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Alt 18.11.2015, 20:47
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Drachenkopf Drachenkopf ist offline
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Standard AW: Chemo Tagebuch, Erfahrungsaustausch, gemeinsames Durchstehen!!!

Hallo zusammen

Frauen habt ihr wieder viel geschrieben! Da bin ich mal einen Tag arbeiten und einen Tag in der Chemo und komme schon bald nicht mehr hinterher mit dem lesen.

Meine letzte EC ist jetzt drin und braucht nur noch verdaut werden. Dieses Mal war das Infusionsstechen etwas mühsam, der Nachteil davon, (noch) keinen Port zu haben hat sich bemerkbar gemacht. Es hat 3 Anhäufe gebraucht, bis wir sicher waren, dass es ok ist. Sonst ist aber alles gut gegangen, heute Nachmittag dann das schöne Wetter nochmals genutzt fürs Spazieren und jetzt dann bald mal is Bett. So ein winzig kleines bisschen Übelkeit ist da, das Nachtessen hat mir keinen Spass gemacht. Die Taktik ist, das zu essen, was mir gerade ins Auge fällt und sicher nichts vorher zu planen. Diesmal war's Zwieback mit Erdnussbutter.

Nach meinem Infekt der letzten Woche bin ich aber wieder gut erholt und aufgebaut in die letzte EC-Runde gestartet. Gestern hätte ich Bäume ausreissen können - und das noch vor der Einnahme des Kortisons . Ich habe einen ganz normalen Arbeitstag inklusive Teamsitzung geschafft, bin anschliessend mit dem Fahrrad und 2 Tauchflaschen im Anhänger zum Tauchshop geradelt und habe dann den Tanzkurs und das freie Tanztraining gemacht und mich gefühlt, wie in guten alten Zeiten. Und heute bin ich deswegen nicht einmal ausgepumpt.

Grinseschaf, ich hoffe, dir geht's auch gut nach der heutigen Infusion.

Paula, nun ist es also auch bei dir so weit, dass die Haare ab sind. Es ist wirklich ein ganz schrecklicher Moment, da dürfen die Tränen auch fliessen. Und du hast recht, es ist einfacher, wenn frau es hinter sich hat. Es wird auch danach ständig ein bisschen einfacher. Ich erschrecke nicht mehr so wegen meinem Spiegelbild, ob mit Fifi oder ohne. Mein Wärmehaushalt hat sich auch umgestellt. Ich schlafe oft ohne die Baumwollmütze und geniesse das Gefühl des kühlen Kissens am Kopf. Aber ich war schon immer ein eher hitziger Typ, der gerne die Füsse unter der Decke hervorstreckt.

Auch ich bin total überzeugt, dass Heilung möglich ist. Mein Krebs ist ja auch bereits entfernt worden und ich mache das ganze Programm mit Chemo, Bestrahlung und AHT nur prophylaktisch - wenigstens soweit meine Weltanschauung. Und wie verschiedene von euch bereits geschrieben haben, kenne auch ich viele Frauen, die vor vielen Jahren BK hatten und danach nicht mehr erkrankt sind. In meiner lokalen Selbsthilfegruppe bin ich z.z. die einzige, die in der akuten Phase steckt. Es gibt diverse Frauen, die vor 15 oder mehr Jahren erkrankt sind. Und wenn frau dann noch den Fortschritt den die Medizin, seit damals gemacht hat und weiterhin macht, miteinbezieht, dann werden die Prognosen doch nochmals besser. Ich habe mir auch überlegt, ob eine 2. Erkrankung ein Rückfall ist oder eine 2. Neuerkrankung. Auch eine Grippe kann ich mehrmals bekommen, warum nicht auch BK. Natürlich wünsche ich das weder mir noch sonst jemandem. Aber für mich macht es mental einen Unterschied, ob ich einen Rückfall habe oder einfach das Pech, dass meine Zellen ein zweites Mal entgleisen.

Was wir so für Hobbies haben? Ich lese gerne, mache gerne Logicals, stricke und häkle, spiele Klavier, frische meine Fremdsprachen auf, gehe viel spazieren, arbeite im Garten, treffe Freundinnen, besuche das Angebot im Krebsbegnungszentrum (Brunch, Strickrunde, Gesellschaftsspielen), singe im Chor, tanze Gesellschaftstanz und tauche. Die Liste ist bereits so lang, dass ich einiges davon erst wenige Male gemacht habe, aber der Winter kommt ja noch und dann lassen wohl die Spaziergänge nach.
Das Problem, seine Freizeit neu auszurichten, kenne ich aus der Zeit als vor 3 Jahren mein Mann starb. Wir hatten sehr viel Zeit gemeinsam verbracht und während der Kinderzeit habe ich alle meine ehemaligen Interessen zurückgestellt. Nun war mein Mann tot und meine Kinder 18-24 Jahre alt - plötzlich viel Zeit zum Füllen. Ich habe mich dann vor allem zurückbesonnen auf die Dinge, die ich vor der Ehe gerne gemacht habe und versucht, das eine oder andere davon wieder aufleben zu lassen. Vielleicht ist das ein hilfreicher Ansatz, um herauszufinden, was du denn gerne machen möchtest, auch wenn sich vielleicht ein paar Verschiebungen ergeben - ich tanze z.B. jetzt nicht mehr Rock'n'Roll wie früher. Oder du nutzt die Gelegenheit mal hier und da zu schnuppern. Bei uns im KH gibt es verschiedene Sportangebot, wo frau mal reinschnuppern kann, um zu sehen, ob Yoga oder Taiji etwas ist.

So meine Lieben, haltet tapfer durch. Ob es "nur" oder "schon" 3 ECs sind, mit jedem Tag der vergeht, sind wir unserem Ziel ein Stückchen näher. Für mich ist es nur schon hilfreich, dieses Ziel näher kommen zu sehen und ein (vielleicht auch nur provisorisches) Datum zu haben, wann die letzte Chemo läuft. Das macht es für mich so viel einfacher als z.B. die ersten Monate der Trauerzeit, wo du nicht weisst, wann (oder ob) denn auch für dich mal wieder eine fröhlichere Zeit kommen wird. Da ist jeder Tag mehr zuerst nur mal einer weiter weg von der gemeinsamen Zeit mit dem Verstorbenen. Aber jetzt kann ich mich auf den Frühling freuen und wissen, dass ich's dann geschafft habe.

Also haltet durch
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