen, kein Steichen über den nun nicht mehr ganz kahlen Kopf, noch nicht einmal Händchenhalten. Kein einziger Kuß seit Dezember.
Die Brustkrebsdiagnose hat den Schalter umgelegt, der mir die Sexualität wegnahm. Und wie ich mich gedanklich auch wundreibe: Einen Ausweg gibt es derzeit nicht.
In meiner derzeitigen Verfassung ist es aussichtslos, jemanden zu finden, der Verständnis hätte. Hab's sogar per Annonce versucht. Ohne Erfolg.
Meine Schwester rät: "Hak das ganze Jahr 2011 doch einfach ab. Einfach streichen." Wie könnte mir das gelingen? 2% meines Lebens, ein ganzes Jahr und bei triple negative womöglich mein vorletztes?? Sinnlos ohne Zärtlichkeit vergeudet? Das ist mir schwer.
Vielleicht hilft dieser eingestreute Perspektivwechsel irgendjemandem, seine Situation, wo in-den-Arm-Nehmen immerhin noch möglich ist ist, anders zu bewerten. Aber klar, die Notlage sehe ich ganz klar und ernstzunehmen auch bei Euch.
Ganz herzliche Grüße Euch allen
Die Radfahrerin
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