Didla, du triffst es genau mit diesem Satz...
Zitat:
Ich habe am meistens Angst vor den Metas die ich noch nicht habe.
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....der gleichzeitig zeigt, wie doof es doch ist, sich mit dieser Angst herumzuschlagen! Aber mir geht es ganz genauso!
Zu dir, Kirsten wollte ich noch sagen,
du bist ja noch nicht so lang dabei, erst seit ein paar Monaten, nicht? Ich muss sagen, die - ja, eigentlich 10 oder 11 - Monate nach der Meta-Diagnose, die waren psychisch gesehen die schlimmsten meines Lebens! Erstmal hatte ich das Gefühl, dass meine Zukunft, zack, mir einfach weggenommen wurde. Es fühlte sich an wie ein Luftballon, den man anpiekst und der dann mit diesem lauten, prustenden Geräusch loszischt und binnen Sekunden einfach auf Null schrumpft. Jedesmal, wenn ich wieder daran dachte, z.B. morgens beim Aufwachen, wurde der Luftballon erneut angestochen und ich kriegte jedesmal einen solchen Schock, dass ich mich intuitiv bald gezwungen habe, pausenlos daran zu denken, Du hast Metastasen, du wirst nicht alt, so ist es nun, so ist es nun, so ist es nun, nur um nicht jedesmal diesen furchtbaren Schreck zu bekommen.
Ja, so ging das monatelang. Bei der Arbeit, wo es nur wenige Leute wussten, fühlte ich mich die halbe Zeit wie ein Alien, war mir ständig bewusst, die haben alle ihr Leben vor sich, aber du nicht, du nicht, du nicht. Am schlimmsten war es, wenn geplant wurde, wenn von der Zukunft geredet wurde, wer macht dann was.... Mein Magen die halbe Zeit ein einziger Knoten. Die Klinik-Psychologin, die ich ein paarmal gesehen habe in der Zeit, meinte, das sei ein Anpassungsprozess, ich wäre dabei, meine Perspektive anzupassen. So wie man beim Fotografieren neu focussiert. Woanders habe ich gelesen, diese Phase sei ein Trauerprozess, man trauert um sich selbst, wie wenn man z.B. seinen Mann oder sein Kind verloren hätte. Zu dem Perspektivwechsel gehört auch, zu verarbeiten, was man meint, was das eigene Sterben für die anderen bedeutet, der Mann, der ganz alleine zurecht kommen wird, die Kinder, die so relativ früh ihre Mutter verlieren, die Enkelkinder, die sie nicht zur Großmutter schicken können werden, die eigenen Eltern, die in hohem Alter ihr Kind verlieren... soviel Kummer, soviel Trauer, und alles wegen mir?!?!?.
Schließlich aber passierte das, worunter ich mir immer so gar nichts vorstellen konnte, vorstellen wollte, das "Akzeptieren" oder "Annehmen" der Tatsachen, das ist tatsächlich, wohl als Resultat dieses Prozesses, irgendwann - unmerklich - geschehen. Irgendwann konnte ich aufhören, pausenlos daran zu denken, weil ich keinen Schreck mehr bekam, wenn es mir wieder einfiel. Die Person, die vermutlich leider mit spätestens Mitte 50 schon gehen muss, das ist mein neues Ich. Die Person, die in meiner Familie die tragische Rolle übernehmen muss, das bin ich. Etc. etc. Ich hatte auch ein paar Momente, wo ich irgendwie was kapiert habe, vielleicht weil ich reif dafür war. Z.B. das Bild, ich bin halt diejenige auf der Party, die früher gehen muss, das hat mir komischerweise geholfen. Ich bin schon oft früher gegangen bei Feiern, und es war doch eigentlich gar nicht so wirklich schlimm, dabei hatte ich doch auch nicht das Gefühl, ich verpasse ganz viel. Oder auch mein krankes Huhn vom letzten Winter, das bis zum Schluss ganz normal dazugehörte und mitgemischt hat, das hat mir auch irgendwie geholfen. Ich sehe mein Schicksal jetzt nicht mehr als solche unfassbare Riesenkatastrophe, sondern schaffe es jetzt eher, mir zu sagen, durch meinen Abgang geht die Welt nicht unter, zum Glück nicht, die werden weiterleben, und für sie wird es letztlich normal sein, wie es ist, und sie werden so glücklich oder unglücklich sein, wie es das Leben für sie vorsieht, aber nicht nur deswegen, weil ich weg bin....
Natürlich habe ich weiterhin manchmal düstere, auch sehr düstere Momente. Aber wenigstens keinen permanent verknoteten Magen mehr.....ich empfand den gelungenen Perspektivwechsel schließlich als große Erleichterung....
Langer Rede kurzer Sinn: die Tatsachen bleiben bestehen, aber das Gefühl wird besser, normaler, liebe Kirsten...., wenn dich das irgendwie tröstet....
LG sus