Guten Abend (oder besser guten Morgen),
vielen Dank für die guten Gedanken und Wünsche. Über einen musste ich herzhaft lachen .... den "Umzug"

Ich denke, das wird ihr auch noch ganz gut gelingen.
Ich lese sehr viel kreuz und quer in diesem Forum und immer wieder werden Ärzte angezweifelt und angefeindet. Sicherlich auch manchmal mit Recht. Doch Ärzte sind auch nur Menschen und so, wie es gute und weniger gute Automechaniker gibt, ist es auch bei Ärzten. Das ist keine Frage. Was auch oft bemängelt wird, ist die Menschlichkeit.
Über die Menschlichkeit von Ärzten.
Termin zur Nachuntersuchung nach der Ablatio (auch) der linken Brust. Wir sind früh dran und müssen noch warten. Außerdem scheint mal wieder alles nur Hektik zu sein. Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sind nur in Eile. Unsere Onkolgin rennt vorbei: "Guten Morgen. Ich bin gleich bei ihnen ..." und ist wieder weg. OK, es dauert dann doch ein wenig länger. Egal, wir haben Zeit.
Schließlich kommt sie mit fliegendem Kittel auf uns zu: "OK, immer rein in die gute Stube." lächelt sie uns an. Drinnen geht sie zuerst ans Fenster, schaut einen Moment nach draußen. Dann atmet sie tief ein, bläst hörbar die Luft wieder raus und dreht sich zu uns um. "So, das musste mal sein." Wir begrüßen uns jetzt in Ruhe und sie entschuldigt sich für die Wartezeit. Dann stellt sie ihre Fragen an meine Frau. Wie sie sich fühle, nach Schmerzen, nach den Medikamenten und Verträglichkeit, ob sie irgendwas brauche und, und, und. Dabei schaut sie meiner Frau konzentriert an, ist ganz bei ihr. Auch für ein paar Scherze ist Zeit. Ein kurzer Blick noch in die Akte und: "Machen sie bitte schon mal den Oberkörper frei. Ich möchte sie mir genau ansehen."
Konzentriert tastet sie die Brust ab (bzw. wo diese mal war). Fragen, Antworten. "Wow, das sieht ja gut aus!" und wir alle strahlen übers ganze Gesicht. Dann setzt sie sich hinter meine Frau, um auch den Rücken zu begutachten. Kaum sitzt sie, sehe ich, wie ihr Gesicht immer länger wird und die Farbe wechselt, schaut nochmal unter die Achselhöhle, tastet, hebt den Kopf und schaut mich an.
In ihrem Gesicht spiegelt sich Entsetzen, in ihren Augen Enttäuschung, tiefe Traurigkeit und ... Tränen. Langsam schüttelt sie den Kopf, legt den Zeigefinger an die Lippen. Ihr Gesicht versteinert, zusammengesunken auf dem Hocker. Ein Räuspern. "So, Fr. L., sie können sich wieder anziehen. Es ist nicht sonderlich warm hier." Sie dreht sich zum Schreibtisch und macht sich ihre Notizen. 5 Minuten Schweigen. Dann erklärt sie ruhig und sachlich, was sie gesehen hat und welche Möglichkeiten es ihrer Meinung nach gibt. Vorbehaltlich dem, was der Professor noch zu sagen hat. Zum Abschied hält sie die Hand meiner Frau einen Tick länger als gewöhnlich.
Es war von Anfang an selbstverständlich, dass ich bei allen Terminen (wo möglich) dabei war. Nicht nur bei Arztgesprächen. Untersuchungen, 2 x Stanzbiopsie, Sonografie, egal. Niemand störte sich daran. Nicht nur akzeptiert. Ich habe den Ärzten bei ihrer Arbeit zugeschaut und zugehört, habe die Gesichter gesehen, ihren Umgang mit uns erlebt. Doch nie zuvor so, wie oben beschrieben. Ich habe den Menschen gesehen. Im Herbst 2007. Den Mensch "Arzt", mit Tränen in den Augen.
Eine gute Nacht,
Helmut