Danke ihr beiden!
Meine Mutter erklärte mir gestern von sich aus, dass ich sie versorgt wissen darf da oben. Ich müsse nicht so oft kommen, sondern soll lieber alles Notwendige erledigen, das sei auch für sie wichtig zu wissen, dass es vorangeht. Deshalb werde ich jetzt voranmachen, heute endlich den Lagerschlüssel holen und ihr dann am Wochenende davon erzählen, welche Fortschritte ich erzielen konnte, das bringt ihr auch etwas. Man merkt, dass sie sich geborgen fühlt in ihrem Zimmer, das sich visuell an den Berg zu schmiegen scheint, als würde sie auf einem Berggletscher liegen, nur umschlossen von der Wärme des Zimmers, aber sonst ganz nahe zum Himmel. Als Kind war sie oft auf den Gletschern mit ihrem Vater. Davon sprachen wir auch. Sie ist wirklich zufrieden so und in sich ruhend. Sie hat dort ihre eigene innere Welt und möchte dort nicht mehr weg. Durch den geplanten Hausverkauf hat sie sich von unserem alten Daheim gelöst, so wie ich. Sie lächelte fröhlich, als ich ihr begeistert davon erzählte, dass ich nun mit dem Generalabo der Bahn überall hinflitzen kann. Wir befinden uns in einer ähnlichen Mobilität, beide zu einem neuen Leben, sie gen Himmel, wobei ihre jetzige Station eine Art Vorhof zum Himmel ist, so wie Moses auf dem Berg mit Gott redete und irgendwann nicht mehr zu seinem Volk zurückkehrte, das Licht auf seinem Gesicht. Das Licht war auch Thema, meine Mutter sprach davon, wie die Lichtverhältnisse sich draußen auf einmal ändern zur Dämmerung hin, das sei ein sehenswertes Wechselspiel. Sie brauche die Bibel nicht mehr, ihre Bibel sei nun der Berg und Gott auf dem Berg. Von dort erhielt Mose auch die berühmten Gebote bzw. genauer Worte Gottes. Sie lebt nun die Bibel, die sie so lange begleitet hat. Das wäre wohl die Antwort auf die berühmte Frage nach der Insel. Man kann und muss nichts mitnehmen auf die Reise nach Drüben. Das Leben selbst wird zum Buch. Sie sprach davon, wie vor ihren Augen ihr ganzes Leben an ihr vorübergezogen sei. Ich bin froh, dass sie sich so sehr geborgen fühlt in Gott, wie sie sagt. Sie habe Gott, wiederholt sie oft. Wir müssen uns nicht sorgen um sie.
@lotol: Meine Schwester hat keine Vollmachten hinsichtlich unserer Mutter. Die Ärzte dürfen ihr keine Auskunft geben. Das läuft alles über mich. Deshalb war es schon gut, dass meine Schwester mich darauf hinwies, damit ich es dann einbringen kann in das Gespräch mit den Ärzten. Auch sonst habe nur ich die Vollmachten, um alles Behördliche zu regeln. Ich kann nichts delegieren. Das ist nicht möglich.
Deshalb delegiere ich dort, wo es sich ergibt, z. B. gestern im Restaurant mit meiner Schwester, wo ich sie bat, für mich einzukaufen, während ich auf die Kleine aufpasse. Sie trug mir danach die Einkaufstasche bis zum Bus. Sie macht das sehr gern und schlug vor, dies öfter für mich zu tun, dann könne sie mich auch mehr sehen, was ihr wichtig wäre. Ich mache es einfach, wenn es gerade passt, da ich keinen Weg zusätzlich nehme, dafür bin ich zu erschöpft. Letztes Mal kaufte mein Neffe das Essen und die Abfallmarken für mich ein. Schon seltsam, dass ich ausgerechnet dann keine Kraft mehr habe, wenn es um meine Grundnahrung geht, ich die wenigen Schritte abends kaum noch schaffe in den Bahnhofladen und nichts mehr heimschleppen mag. Kein Appetit. Irgendwann kippt es einfach und das ist genau dann, wo ich noch kurz für mich einkaufen müsste. Und wenn, kaufe ich sehr billig ein und es soll auch möglichst leicht zu tragen sein, das absolute Minimum, Brot und Aufstrich, zuhause hab ich noch Wasser. Wenn ich mich mit meiner Cousine treffe zum Besuch bei meiner Mutter, wie auch gestern geschehen, dann erinnert mich meine Cousine (eine Kindergärtnerin) sehr an meine Mutter, sie spendiert mir dauernd Essen und Trinken und will mich ernähren.
Am Sonntag will ich wieder hin zu meiner Mutter, zusammen mit meiner kleinen Nichte, meine Mutter will ihr Enkelkind sehen. Ich kann meine Mutter gut aufbauen und zum Schmunzeln bringen. Sie strahlte gestern, als ich ihr erklärte, dass sie die ganze Abteilung mit ihrem unverwechselbaren Charme eingelullt habe, deshalb wollen die sie alle behalten. Und das stimmt sicher auch, meine Mutter ist wirklich etwas Besonderes, das sagen mir immer wieder viele und weiß ich auch selbst seit Kindertagen. Meine Mutter hat eine sehr gütige Ausstrahlung, das zog die Leute schon immer an.