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Alt 26.01.2015, 23:09
Mayana Mayana ist offline
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Standard AW: Hoffnung, Angst, Zuversicht , Sorgen , ( Hilfe )

Liebe Glaube..

ja, das ist wahnsinnig schwer. Mein Mann kam nach der Diagnose mit dem Arztbrief zu mir, in dem das erste Mal Palliative Behandlung stand. Er war innerlich durcheinander-das merkte ich. Normalerweise habe ich die Dinge in diesen Briefen immer übersetzt.. aber dieses Mal habe ich den Brief nur vor uns auf den Küchentisch gelegt-und wir haben ihn beide schweigend angeschaut. Ganz vorsichtig habe ich meinen Mann gefragt, ob er Fragen dazu hat.. aber er schüttelte nur den Kopf und schaute weiter auf die Worte. In dem Augenblick ist ihm klar geworden, dass es keine Heilung mehr gab.

Als sie die Hirnmetastasen entdeckten, sagte er nur zu dem Arzt: Ich bin tot. Der Arzt stritt das netterweise ab.. aber geglaubt hat mein Mann ihm nicht.

Mehr hat er dazu nie gesagt.

Nach Istanbul wollte er gerne noch mal. Also habe ich ihm gesagt, wenn die Biester nach der Bestrahlung weg sind, buche ich uns einen Flug. "Und Du glaubst das ist möglich?" Ja, habe ich gesagt-diese Diagnose bedeutet zwar, dass man es nicht heilen kann, aber sie bedeutet nicht, dass Du nicht noch lange leben kannst. Er hat mir glauben wollen-aber eigentlich wusste er, dass er sterben wird.

Er hat versucht, sich in sein Schicksal zu fügen-und er hat Alles versucht, damit er mich nicht belastet. Nach der Bestrahlung war er tüddelig im Kopf, und es war zu gefährlich, ihn alleine den Herd einschalten zu lassen, weil er ihn vergaß. Also hat er uns Abends immer zu sich zum Essen eingeladen und für uns gekocht. So konnte er sicher sein, dass er den Herd nicht vergisst, auszuschalten. So war er-das war ganz typisch für ihn, Probleme, die sich aus der Krankheit ergaben, auf diese Art zu lösen. Er versuchte immer, aus seinen Schwächen das Beste zu machen-auch für uns.

Ihm ist das richtig gut gelungen, weiter zu machen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Aber es war schon auch immer Wehmut und Traurigkeit in ihm-das habe ich ganz genau gespürt. Und manchmal auch eine große Wut.

Nun.. ich konnte ihm nicht viel helfen, seinen Weg zu finden, damit umzugehen. Zu viele aufmunternde Worte hätten unehrlich und hohl geklungen, und zu viel Realismus hätte seine konstruktive Art kaputt gemacht, mit der er versuchte, den Kopf über Wasser zu halten. Ich glaube auch nicht, dass man da viel helfen kann. Den Weg, mit der Endlichkeit des Lebens umzugehen, muss jeder für sich selbst finden.

Du kannst Deinen Mann nur begleiten, liebe Glaube, und Hoffnung ausstrahlen, wenn er die gerade braucht und andererseits genau zuhören, auch wenn er nicht spricht. Dem Unausgesprochenen zuhören-denn Dein Mann redet auch mit Dir auf seine Art. Du kannst es spüren, was ihn im Inneren bewegt.

Ja-das Alles läßt Einen manchmal verzweifeln-diese Gedanken, dass es keine Umkehr gibt. Fürchterlich ist das.

Ja und jetzt.. bin ich Witwe. Eine Zeit lang war es noch richtig hart für mich-auch wegen der ganzen Bürokratie und den ganzen Dingen, die man gar nicht brauchen kann dann. Nach Zusendung der Sterbeurkunde an eine Firma, kam Wochen später ein Brief: "Sehr geehrter Herr Mayana, leider haben Sie im Alltagstrubel übersehen..". Das passierte ständig. Ständig musst Du überall mit Nachdruck und sogar 2 oder 3 Mal sagen, dass Dein Mann tot ist.. und Du bist eigentlich noch gar nicht so weit, das mit der Welt zu teilen.

Mittlerweile geht es mir wieder viel besser. Ich mache viel Sport, tue viel für mich und versuche wieder, zu Kräften zu kommen. Denn nach seinem Tod war ich erstmal am Boden, erschöpft, ausgelaugt, traurig und auch körperlich sehr angeschlagen.. Alles war zu viel. Mittlerweile gelingt mir das ganz gut, und ich fühle mich wieder recht stark und bereit für mein Leben.

Das war jetzt ein langer Text-durch Euch erlebe ich das Alles noch mal-aber aufgeräumter mittlerweile. Man dreht das Alles etliche Male im Kopf, aber mit jeder Umdrehung wird es klarer und fühlt sich besser an.

Liebe Glaube, Ihr Beide, Du und Dein Mann, Ihr werdet auch Euren Weg finden. Ihr seid so gut aufeinander eingespielt, und die Liebe trägt Euch da durch. Und irgendwann liebe Glaube wird eine Zeit kommen, in der auch Du ausruhen darfst. Ich hoffe, Du verstehst das nicht falsch-aber wenn man es geschafft hat, dann tut es irgendwann gut, dass man nicht mehr mit der Angst und dem Zwiespalt und gute Laune verbreiten, obwohl Einem nach Weinen zu Mute ist, leben muss. Ich wünsche Euch natürlich von Herzen, dass das trotzdem noch möglichst lange dauert bis dahin. Ich glaube, Du weißt schon, wie ich das meine.

Liebe Biene, ich hoffe, Du hast zu Hause Unterstützung gefunden-alleine kann man sowas nicht schaffen, denke ich. Du brauchst jetzt jemanden, der sich auch ein wenig um Dich kümmert, damit Du wiederum genug Kraft hast, für Deinen Mann da zu sein. Ich hoffe für Euch, dass Ihr Frieden in Euch finden könnt und nicht nur die Angst regiert-zumindest in einzelnen Momenten.

Ich bin in Gedanken bei Euch.. und verzeiht, wenn ich machmal einfach nicht die richtigen Worte finde.

Liebe Grüße
Mayana
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