AW: Selbsthilfegruppe Zungenkarzinom
Hallo alle zusammen
Ich melde mich hier das erste Mal.
Ich bin männlich, 1949 geboren und jetzt 63 Jahre alt und hoffe ich kann hier einigen wieder Mut machen.
Bei mir ging alles im Februar 2012 an. Ich merkte nur eine kleine Beule auf der linken Halsseite und ging zum HNO-Arzt. Er schaute in meinen Hals und wurde ganz blass. Er eröffnete mir dass es sich vermutlich um ein Karzinom am Zungengrund handelt und überwies mich sofort ins Klinikum r.d. Isar. Bei der Besprechung im Krankenhaus hatte ich ein sehr direktes Gespräch mit einer Ärztin.
Ich muss dazu sagen, ich habe 2004 meine Ehefrau verloren, sie starb an Lungenkrebs. Bei ihr war der ganze Körper verkrebst, sie hatte noch 4 Wochen eine „Brutalchemo“ , war in der Zeit eigentlich mehr tot als lebendig, hatte irre Schmerzen, Morphin 100 reichten nicht mehr und verstarb zum Glück nach einem Monat. Der behandelnde Arzt erklärte mir später mit dieser Chemo „lebt“ man normalerweise noch ca. 8 Monate und ohne Chemo nur ca. 3 Monate, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das noch als „Leben“ bezeichnen würde.
Ich erklärte der Ärztin gleich, dass ich, je nachdem wie meine Chancen stehen, so eine Chemo auf keinen Fall machen würde, sondern leben, solange es geht, und wenn es unerträglich werden sollte, ich mir eine Pistole besorgen und in den Wald hinaus fahren werde…. Sie meinte daraufhin, wenn ich so mit ihr rede, darf sie mit mir auch so reden. Ihr Kommentar nahezu wörtlich: „Wenn wir hier mit ihnen fertig sind, haben wir den Krebs besiegt, ihre 5-jahres Überlebenschance ist dann bei ca. 70 bis 80%! Aber ich kann ihnen gleich sagen, es werden einige Tage dabei sein, da wünschten sie sich, sie wären tot!“
Wie recht sie doch hatte!
Nach einer weiteren Untersuchung unter Vollnarkose und dem CT wurde mir mitgeteilt, der Tumor ist gerade noch operabel. Im März wurde mir dann in einer achteinhalb stündigen Operation ein Tumor der Größe T3 (6,5cm) entfernt, dazu die halbe Zunge und einige Lymphknoten. Aus meinem Oberschenkel wurde ein Lappen „10,5cm x 6,5 cm mit einem 10cm langem Stiel“ entnommen und als Zungenersatz eingesetzt. Ich hatte natürlich eine Magensonde und atmete über die Trachea. Nach drei Wochen ging ich nach Hause, ohne Magensonde und ohne Trachea. … Wie recht die Ärztin in diesen 3 Wochen schon manchmal hatte!
Anschließend kam, was kommen musste, über 6 Wochen Bestrahlung und 2 mal 1 Woche Radiochemo. Ich blieb nur zur Chemo in der Klinik, weil ich musste, zur Bestrahlung kam ich extra in die Klinik. Ich habe mich in der ganzen Zeit mit Astronautennahrung und Brei selbst ernährt. Die Schmerzen bei der Bestrahlung waren manchmal mörderisch, das Essen durfte nicht zu kalt und auch nicht zu warm sein. Den Teller ganz nahe an den Mund bringen und dann ganz schnell hinein schaufeln und dann ganz schnell den Mund ausspülen, nur dass man die Schmerzen nur so kurz wie möglich hat…. Wie recht die Ärztin in dieser Zeit hatte!
In dieser Zeit handelte ich mir zu allem noch einen Leistenbruch ein; von der ganzen Zeit nur Brei bekam ich Verstopfungen, bei denen nicht einmal mehr Klistiere halfen, nur mit dem Finger die Sch….. herauspulen! Die Ärzte rieten zur anschließenden Operation aufgrund der Chemo nur zu einer spinalen Anästhesie. Die wurde bei der Operation dann auch gemacht. Diese betäubte meine Beine aber nur bis zum Oberschenkel, nicht bis zur Leiste. Die Narkoseärztin glaubte mir scheinbar nicht, der Chirurg fing zu schneiden an und ich hing vor Schmerz an der Decke. Scheinbar kann man aber in dieser Situation keine Vollnarkose mehr geben. Sie gaben mir dann zwar noch Schmerzmittel, aber ich spürte alles, die Tränen liefen einfach so. Dazwischen schwanden mir dann für eine viertel Stunde meine Sinne, ich sah ja die ganze Zeit auf die große Uhr im OP. Die OP dauert normalerweise 50 Minuten, der Arzt musste etwas vorsichtiger arbeiten und brauchte dann halt 120 Minuten.
Die Schmerzen dabei waren groß, aber nach zwei Stunden war alles vorbei. Die Schmerzen bei der Bestrahlung waren leicht genau so groß, aber nicht so schnell vorbei! Ich ging am nächsten Tag wieder nach Hause!
Jetzt, Anfang Januar 2013 könnte ich nur manchmal weinen, wenn wir in einem Restaurant sind, die anderen Filet, Gegrilltes, Scampi und ähnliches essen und ich froh sein muss, wenn es Blut- und Leberwürste mit Sauerkraut und Kartoffelbrei gibt, zu denen ich mir noch irgend eine Soße bestellen muss, damit es richtig flutscht.
Ich esse jetzt zum Frühstück 3 bis 4 XL Eier, 4 Minuten gekocht und etwas weichen Kuchen den ich in den Kaffee tunken muss . Mittags und abends gibt es oft Cremesuppe und Eintopf. Am besten geht alles mit Kartoffelbrei mit Butter aus der Packung. Da geht sogar auch klein geschnittenes Gulasch, oder wie heute Mittag als Premiere Schweinebraten (lange gebraten, sehr weich) mit Blaukraut (für Norddeutsche: Rotkohl) und Kartoffelbrei mit sämiger Soße. Als Nachspeise esse ich Pudding, Tiramisu, Profiteroles, kalorienreichen Joghurt oder ähnliches.
Vor meiner Erkrankung hatte ich 82 kg, jetzt bringe ich noch 60 kg auf die Waage, aber ich fühle mich sehr gut. Die Kraft von früher habe ich bis jetzt leider noch nicht, daran arbeite ich noch, das gelingt mir sicher auch noch!
PS:
Ich war im August 2012 zwei Wochen in China als individualreisender und im November 2 Wochen auf einer Kreuzfahrt durch das Mittelmeer und bin nirgends verhungert und möchte nächstes Jahr 4 Wochen in Ecuador verbringen. Dazwischen habe ich meine Astronautennahrung zwar immer dabei, brauche sie aber immer weniger.
Also, lasst die Köpfe nicht hängen, der Krebs ist besiegbar!
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