Einzelnen Beitrag anzeigen
  #265  
Alt 15.09.2002, 09:47
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Forum für Angehörige UND Betroffene

Hallo Ihr Lieben,
mir kommen da so ein paar Gedanken, ... es scheint nämlich irgendwie sehr wichtig zu sein, dass eine Familie, in welcher jemand an Krebs erkrankt, sich zusammen setzen sollte und miteinander spricht und nach Hilfe und Lösungen für den Betroffenen sucht.

Meist wird dies jedoch nicht so gemacht. Meist sind es eine oder zwei Personen, die sich voll einsetzen für den Betroffenen und sich um ihn kümmern wollen. Der Rest der Familie steht "daneben", zu hilflos oder zu überfordert, und zieht sich dann vielleicht sogar lieber ganz zurück.

Ich denke mir nämlich gerade, dass es bestimmt von Vorteil gewesen wäre, als damals meine Mutter an Leukämie erkrankte, dass sich nicht nur ihr zweiter Ehemann um sie gekümmert hätte. Dies geschah zwangsläufig so, weil meine Mutter in Mannheim lebte, ich in der Schweiz und meine Schwester in Holland.
Hätte nun aber dieser zweite Ehemann meiner Mutter uns Töchter "zusammen gerufen", hätte er mit uns gesprochen und uns GEFRAGT, wie wir damit umgehen können/wollen, wie wir helfen wollen, ... so wären wir ein bisschen unter "Druck" gesetzt worden, DASS wir uns auch damit auseinander setzen, und DASS wir nach Lösungen suchen, WIE man der Mutter am besten helfen kann, jeder nach seinem eigenen Können, seinen eigenen Kräften eben.
Aber da dies nicht so geschah, ... lebte ich weiter in der Schweiz meinen Alltag, mit dem Wissen, dass meine Mutter so weit weg ist und Leukämie hat, ... was noch ein zusätzlicher "Grund" für mich war, mich eben NICHT gross damit auseinander setzen zu müssen! Nun, und meine Schwester lebte in Holland, also ebenfalls zu "weit weg", als dass sie sich intensiver mit dem Thema hätte auseinander setzen müssen. Gute Bequemlichkeit!

Es hätte bestimmt Lösungen gegeben. Lösungen, wie oft wir sie hätten Besuchen gehen können, auch wenn das Geld für die Fahrt nach Mannheim gefehlt hat. Lösungen, was wir hätten tun können, um unsere Mutter ein bisschen mehr zu unterstützen. Oder wie wir ihr eine kleine Freude hätten bereiten können.
Aber SO war der zweite Ehemann meiner Mutter ganz alleine der "Helfer", der "Unterstützer", und er musste alles ganz alleine als Angehöriger ertragen und durchstehen. Voll live, und dies jeden einzelnen Tag!

In diesem Sinne hat es nämlich auch MEINE Familie nie gelernt, zusammenzustehen, sich gegenseitig zu helfen. Als ich dann nämlich an Brustkrebs erkrankte, wiederholte sich das ganze Schema von neuem. Zudem geht ja jeder seinen "eigenen Weg", jeder hat "Sein Leben" und muss schauen, wie er damit klar kommt. Alle neuen Probleme, wie Krebserkrankungen in der Familie sind einfach zu kompliziert, zu schwierig. Jeder denkt sich das aus, was seiner Meinung nach richtig ist, ... und das wird dann dem Krebsbetroffenen einfach an den Kopf geworfen: "Du musst halt..." usw. Und damit ist die Sache "erledigt", man kann wieder seinen "eigenen Weg" weiter gehen wie bisher ...!
Was für ein Glück, dass es mir gesundheitlich soweit gut geht, denn dann braucht man erst recht nicht noch mehr darüber nachzudenken!

Wenn sich also eine Familie zusammen tun würde, und miteinander spricht, eine "Aufgaben-Aufteilung" berät, um dem Krebsbetroffenen in der Familie auf die eine oder andere Art helfen zu können, ... so wäre jeder in der Familie eingeschlossen, jeder wäre gefragt, jeder hätte das Gefühl, etwas nützliches zu tun, jeder müsste sich mit dem Thema auseinandersetzen und könnte dazu lernen, usw.
Akzeptiert man jedoch den "Rückzug" oder die Hilflosigkeit anderer Familienmitglieder, so "unterstützt" man diese quasi gleichzeitig noch bei ihrem "Rückzug" und ihrer Hilflosigkeit. Auch wenn man das nicht so betrachtet.

Was meint Ihr dazu?

Ganz liebe Sonntags-Grüssli
von Brigitte
Mit Zitat antworten