Einzelnen Beitrag anzeigen
  #58  
Alt 21.12.2012, 16:56
schleiereule7 schleiereule7 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 30.10.2011
Beiträge: 38
Standard AW: Sie wird immer dünner!

Hallo Jazz,
ja 6 Monate schon. Ich fasse es immer noch nicht. Ich träume sehr oft von den Beiden. Nicht von früher, sondern eher, als ob ich irgendwie jetzt zu ihnen gehen könnte. Wo immer sie auch sein mögen. Sie sind dann immer sichtlich genervt. Vielleicht sind sie irgendwo und ich kann sie in den Träumen besuchen, vielleicht will mir mein Traum auch nur zeigen, dass ich los lassen muss.

Deine Trauer, Wut und das glücklich sein, kann ich nur zu gut verstehen. Auf der Beerdigung meiner Mutter hat ich Wut, weil ihre Schulkameradinnen noch lebten. Trauer empfinde ich täglich, wie wir wohl alle.

Nach dem Tod meiner Mutter waren meine Schwester und ich täglich im Heim bei ihm. Sie morgens ich mittags. Am 25.07. rief er mir nachts um 00.30 Uhr an. Sein Handy war das Einzige, was er noch bedienen konnte. Er wäre überfallen worden, ich solle kommen und ihm helfen. Ich bin aus dem Bett und hin zu ihm, was will man auch machen, wenn jemand dement ist? Ihm erklären, dass es die Pfleger aus dem Heim sind? Als ich kam saß er im Rollstuhl, mit Füssen auf dem Bett und hatte sich den Katheter herausgerissen. Der Pfleger schob ihn wieder rein. Ein Fehler, wie ich heute weiß. Ich brauchte über 1 Stunde um ihn zu beruhigen. Am nächsten Morgen hatte er Schüttelfrost und Fieber. Also riefen sie den Krankenwagen und er kam ins Krankenhaus. Leider war unser Hausarzt, ein super toller Mann, an diesem Tag in den Urlaub. Im Krankenhaus fragten sie mich zuerst nach lebenserhaltenden Maßnahmen. So ein Quatsch, bei einem fast 83 jährigen Mann mit so einem Krankheitsbild. Ich lehnte ab und sein Blutdruck brach zusammen. Wir dachten er stirbt. Aber sie haben alles getan und ihn gehalten. Danach war er 2 Tage auf der Intensiv, 4 Tage auf der Stroke Unit und dann noch 2 Wochen im Einzelzimmer, da er MRSA hatte. Ich durfte ihn nicht mehr anfassen, weil ich sein Leben verlängerte, wie er sagte. Er sah Dinge, die wir nicht sahen. Eine Anzeige, seine Lebensanzeige, die am Ende ist. Er wollte, dass wir den Knopf drücken und "es" ausschalten. Er unterhielt sich oft mit seinen Eltern, die natürlich längst tot sind usw. Kurz vor seinem 83 Geburtstag kam er zurück ins Heim. Wir feierten noch Geburtstag mit ihm. Ich ging oft mit ihm im Rollstuhl spazieren. Wir haben nach dem Tod meiner Mutter viel gelacht, weil er immer Angst hatte, ich werfe ihn mit Rollstuhl um. Einmal sind wir einen Berg rauf gefahren, echt lang und steil, da mussten wir alle 3 Meter stoppen, weil ich keine Luft mehr bekam. Und immer mussten wir lachen, weil es irgendwie lustig war. Wie gesagt, in der Zeit haben wir überhaupt viel gelacht.

Am 02.09. wollten wir noch zum Fest im Heim, ich war früh bei ihm, hab ihn angezogen und bin noch ums Haus mit ihm spaziert. Auf halbem weg ist er mir eingeschlafen. Das fand ich seltsam. Wir wollten noch einen Wein trinken, dazu kamen wir nicht mehr, er hat sich vorm Heim, im Schlaf übergeben. Er hat es nicht mal gemerkt. Seit dem Tag war es vorbei. Wir legten ihn ins Bett und er stand nie mehr auf. Ab dem Tag hat er fast nichts mehr gegessen, dann angefangen uns kaum noch zu erkennen, nicht mehr an Gesprächen teilzunehmen, selbst gedichtete Lieder zu singen. Er hatte Schmerzen. Ich redet mit dem Arzt, der ihm Morphium gab. Die Schwestern und Pfleger machten mir Vorwürfe, ich wolle ihn wohl los werden. Mein Schwester fiel mir dann auch noch mehr oder weniger in den Rücken. Auf der einen Seite sah sie die Schmerzen, auf der anderen stritt sie ab, dass sie das auch so sehen würde. Ich redete mit dem Arzt und er stimmte mir zu, nahm mich in Schutz. Ein fabelhafter Mann. Am 22.09. ging es meinem Vater sehr schlecht, er konnte schon seit Tagen nicht mehr reden. Versuchte uns aber etwas mitzuteilen. Dann kam der Arzt und gab ihm eine Morphiumspritze und mein Vater machte uns mit Gesten klar, dass er Schmerzen hatte und genau das wollte. Danach schlief er ein, zum letzten mal. Vom 22.09. bis 24.09. war er nicht mehr bei Bewusstsein. Ich war viel dort, meine Schwester auch. Wir machten ihm Entspannungs CDs an, wenn wir nicht da waren. Am 24.09. ging ich gegen 17.00 Uhr zu ihm und las ihm aus einem Buch vor. Als ich gegen 20.00 Uhr ging sagt ich ihm, dass es Zeit für ihn wäre. Dass er Oma und Opa grüßen solle und unsere Mutter und ihnen allen sagen solle, dass ich sie lieb habe und dass ich ihn auch lieb hätte. Ich bin so froh, dass ich das noch getan habe.

Um 23.00 Uhr rief meine Schwester an und sagte, dass er um 22.45 Uhr gestorben sei. Wir sassen dann noch lange bei ihm. Streichelten seine Hände und Wangen und redeten mit ihm.

Die letzten Tage mit ihm haben mich glücklich gemacht. Es gab so viel schreckliches zwischen uns, aber diese letzten Tage haben alles gut gemacht und ich bin dankbar dafür, dass ich sie hatte und die Gelegenheit genutzt habe.

Leider hatte ich diese Gelegenheit mit meiner Mutter nicht. Sie war so verbittert. Vielleicht war das der Krebs. Ich weiß es nicht.

Liebe Jazz ich wünsche dir weiterhin viel Kraft, Mut, Zuversicht und Glück auch von mir an dich eine Umarmung, auch wenn ich den Smiley gerade nicht finde Frohe Weihnachten und schöne Feiertage dir, deiner Familie und allen hier.
Mit Zitat antworten