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Alt 21.01.2014, 10:29
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Auf der Suche nach Metastasen

Meine liebe Eva,

wie schön, wieder von Dir zu lesen. Da freue ich mich immer.

Weißt Du Eva, es gibt keinen Grund für Sich-Schämen und eigentlich ist gerade HIER auch ein Ort, Dich mal gehen zu lassen. Ich finde es legitim und völlig nachvollziehbar, wenn Du zu einem bestimmten Zeitpunkt der Krankheit zu dem Punkt kommst, wo Du sagst: ich mag jetzt nicht mehr. jetzt ist schluss mit kämpfen, ab hier sehe ICH den Sinn nicht mehr.
das ist zwar traurig, bitter und beängstigend (vor allem für die anderen), aber es gehört zu dieser Krankheit untrennbar dazu. Vor allem in der Rezidiv-Situation. Sich etwas anderes vormachen zu wollen ist eine Vogel-Strauss Politik.

Es gehört so viel Mut dazu, zu sagen oder seinem Gespür zu folgen und zu sagen: nun tritt die Krankheit in eine neue Phase ein. jetzt geht es nicht mehr primär nur darum, das möglichste aus dem Kampf herauszuholen.
Sondern es geht darum, - wie der von mir sehr geschätzte Autor und Arzt und selbst Betroffene David Servan-Schreiber das nennt: "den Tod gut zu bestehen." und weiter sagt er: "Das ist eine sehr große Herausforderung und ein ganz und gar legitimes Ziel. Letztlich führ der Lebensweg zum Tod, er mündet in den Tod .... Wenn man beschlossen hat, nicht mehr gegen die Krankheit zu kämpfen, ist noch ein anderer Kampf zu führen: der Kampf, gut zu sterben ......"

David Servan-Schreiber (er ist u.a. der Autor des Buches "das anti-Krebs-Buch", das mir immer viel gegeben hat und gibt). also er spricht in diesem Buch, das ich gerade lese ( Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl) viel über die Demut der Krankheit gegenüber, die man nie verlieren sollte .... das beschäftigt auch mich gerade sehr.

Ich weiss, ich gehöre eigentlich selbst zu denen, die gerne auch mal "Durchhalteparolen" verkündet, aber ich weiß auch, dass es die Herausforderung gerade auch der anderen ist, sich dem zu stellen, dass der Tod näherrückt. Da der Tod in unserer Gesellschaft aber eher zu den verdrängten Themen gehört, fehlt uns allen schlichtweg der MUT und einfach auch das Repertoire, damit umzugehen.

Manchmal ist es so, dass ich das Gefühl habe, Menschen davor warnen zu wollen, Umgang und Freundschaft und Bekanntschaft mit MIR zu haben. Ich bin ja auch davon betroffen, in absehbarer Zeit sterben zu mmüssen. und damit anderen Menschen Schmerz und Verängstigung zuzufügen. ...

Nun ja, davor weglaufen ist sicher keine Lösung. und so versuche ich mir bestimmte "Zeitfenster" zu geben, um darüber nachzudenken. Das wichtige daran ist, dann auch den Punkt zu setzen und zu sagen: o.k. ich habe dem Tod und den Gedanken darüber nun Zeitt gewidmet aber jetzt ist auch wieder Schluss damit. Denn NOCH bin ich mit Leben beschäftigt.
Das klingt so einfach und ist in REalität ganz ganz ganz schwer.

Denn wir haben ja alle Angst. Richtig dolle Angst. Verständlicherweise.
und Angst gehört nun mal leider zu den Gefühlen, die sich nicht gerne in genau begrenzten Zeitfenstern einsperren lassen wollen. Sie ist sperrig und gemein und heimtückisch und will sich gerne in unserem gesamten Leben breitmachen. Das darf sie aber nicht. Mich kostet das viel Kraft, das immer wieder zu schaffen ............

Was ich DIR, liebe Eva, damit irgendwie versuchen möchte zu sagen ist, dass Du gerade uns hier auch willkommen bist, mit traurigen Gedanken an den Abshcied. Denn er ist Bestandteil und niemand, gerade keine von uns, kann davor weglaufen.


Wir lesen alle lieber die Erfolgsmeldungen, doch irgendwann werden die naturgemäß weniger.
Um nochmal Herrn Servant-Schreiber zu zitieren: " Ich halte mir vor Augen, dass ich schließlich nicht der Einzige bin, der sterben muss. Es ist nicht so, dass man mich zu Unrecht bestraft und bei wasser und trockenem Brot in den Kerker geworfen hat. Nein, wir alle müssen eines Tages diesen Weg gehen. Dass ich früher dran bin, ist traurig, aber keine ungeheuerliche Ungerechtigkeit. Ich habe trotz allem Glück gehabt ..... "

Ich finde, das ist wirklich schwer zu akzeptieren, denn natürlich empfinden wir es persönlich als Ungerechtigkeit. In der Gesamtheit gesehen ist es naturgemäß einfach so, dass es halt einige früher trifft ...
Darüber denke ich momentan oft nach, weil mir die Akzeptanz und die Demut dazu meist (noch ...) fehlt.

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so, nun wieder zurück zu deinen Zeilen.
Danke für die Geb.wünsche. Ich freue mich, über alles, was ich noch erlebe, in diesem Fall meinen 45. Geb. Wir hatten schöne Tage. Und auch ich war stolz, als ich es geschafft habe, für 14 Personen - Verwandtschaftstreffen . alleine zu kochen und wieder aufzuräumen. Früher selbstverständlich, heute ein Grund zur Freude, es zu schaffen.
Wie bei Dir, wenn du dich freust, den Haushalt wieder alleine zu führen.
Das ist wirklich toll, so relativ bald nach diesen schweren Komplikationen. Es ist schon Wahnsinn, was sder Körper aushält und wegsteckt.

Wann ist denn Dein Geburtstag?
Ich finde die Entscheidung gut, mit einer möglichen Therapie bis danach zu warten. Dann kannst Du in Ruhe ein wenig feiern mit Deiner Familie.

Liebe Eva, ich hoffe, es ist nicht zu lang geworden.
habe immer noch nicht mein Buch angefangen ... sollte ich wohl mal tun, damit ich hier nicht immer soooo viel schreibe.
Sollte ich Dir mit meinen Gedanken zu nahe getreten sein, dann war das nicht meine Absicht. ich kämpfe halt selbst darum, eine nicht-schweigende Position zum Tod und zum Abschied-Nehmen zu finden.


heute ist der Schnee in Berlin angekommen. Es ist schön, wie nun alles langsam weiss und hell wird. habe es geschafft, heute schon eine halbe Stunde zu laufen !!! es fällt echt schwer. Am liebsten sitze ich nur vorm Ofen ...

ich umarm dich herzlich
Birgit
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