AW: Aderhautmelanom
Lieber Günther,
von mir hat man recht lange nichts hier gelesen, was einzig daran liegt: es geht mir gut! Vielleicht macht das zum Einstieg etwas Hoffnung?
Ich kann mir vorstellen, wie schwer es erst sein muss, wenn man keine klare Aussage, über Größe und Vorgehensweise von den Ärzten erhält. Bei mir konnte genau bestimmt werden, dass der Tumor im Durchmesser 10 mm war und eine Dicke von 6,9 mm aufwies. Das machte es nicht leichter, aber greifbarer bzw. vorstellbarer.
Und du hast Recht - in dieser schweren Zeit erst merkt man, wer die wahren Freunde sind. Sie sind einfach da, ohne dass man darum bitten muss. Aber auch das hat den Vorteil, dass du wertvolle Kraft nicht an die verschwendest, die nicht deine Freunde sind.
Zu deiner Frage bzgl. des Nie-sicher-Seins. Jeder Arzt wird dir die selbe Antwort geben: es gibt keine 100% Sicherheit. Auch ich konnte mir das zig Male anhören, wenn ich aus Angst immer wieder gefragt habe, ob ich denn nicht eigentlich sicher bin, weil im PET/CT nichts gefunden wurde. Irgendwann akzeptiert man die Antwort. Und natürlich hat man immer im Hinterkopf, dass es irgendwann wieder passieren könnte. Wie soll ich sagen ... es braucht Zeit - du brauchst Zeit es zu verarbeiten bzw. muss du erst mal die Behandlung durchmachen, eh du mit dem Verarbeiten anfangen kannst! Sei geduldig mit dir selbst. Mir war klar, dass es Zeit braucht, um wieder mit mir und der Welt zurecht zu kommen. Und so war es. Bei mir liegt die Diagnose + Bestrahlung genau 1,5 Jahre zurück und ich bin inzwischen an dem Punkt, dass der (besiegte) Tumor nicht mehr die erste Geige in meinem Leben spielt. Sondern ich wieder mein normales Leben lebe - nur viiiiel mehr genieße!
Mein Tipp: besteh darauf, dass du nach der Behandlung sofort eine AHB (Anschlussheilbehandlung, also Reha) bekommst. Das wurde bei mir, wie du vielleicht gelesen hast, versäumt. Und als ich sie 1 Jahr nach der Bestrahlung "nachgeholt" habe, hat sie mein Leben verändert! Ich habe meinen Platz mit mir und der Krankheit in meinem Leben und Umfeld gefunden. Ich habe viel darüber gesprochen und das habe ich so dringend gebraucht - und eben nicht mit Freunden oder Familie, die zwar zuhören, aber nicht verstehen, sondern mit anderen Krebskranken, die Ängst verstehen und Hoffnung und andere Sichtweisen ermöglichen!
Du wirst zukünftig sicher wie wir alle, nervös vor den Nachsorgeterminen sein. Aber umso erleichterter und glücklicher geht man wieder nach Hause, wenn alles in Ordnung ist. Diese Tage sind nervlich immer ziemlich anstrengend für mich. Aber wenn ich dann mit guten Nachrichten aus der Uniklinik gehe, gönne ich mir immer was kleines Schönes, weil mir in dem Moment immer bewusst wird, wie wertvoll und wunderbar das Leben ist. :-)
Nun noch ein paar Worte zur "psychischen Unterstützung". Da wir ja "wunderbar" seltene Fälle sind, darfst du ohnehin nicht erwarten, dass jemand schon mal einen Patienten mit der gleichen Diagnose behandelt hat. Achte aber darauf, dass es ein Psychoonkologe ist. Sie kennen sich mit den psychischen Problemen von Krebspatienten aus und sind darauf spezialisiert. Frage am besten auch gleich in der behandelnden Klinik nach dem Sozialdienst (der sich dann um deine AHB kümmern soll) - er hat mit Sicherheit Kontakte von Psychoonkologen in deiner Region. Ich bin seit ca. 9 Monaten in Behandlung und jetzt soweit, dass wir keine neuen Termine ausgemacht haben, ich mir aber die Option offen halte, dass ich mich in Notfällen sofort wieder an sie wenden kann.
Ich hoffe, ich konnte dir etwas weiterhelfen?
Alles, alles Gute für dich - viel Kraft und starke Nerven und ein Umfeld, was dich stützt! Die nächste Zeit wird nicht leicht und scheint erst einmal unüberwindbar und macht einen ohnmächtig. Doch es wird besser. Ich bin der lebende Beweis! Es braucht Zeit - gib sie dir!
Herzlichst
Lydia
an alle: auch wenn wir uns alle nicht kennen ... ich möchte, dass das für andere junge Patienten mit dieser Diagnose ein Hoffnungsschimmer sein kann: ich bin schwanger und erwarte im September, genau 2 Jahre nach der Diagnose, mein Baby! Das Leben geht weiter! :-) Lasst den Krebs nicht euer Leben bestimmen, sondern lebt es!
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