AW: Austausch von Usern mit fortgeschrittener Erkrankung
Hallo in die Runde,
hab in der letzten Zeit nur geschafft, mitzulesen; zum Schreiben komme ich oft nicht. Aber es ist so gut zu wissen, dass man mit seinen Überlegungen nicht allein ist.
Nein, schuldig ist keine von uns. Auch nicht wegen Stress - sonst müssten viel, viel mehr Leute so krank sein wie wir (Eltern mehrerer kleiner Kinder z. B. ...).
Als ich nach der Erstdiagnose das ganze Chemo-Op-Bestrahlungsprogramm durch hatte, hat man mir manchmal gesagt, nun könnte ich ja stolz sein. Ich hab das nie verstanden - worauf? Dass ich tapfer gelitten hatte? Nein, den "Kampf" gegen diese Krankheit (den ich auch nicht gern so nenne) hat sich keine von uns ausgesucht; ihn durchzustehen ist keine Leistung.
Und offenbar kann man auch nicht wirklich jemandem begreiflich machen, wie das ist, mit der Aussage konfrontiert zu sein, dass man nie mehr völlig gesund werden wird. Ich glaube inzwischen, dass das einfach nicht dazu passt, wie wir funktionieren: Es übersteigt das menschliche Vorstellungsvermögen, gesagt zu bekommen, Du wirst in absehbarer Zeit sterben - es ist zwar nicht ganz klar, wann, vielleicht hast Du noch einige Jahre, vielleicht Monate, aber es wird passieren, und vermutlich wird es Dir vorher noch eine Weile nicht besonders gut gehen.
Es ist unmenschlich, und auch wenn die moderne Medizin für uns ein Segen ist, weil sie unser Leben verlängert, ist sie darin auch ein Fluch, dass sie uns dieses Wissen beschert, das einem den Boden unter den Füßen wegzieht.
Dafür ist der Mensch irgendwie nicht eingerichtet, man will doch leben und darauf vertrauen, dass man zumindest so lange da sein kann, bis die Kinder auf eigenen Füßen stehen. Man hört so oft davon, das unsere Gesellschaft den Tod verdränge - ja, aber vielleicht muss man ihn auch ein bisschen verdrängen, um im Leben zurechtzukommen. Und das mit dem Verdrängen ist für uns halt immer wieder und wieder schwierig, und ich finde jedes Mal, wenn irgendeine Untersuchung ansteht, oder wenn irgendwelche Symptome auftauchen, von denen ich nicht weiß, ob sie nun der Therapie oder dem Fortschreiten der Krankheit geschuldet sind, wieder eine Zumutung. Daher glaube ich, dass es auch so schwierig ist, eine Öffentlichkeit für den metastasierten BK herzustellen - die Leute wollen das nicht wissen und können es vielleicht auch wirklich nicht verstehen. Ich selbst konnte es zwischen der Ersterkrankung und dem Auftreten der Metastasen nicht. Was die Metastasen-Diagnose in mir ausgelöst hat, hätte ich mir vorher, so viel ich darüber auch nachgedacht hatte, nicht im Entferntesten vorstellen können. Für mich sind es nur die mir wirklich sehr, sehr nahen Menschen, denen ich versuche, etwas davon mitzuteilen. Und auch das manchmal mit schlechtem Gewissen, weil es für sie - meinen Mann, meine Schwester, wenige enge Freundinnen - ja auch fürchterlich ist. Aber wenn ich es nicht tue, habe ich Angst, mich abzukapseln; das muss man dann auch aushalten, dass man selbst zur Zumutung wird. Aber auch das hat sich ja keine von uns ausgesucht ...
Ich glaube übrigens trotzdem, dass für uns eifrig geforscht wird - nicht aus Gutmenschentum, sondern weil mit erfolgreichen BK-Medikamenten ja auch richtig was zu verdienen ist.
So, das ist jetzt viel länger geworden, als ich vorhatte. Dabei geht es mir sehr gut - ich genieße die Zeit mit der Familie, meine Arbeit und überhaupt sehr vieles, spontan und bewusst. (Und warte auf Ergebnisse der Magen/Darmspiegelung letzte Woche; und fürchte mich schrecklich davor - so geht's halt immer hin und her ...).
Viele liebe Grüße!
Lola
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