Hallo meine Lieben,
ich schreibe euch noch schnell etwas, bevor ich gleich bis Montag bei meinen Großeltern "verschwinde".
Lieben Anne, ich hab mich so gefreut, zu lesen, daß es Dir und vor allem Deiner Mama wieder richtig gut geht.

Besonders nach den ganz schlimmen Wochen, die ihr in der letzten zeit durchmachen mußtet, habt ihr Euch den Grund zur Freude über die tollen Ergebnisse ganz arg verdient. Ich hoffe und wünsche Euch, daß ihr euch jetzt richtig gut von den ganzen Strapazen erholen könnt und die Stimmung bei Euch weiterhin so positiv und hoffnungsvoll bleibt, das gibt Deiner Mama auch ganz viel Mut und Aufschwung.
Liebe Ylva, danke für Deine liebe PN, ich werde Dir antworten, wenn ich wieder zurück bin.
Ich muß jetzt mal von hier flüchten. Es herrscht mal wieder das totale Chaos. Meine Mama bekommt nächsten Donnerstag die 2. Chemo. Davor hat sie große Angst, weil sie das in ihrem heilungsprozeß wieder weit zurückwerfen wird. Und die Stimmung hier ist so oft wieder ganz unten. Mein Bruder ist psychisch wieder völlig fertig, und er läßt seine ganzen Launen an uns aus. Und er geht einfach kaum noch zur Schule. Ständig gibt es etwas, worüber sich meine Mama Sorgen machen muß.
Gestern abend war ich auf dem Geburtstag einer Freundin und es war so furchtbar. Ihre ganze Familie war da und es gab ein schönes Essen und alle waren glücklich und haben sich super verstanden. Die Mutter meiner Freundin hat eine kleine Rede gehalten und mir sind auf einmal die Tränen runtergelaufen, weil ich diese Glückseligkeit und heile Welt der anderen nicht mehr ertragen konnte. Ich kann gar nicht beschreiben, wie schlecht ich mich gefühlt habe. Warum kann es bei uns nicht auch wenigstens ein bißchen so sein? Bei ihnen ist das normal, und sie sehen es als selbstverständlich an, daß es so ist und können sich gar nicht vorstellen, daß es auch anders sein kann. Jetzt kann ich schon nicht mal mehr zu anderen in die Famlilie gehen, aber ich ertrag es einfach nicht mehr. Keiner versteht mich. Ich habe nur gesagt, daß es mir nicht gut geht wegen meiner Mama und bin nach Hause gegangen. Das haben sie schon verstanden, aber das war in dem Moment ja gar nicht der Grund. Es ging mir schlecht, weil mir in diesem Moment mit voller Wucht klarwurde, daß ich nie, nie wieder so schön und unbeschwert mit meiner Familie und meinen Freunden zusammensein werde und daß ich in einer für andere völlig fremden und einsamen Welt lebe. Es ist absurd, aber ich kann nicht mehr unter "normalen" Menschen sein, das wird mir jedesmal mehr bewußt. So schlecht wie ich mich gestern in dieser Situation gefühlt habe, geht es mir selbst dann nicht, wenn hier wieder alles zusammenbricht. Hier bin ich in meiner eigenen Welt. Es ist schlimm genug, das hier alles durchzustehen, aber dann noch der Glück der anderen zu sehen und es knallhart vor Augen geführt zu bekommen, wie schön das Leben sein könnte und wie ungerecht es zu uns ist, ist einfach zu viel für mich. Habe wieder sehr wirr geschrieben, ich hoffe, ihr versteht es.
Bis nächste Woche, hab Euch lieb,
Laura.