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Alt 11.06.2012, 22:56
undine undine ist offline
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Standard AW: Ich habe solche Angst

Liebe Jäcky,

alles, alles Liebe für dich! Ich lese doch einige Parallelen zu meinem Weg mit meiner Ma und ich möchte mich meinen Vorschreiberinnen anschließen: habe bitte den Blick auf dich und dein Abschied nehmen.

Verschwende bitte keine Energie in Wut auf deinen Bruder. Ich habe bei meinem ja auch erfahren, dass ihn die Angst und Unfähigkeit, mit der Krankheit umzugehen, fern gehalten hat. Ich kann und konnte ihn nicht ändern. Er litt auf seine Weise.
Auch wenn die Zeit des Abschiednehmens herzzereißend war, war sie auch so wertvoll für mich, mit meiner Ma zusammen zu sein.

Auch wir sind selbstständig und mein Mann hat wie deiner mir den Rücken freigehalten. Nur habe ich keine Zwerge . Ich finde die Idee, in der Kita nachzufragen sehr gut. Oder vielleicht kannst du dort bei den Erzieherinnen nachfragen, ob sie eine Lösung vielleicht wüssten. Vielleicht würden ja andere Mütter - Mütter von Freunden deiner Kinder, die nicht berufstätig sind - in dieser schweren Zeit einspringen und dir etwas Freiraum verschaffen. Viele Menschen sind ja froh, wenn sie helfen können, wissen aber nicht wie oder trauen sich nicht, zu fragen.
Ich finde es schön, wenn du deine Kinder auch mitnimmst, denke aber, du brauchst auch die Zeit und Kraft für dich, weil du auch Kind bist und dich fallen lassen können musst.

Liebe Jäcky, die Angst, es könnte plötzlich vorbei sein und man ist nicht da, die habe ich auch durchlebt. Es war sehr, sehr schwer. Aber ich habe so viel gelesen und von anderen gehört, dass sich Menschen es irgendwie aussuchen, wie sie sterben. Man kann 24h da sein und geht eben aufs WC und in dem Moment stirbt ein geliebter Mensch.... Ich glaube, dass sich unsere Eltern es aussuchen, ob ein Mensch bei ihnen ist oder nicht. Es kann auch für einen Sterbenen leichter sein, alleine zu sein, weil die Gegenwart von uns es ihnen schwieriger macht, zu gehen. Ich finde das einen tröstlichen Gedanken und mir hat es geholfen, nicht in Panik zu verfallen.
Meine Ma hat immer gesagt, dass sie froh war, beim Tod ihrer Mutter bei ihr gewesen zu sein. Und ich dachte, ich müsste das auch erfüllen.
Als ich mir dann wegen der oben genannten Gedanken den Druck nahm, hat es sich so ergeben: mein Vater war zuvor die ganze Nacht bei ihr. Als er gerade 5 Minuten weg war zum Duschen und ich gerade 10 Minuten bei ihr war, wechselte sie die Dimension. Ich denke, das war für uns beide gut: für meinen Vater und für mich. Und das wird meine Ma gespürt haben, auch ohne Bewusstsein.

Liebe Jäcky, und nun etwas ganz, ganz Wichtiges: du bist nicht alleine!!! Ich bin ja nicht mehr so oft im KK, aber ich sehe ja, dass viele da sind und bei dir sind und dich begleiten! Und wenn ich das kann, will ich das auch gerne tun.

Ohne die Menschen hier, hätte ich das letzte Lebensjahr meiner Ma ohne Verzweiflung nicht überstanden.

Alles Liebe von ganzen Herzen!!
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Ich habe mit Hilfe der Menschen im Krebsforum meine Mutter 2010-2011 bei ihrer Lungenkrebserkrankung (Adenokarzinom) begleitet.
Sie starb Weihnachten 2011.
Danke an alle, die mir geholfen haben. Und alles Liebe für alle, die den Kampf gegen Krebs bestreiten.
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