Was soll jetzt ohne meine Mumi werden
Hallo Bianca,
mein Vater ist am 13.6.04 gestorben. Das erste schlimme Jahr habe ich also hinter mir. Ich bin sicher, dass das erste Jahr bei den meisten das schlimmste ist.... zum 1. Jahrestag wurde es noch mal schlimmer + intensiver, alles kam wieder mehr hoch. Aber glaub mir, es wird besser mit der Zeit, es verändert sich, man lernt damit zu leben (bzw. ohne unsere Lieben). Und es ging mir zeitweise wirklich besch....
Ich kenne sehr gut das Gefühl nicht verstanden zu werden, die meisten Menschen wollen sehr schnell bzw. überhaupt nix darüber hören. Mein Mann ist noch relativ unterstützend gewesen aber er konnte auch nicht verstehen WIE ich da durch musste. Zeitweise habe ich mich nur mit "Trauermusik" und ensprechender Literatur beschäftigt, stundenlang Trauergedichte im Internet gesucht, usw. Habe viel über Koma und Intensivmedizin und den Tod und das Sterben gelesen. Alles Themen die ich früher absolut gemieden hatte aber nun zog es mich mehr an als alles andere. Musste + wollte ständig zum Grab. Das hat sich alles wieder etwas verändert. Einige Veränderungen IN MIR sind sicher geblieben, aber es tut nicht mehr jeden Tag so weh. Das soll jetzt kein billiges "die Zeit heilt alle Wunden" sein.... aber glaub mir es WIRD besser mit der Zeit. Nur, die Zeit die Du brauchst kannst nur Du selbst bestimmen, niemand sonst.
Mein Mann meinte auch immer ich sollte mich nicht mit so traurigen + melancholischen Themen beschäftigen... als wäre alles super wenn ich mich nur ablenken würde.... aber das kommt irgendwann von allein dass auch andere Dinge wieder mehr in den Vordergrund treten. Aber solange es so ist, ist es eben so. Ich bin fest davon überzeugt, dass es (seelisch) krank machen kann wenn man Trauer nicht zulässt + auslebt. Zumindest halte ich es für schlecht + schädlich. Es ist eines der einschneidensten Erlebnisse im Leben wenn ein Elternteil geht. Klar fühlt man sich irgendwie heimatlos und als wäre einem der Boden unter den Füssen weggezogen. Man war Kind und Mutter + Vater waren IMMER da, also kann man sich nicht wirklich vorstellen wie die Welt ohne sie ist. Sie waren ja immer da......
Ich habe auch lange Zeit und immer wieder viele Dinge nur mit mir selbst abgemacht. Vieles konnte ich hier im Forum loswerden. Aber ganz extrem wichtig in dieser Zeit war mein Psychotherapeut. Der EINE Mensch bei dem ich immer alles ablassen konnte, und immer und immer wieder bis es OK war. Der nicht sagte "nun denken Sie mal an was schönes...".... oder bei dem ich mich zurückhalten musste aus Rücksichtnahme oder sonstwas. Ich hatte sonst auch noch 1-2 Menschen im "echten" Leben aber der Thera war unglaublich wichtig für mich. Er hat mir mit den Weg gezeigt wie ich die Trauer zulassen kann, bzw. hat mich auf meinem Weg unterstützt, hat mich oft gelobt dass ich es "gut mache" (also das zulassen.... das ist toll wenn einen jemand dabei ermutigt finde ich) und gleichzeitig hat er mich aber auch immer wieder daran erinnert dass man darin auch nicht endlos versinken darf, dass man auch den Weg zurück finden muss, und dass man irgendwann auch anfangen muss sich wieder andere Dinge zuzugestehen (was ich nicht immer konnte, hatte absolut schlechtes Gewissen wenn es mir mal einen Tag etwas besser ging, ganz merkwürdig). Man muss es sich auch erlauben, irgendwann wieder glücklich zu sein. Das geht. Deine Mutter würde es so wollen für Dich. Glaubst Du, sie möchte Dich für immer untröstlich sehen?
Aber es ist ja noch nicht lange her.... lass Dir nicht einreden Du müsstest schon wieder "normal" sein.
Wenn Du jemanden zum Reden brauchst, vielleicht wäre das eine Idee, also ein Therapeut meine ich.
Und wenn Du mit Deiner Mutter "sprechen" möchtest, kannst Du das doch tun? Sicher tut es weh weil sie nicht mehr da ist, aber mit ihr reden kannst Du doch trotzdem noch.... ich rede am Grab immer mit meinem Vater. Irgendwie ist er noch da, hoffe ich.... und ich fühle mich ihm dort zumindest nahe.
Wünsche Dir alles Gute + viel Kraft
Kerstin
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