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Alt 19.06.2014, 19:17
Edeka Edeka ist offline
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Standard AW: Auf der Suche ...

Liebe Sandra,

mir fallen spontan so viele Dinge zu Deinem Eintrag von heute vormittag ein, die ich Dir gern mitteilen möchte.
Also - ich habe Deine Frage danach, wie es mir geht, kein bißchen als sensationslüstern oder irgendetwas in dieser Richtung gedeutet. Also wirklich gar nicht!
Es ist doch, meine Vermutung, meist so, dass andere Menschen (ich meine "gesunde") vom Thema Krebs nicht viel hören wollen. Und wir hier, unter uns... das muß RAUS! Es ist bei mir schon 4 Jahre her, und es muß immer noch RAUS! Und wenn jemand fragt, wie es mir geht, dann höre ich zuerst, dass da echtes Interesse besteht. Bei gesunden Menschen bin ich da vorsichtiger, aber hier unter uns ist das etwas ganz anders. Und das ist ganz wunderbar! Interesse - wunderbar!
Wir haben alle unseren eigenen "Sack", jeder ist schwer. Und wir begegnen uns hier auf einer gewissen Augenhöhe.
Was mich so vorsichtig sein lässt, ist der Umstand, dass es bei mir viel mehr die Behandlungsfolgen sind als die ursprüngliche Krebserkrankung, die mich so nachhaltig und unheilbar in die Knie zwingt.

Wasserfall... ich hab schon immer viel geweint. Und bin sicher vielen damit auf die Nerven gegangen. Aber ich bin einfach auch schon mein ganzes Leben sehr angespannt. Und wenn man einmal begriffen hat, was beim weinen passiert, nämlich die einsetzende Entspannung - dann - naja, ich kann jetzt meine Heulerei viel besser annehmen und mag es.
Wenn man z.B. kleine Kinder beobachtet: Hinfallen. Schreck. Heulen. Ich spüre es richtig, wie groß das Bedürfnis nach Weinen ist. Und wie erleichternd es ist.
Ich hab als Kind meine Mama verloren an Krebs (ich kenne also tatsächlich auch die Kinder-Seite... und überleg immer mal, ob ich davon hier mal berichten sollte...), und hatte danach mehrere schwere seltene Erkrankungen, immer mangelnde Anerkennung ein großes Thema.
Da muss man eben viel weinen.

Es geht mir nah, wenn ich mir das Gespräch vorstelle, wie Du Deiner besten Freundin von Deiner Situation erzählt hast... oje.
Wie traurig. Für Euch beide.
...


Übrigens: ich hab ebenfalls ein Regal voller Tagebücher und schätze es sehr, alles beim Schreiben auf das Wesentliche zu reduzieren. Mir wird so vieles klarer dadurch. Und manchmal schlage ich auch nach und habe die Erkenntnis, dass ich etwas heute besser mache als früher oder so. Jemand anders muss das zum Glück nicht lesen, aber für mich - großartig.
Freut mich zu lesen, dass Du auch so viel geschrieben hast! Und damit aufzuhören oder zu pausieren, wenn es eben nicht passt - klar. Du bist Chefin.

Noch was zu Deiner Untersuchung: als ich las, dass Du Dich bei den Dich untersuchenden Ärzten entschuldigt hast für Deine Angst und dass Du Deine Fassung nicht hattest - ich habe sofort gedacht, dass ich soo gern die Verantwortung haben würde. Ich würde sofort den liebsten Menschen im Krankenhaus rekrutieren, damit er Dich einen Tag lang im Arm hält, streichelt, Dir zuhört und mit Dir spricht.
Ich hoffe, ich kann Dir das - Zuwendung - Aufmerksamkeit - Ruhe - auf diesem Weg irgendwie (wenigstens ein kleines bißchen..) vermitteln.

Und zu Deinen Überlegungen über den weiteren Weg - Du möchtest Dich primär erleichtern. Natürlich ist das ein Thema. Krebs und Sterben sind automatisch zusammen Thema. Es ist absolut legitim, das zu äußern. Alles andere wäre doch falsch. Und wen es erschreckt, der - tja - muss hier dann pausieren. Es klingt schrecklich banal. Aber ich hab ja bereits als Kind meine Mama sterben sehen und mich damals schon so sehr gewundert, warum darüber nicht gesprochen wird oder wurde.
Es ist doch Thema..

Und wenn man Krebs hat... Failure is always an option.
Das habe ich schon ein paar Mal zu meinem Psychoklempner gesagt, den ich außerordentlich schätze.

Liebe Sandra, nun habe ich mal viel geschrieben, mal nicht in mein armes Tagebuch sondern an Dich. Wie gut das tut!

Ich sende Dir alle verfügbare Kraft und Liebe!

Edeka

P.S.: Liebe Sandra, nun haben sich eben unsere Einträge knapp zeitlich überschnitten. Ich habe gelesen, wie es Dir heute ergangen ist, und ich bin froh, dass Du Unterstützung bekommst bei den Dingen, die Du gerade regeln möchtest.
Ausatmen. Ich hoffe, es ist nicht unverhältnismäßig, dass ich heute von mir berichtet habe. Ich finde ja, dass Du gerade in der Empfängerposition bist... Also was Zuwendung und offene Ohren usw. angeht. So, ich hör jetzt lieber auf...
Viele liebe Grüße!

Geändert von Edeka (19.06.2014 um 19:32 Uhr) Grund: P.S.