Kennt ihr das Buch "Hallo Mister Gott, hier spricht Anna"???
Ich habe es schon seit ich klein bin und es ist soooo toll und nachdenklich.
Möchte euch das Ende des Buches hier aufschreiben, es gefällt mir so gut:
Die Tage brannten nieder wie große Kerzen. Die Zeit schmolz und gerann zu nutzlosen, häßlichen Klumpen.
Zwei Tage nach Annas Begräbnis fand ich eine Schachtel, in der sie Samenkörner gesammelt hatte. Das gab mir Arbeit. Ich ging zum Friedhof und stand dort eine Weile herum. Wäre ich ihr nur näher gewesen, hätte ich mehr von ihr gewusst. Hätte ich...hätte ich...Ich streute die Körner auf die frisch aufgeworfene Erde und warf die Schachtel fort.
Ich wollte Mister Gott hassen, wollte ihn aus meinem Leben werfen. Aber er ließ sich nicht verscheuchen. Er wurde realer als zuvor. Ich konnte ihn nicht hassen, höchstens verachten. Gott war ein Idiot, ein Dummkopf ein Kretin. Er hätte Anna retten können, warum hatte er es nicht getan? Er ließ es einfach geschehen, und es war die unsinnigste Sache der Welt. Dieses Kind....es war noch nicht acht Jahre alt. Gerade als es....ach, zum Teufel.
Ich lebte weiter. Die Jahre vergingen. Manchmal zog der Geruch eines Holzkohlenfeuers durch meine Phantasie. Rübezahl, Knast-Willi, die verrückte Lilly, Anna und ich. Irgendwann geschah es, dass ich weinte. Ich weinte zum ersten Mal nach Jahren. Ich ging aus an jenem Abend und blieb die Nacht lang draußen. Wolken segelten. Vielleicht stimmte mein Kummer nicht? Vielleicht war Annas Leben vollendet gewesen? Vielleicht war alles gar nicht sinnlos, kein idiotischer Zufall?
Am nächsten Tag ging ich zum Friedhof. Ich wusste dass es nur ein kleines Holzkreuz gab und keinen Grabstein. Ich fand es erst nach einer Stunde. Ich atmete tief. Das Kreuz stand ein wenig schief, als sei es betrunken. Ich Farbe blätterte ab. Der Name war noch leserlich: ANNA
Ich wollte lachen, aber man lacht nicht auf einem Friedhof. Aber ich musste lachen. Ich lachte, bis mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich zerrte das Kreuz heraus und warf es in ein Gebüsch.
"Also gut, Mister Gott", lachte ich. "Du hast mich überzeugt. Guter alter Mister Gott. Du bist manchmal ein bißchen langsam, aber irgendwann kommt alles in Ordnung."
Auf Annas Grab wuchs ein Teppich von blutroten Mohn. Im Hintergrund standen Lupinen. Die Bäume redeten miteinander die Baumsprache. Anna war zu Hause. Sie brauchte keinen Grabstein. Eine Tonne feinsten Marmors würde diesen Platz nicht schöner machen. Ich blieb eine Weile stehen, und nach fünf Jahren sagte ich Anna zum ersten Mal:"Auf Wiedersehen"
Auf dem Rückweg kam ich an dem großen Marmorengel vorbei. Er versuchte noch immer seine marmornen Blumen auf das marmorne Grab zu legen.
"He du", sagte ich zu ihm, "gibs auf. Du schaffst das nie!"
Die eisernen Pforten öffneten sich. Ich sagte: "Die Antwort heißt >in mir drin, ganz in der Mitte<."
Und ein kurzer Schreck überfiel mich, als ich Anna sagen hörte:
"Und auf welche Frage ist das die Antwort, Fynn?"
"Das ist ganz leicht. Die Frage heißt >Wo ist Anna?<"
Ich hatte sie wiedergefunden. Und ich war sicher, irgendwo sahsen Mister Gott und Anna nebeneinander und lachten.
Schön, nicht???
Eure Anna