Wechsel vom Angehörigen zum Hinterbliebenen
Liebe Beate, liebe Barbara,
Beate, gut, dass es bei dir soweit alles in Ordnung ist. Deine Eltern, Barbaras Vater und auch meine Eltern sind nur besorgt um uns. Da sie alle schon etwas älter sind, machen sie sich wohl so ihre Gedanken, was wäre, wenn ihnen irgendwann mal etwas passieren würde. Ich versuche auch – soweit es geht – mich alleine durchzuwurschteln. Hab auch keine Lust, ständig jemanden zu bitten. Hab mich auch um die meisten Dinge nicht kümmern müssen, in mein Ressort fiel nur der Schreib- bzw. Bürokram. Bringe am Dienstag auch mein Auto zur Inspektion bevor ich zum Zahnarzt fahre. Nur, die von der Werkstatt können einer Frau ja soviel erzählen, jetzt müssen wir uns darauf verlassen, haben ja keinen mehr, der einem sagt, was richtig oder falsch ist.
Wie war dein erster Samstag so alleine, ging es einigermaßen? Am liebsten bin ich am Wochenende allein in der Wohnung, kann weinen wenn mir danach zu Mute ist und muss nicht zusammennehmen. Das Nachhausekommen in die leere Wohnung fällt mir auch sehr schwer. Nach Dienstschluss das Nachhausekommen geht noch, da ich immer vor Klaus zu Hause war.
Barbara, was du von der Leiterin sagst, ist aber auch wirklich schrecklich. Ich weiß es auch nicht, höre überall nur von schlimmen Krankheiten oder Todesfällen. Dieses Jahr ist es ganz extrem.
Nun bist du schon 6 Monate allein, wie hast du den Tag heute verbracht, bist du rausgegangen? Ja, diese Wochentage, als es passiert ist. Glaube, die werden uns ein ewig verfolgen.
Konntest du dich gestern beim Geburtstag denn etwas ablenken?
Heute ging es mir zuerst etwas besser als gestern. War heute Mittag bei meinen Eltern, wie gesagt sie haben auch immer noch kolossale Probleme und verdrängen irgendwie alles in Bezug auf Klaus. Hab sie schon mehrmals darauf angesprochen, aber nix, irgendwie können sie darüber mit mir nicht sprechen. Deshalb nehme ich mich bei ihnen immer ziemlich zusammen. Das hat mich so traurig gemacht, dass ich auf dem Rückweg nach Hause im Auto wieder mal von meinen Gefühlen überwältigt wurde und nur geweint habe. Deshalb bin ich euch mal wieder dankbar, dass ich hier so schreiben kann, wie es in mir aussieht.
Ich weiß es auch nicht, mittlerweile erwarten alle Leute, dass nach 10 Wochen alles so sein muss wie früher. Über 30 Jahre verheiratet, 1 Jahr diese schreckliche Krankheit hat man einfach so wegzustecken. Unglaublich! Auch meine langjährigen Nachbarn fragen nicht mehr, wie es mir denn so alleine geht und erzählen einfach nur Blabla, was sie sich auch sparen könnten.
Schön, dass ihr mich bezüglich des Treffens wieder was beruhigt habe.
Alles Liebe für euch
Irene
|