Lieber Mario,
mein Lieber. Tantenhaft könnte ich sagen – wie schon einmal – es geht vorbei. Das tut es wirklich, da es momentan aber nicht nützt ist die Aussage unnötig wie ein Kropf.
Vielleicht beruhigt es Dich ein wenig, wenn ich Dir sage, dass alles, wirklich alles, was du empfindest völlig normal ist.
Unmittelbar nach dem Tod meiner Mama, beim und nach dem Begräbnis war ich erstaunt, dass ich nicht zusammenbreche, dass ich das überlebe. Sogar ganz gut.
Und so ergeht es vielen.
Dann vergeht Tag um Tag, es werden Wochen, auch Monate und Du wirst Dir das denken, was ich hier auch schon geschrieben habe: heute ist wieder ein Tag und ich muß und werde ihn irgendwie durchleben.
Und irgendwann trifft einem mit voller Wucht die Erkenntnis, dass der „andere Zustand“ das Leben ohne Mama, ohne den Verstorbenen, nun für immer, immer sein wird. Und wie ein kleines Kind hat man ein Gefühl in sich, jetzt war ich so lang brav, ich hab mich so bemüht, hab alles getan, jetzt muß es doch genug sein, jetzt muß es doch wieder anders werden.
Ich kenn das alles Mario. Ich weiß, wie weh es tut. Ich wollte, ich könnte Dir etwas sagen, etwas geben, Dir Erleichterung und Trost schenken.
Rede, schreibe über Mami, über Deine Trauer. Beschäftige Dich mit ihr. Schreib für Dich auf, was Du an Erinnerungen hast, mach eine Collage mit Bildern von ihr. Mach einmal, wenn Du Zeit hast, etwas mit Deiner kleinen Nichte. Besuch jemanden, den Mami kannte und gern hatte. Lauf ein bisschen, oder geh recht flott, aber lauf der Trauer nicht davon.
Ich verspreche Dir: der Schmerz wird linder werden und so wie alles war, mit Dir, mit Euch und Eurer Mama kann es gar nicht anders – als gut – werden. Sie wird in Euch sein, für immer, es dauert nur noch ein bisschen. Noch bist Du ganz voll von Verlust, Trauer, Schmerz, es ist noch nicht Platz genug. Aber „ZEIT“ spielt in diesem Fall keine Rolle, Du hast soviel davon, wie Du brauchst.
Isa kehrt wohl schon die Scherben auf, wenn noch eine Tasse übrig ist, mach Dir eine heiße Schokolade!
von Deiner Tante Briele