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Alt 22.05.2004, 15:48
Gast
 
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Standard Sterben , jeden Tag ein bißchen mehr

Liebe Verträumte,

das klingt nach einem harten Stück Brot, das du da in den letzten Monaten kauen musstest. Ich hatte übrigens nicht das Gefühl, dass du deine Krankheit nicht ernst genug nimmst. Ich glaube, diese Menschen würden hier nicht schreiben. Hier zu schreiben, setzt eine gewisse Bereitschaft voraus, die Krankheit anzunehmen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum mein Mann hier nicht persönlich schreibt. Er setzt sich mit der Krankheit ganz bestimmt auseinander, aber wird mit den negativen Nachrichten - und die gibt es hier leider auch - nicht wirklich gut fertig. Ihm tut es gut, wenn ich ihm die positiven Dinge erzähle und die traurigen Nachrichten verschweige. Das haben wir so abgemacht.

Auch wenn mir "verdrängen" überhaupt nicht liegt, so bin ich inzwischen überzeugt davon, dass es eine lebensnotwendige Eigenschaft ist, mit einer nicht so guten Prognose klarzukommen.
Wenn dir die Arbeit dabei hilft, kann es nicht schaden. Und wenn es dir zu viel werden würde, hoffe ich, dass du weißt, wo die Notbremse ist. Dadurch dass bei meinem Mann der Gedanke wieder zu arbeiten im Moment den puren Horror auslöst bin ich vorsorglich im Januar wieder auf 25 Stunden gegangen. Habe ein gutes Angebot bekommen. Die Zeit fehlt mir zwar an allen Ecken und Kanten (2 Kinder, großes Haus, großer Garten) aber es sind die einzigen Stunden, wo ich den Kopf wirklich frei habe. Und das gibt Kraft. Abstand, den ich brauche, um helfen zu können. Auch mir selbst. Du bist im übrigen die erste Betroffene, mit der ich so offen rede. Schreibe sonst überwiegend "nur" Angehörigen. Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Offenheit nicht zu nahe trete. Aber wir Angehörigen haben dabei unser eigenes "Päckchen" zu tragen. Das wird deinem Mann auch so gehen. Die Angst hat die Regie übernommen, da kann man sich noch so gut im Griff haben. Wie offen redest du mit deinem Mann?
Kennt er die ganze Geschichte? Wie gehen eure Freunde damit um?

Kannst du mir sagen, wie der Stand der Krankheit bei dir nach abeschlossener Bestrahlung war? Auch hinsichtlich der Lymphome? Das ist ja nun bei uns der nächste Schritt. Ich will nicht in Euphorie verfallen hoffe aber natürlich trotzdem, dass es was gebracht habe. Genauso hoffe ich, dass jüngere Menschen aus der Statistik fallen. Jeder auf seine Art und Weise. Das gilt ganz bestimmt auch für dich.

Auch wenn du typmäßig vielleicht eher dazu neigst, deinen Problemen aus dem Weg zu gehen, nutze die Gelegenheit, hier ganz offen zu sein. Ich glaube, das kann nur hilfreich sein, weil auch der innere, weiche Kern, gepflegt werden muss.

Macht euch ein schönes Wochenende und ich freue mich, wieder von dir zu hören, liebe Grüße von Monika
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