AW: Chemo Tagebuch, Erfahrungsaustausch, gemeinsames Durchstehen!!!
Liebe Resi,
lieb dass Du an uns denkst! Ich habe mich die letzte Zeit wenig zu Wort gemeldet, aber immer fleißig mitgelesen.
Die Situation bei uns ist derzeit so lala… Es gibt keine akuten schweren Komplikationen, aber so langsam wird die Chemozeit echt zäh. Anja hat am Dienstag die 8. Von 12 Pacli bekommen. Pacli wöchentlich verträgt sie bisher immer noch etwas besser als die vorangegangenen 4xEC zweiwöchig. Jetzt machen uns aber so langsam die Nerven Sorgen. Hände und Füße sind merklich in Mitleidenschaft gezogen. Es fällt ihr immer schwerer handwerklich zu arbeiten. Nähen und Häkeln sind zwei ihrer Leidenschaften, die sie derzeit nur unter Anstrengung ausüben kann. Aber ich denke es ist trotzdem gut die Feinmotorik etwas zu trainieren. Auch beim Laufen merkt sie, dass sie etwas unsicherer wird. Ansonsten klagt sie noch über fast vollständigen Geschmacksverlust. Seit zwei drei Wochen hat sie häufig Nasenbluten. Wir hoffen, dass sich die Situation nicht noch merklich verschlechtert und sie die letzten 4 Pacli noch planmäßig bekommen kann, dann wäre die Chemozeit am 15.12. überstanden.
Ende Oktober haben wir uns in einer Uniklinik rechts von einem Fluss in München vorgestellt (darf den Kliniknamen nicht nennen, ein anderer Beitrag von mir wurde deshalb gelöscht), um ein Zweitmeinung für die weitere Therapie einzuholen. Da die 1. BET Tumor-OP leider nicht im gesunden Gewebe erfolgte und an den Schnitträndern noch DCIS nachgewiesen wurde stehen noch weitere operative Behandlungen aus.
Den Erstkontakt nach München haben wir durch einen glücklichen Zufall bekommen. Anja wurde im Kindergarten von einer anderen Mutter angesprochen. Deren Mann arbeitet in dieser Klinik, ist plastischer Chirurg und macht Brustaufbau mit Eigengewebe. Er ist dann sogar privat am Wochenende zu uns nachhause gekommen und hat uns mal so richtig ausführlich über die Möglichkeiten eines Wiederaufbaus aufgeklärt. Das Gespräch war genial und er selbst sehr sympathisch. Er hat uns dann den Kontakt zur Gynäkologie an diesem Klinikum hergestellt und daraufhin haben wir beschlossen dort vorständig zu werden.
Was soll ich sagen, es hat sich gelohnt. Die Klinik ist erst mal erschreckend (alt, verwinkelt, hektisch, groß) aber wir wurden herzlich empfangen und es folgte ein Gespräch wie ich es bisher noch nicht miterlebt habe. So stelle ich mir die Vorgehensweise in einem Brustzentrum vor. Es waren der Gyn. Und zwei plastische Chirurgen gemeinsam da und haben mit uns die Möglichkeiten geklärt. Außerdem hat man uns noch eine genetische Beratung empfohlen und nach unserer Einwilligung auch sofort im Anschluss organisiert. Mir ist das schon immer im Kopf rumgegeistert, aber in unserem bisherigen BZ hat man dem Thema keine Aufmerksamkeit widmen wollen. Beim Beratungsgespräch mit der Genetikerin hat sich das Bild dann aber schnell geändert. Wenn man wirklich mal anfängt einen Stammbaum aufzumalen und ein Bild vor Augen hat, wird die Dringlichkeit nach dem Test gleich mal untermauert. Das Ergebnis steht noch aus.
Ernüchternd aber verständlich war jedoch die Empfehlung des Gyn. und der plastischen Chirurgen. In unserem bisherigen BZ wurde empfohlen, subkutane Mastektomie mit Silikonaufbau. In München ist die Empfehlung Ablatio und eine der Bestrahlung nachgelagerte OP zum Wiederaufbau mit Eigengewebe. Der Gyn. meinte der Tumor und das DCIS liegen so nahe an Haut und Brustwarze, dass es aus seiner Sicht keinen Sinn macht diese zu erhalten. Den Wiederaufbau empfehlen sie direkt nach der Bestrahlung (Pause ca. 4 Wochen) oder sonst erst in 9 Monaten nach Bestrahlungsende zu machen. Der Gyn. Empfiehlt in Absprache mit den plastischen Chirurgen keinen direkten Wiederaufbau um für die Bestrahlung optimale Verhältnisse zu haben, was bei Anjas Situation mit den vielen befallenen LK´s (18) wohl Sinn macht. Alle Drei Ärzte unterstützen diese Empfehlung, würden es auf Wunsch von uns aber auch anders machen. Von Silikon raten sie bei Anjas Situation klar ab. Ich bin begeistert, dass Ärzte eine klare Empfehlung abgeben und nicht nur sagen, “das sind die Möglichkeiten, wie wir vorgehen müssen sie entscheiden“. So war es leider bisher immer.
Der Schock bei Anja saß dann aber erst mal tief, Ablatio ist halt doch noch mal ne andere Nummer, und die Genetik könnte jetzt auch noch eine Änderung der Therapie mit sich bringen.
Aber was soll man machen? Der Gewinn an Sicherheit durch die Ablatio wird nicht riesig sein, ist aber dennoch vorhanden. Ich bin der Meinung, dass Sicherheit wichtiger ist als das kosmetische Ergebnis.
So das war wohl etwas viel auf einmal aber hoffentlich nicht zu wirr.
Jetzt hoffe ich erst mal, dass Anja weiterhin so gut durchhält und wir das Chemoende am 15.12. planmäßig erreichen. Alles Andere wird dann in 2016 folgen, nur entscheiden müssen wir uns wohl leider vorher, was momentan noch etwas schwer fällt.
Euch Allen hier noch einen schönen Tag mit wenig Nebenwirkungen!
Ich bin echt platt, wie Ihr hier Alle durchhaltet und euch gegenseitig unterstützt – macht weiter so!
Sonnige Grüße vom Bodensee
Steffen
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