AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen
Lieber Gerhard,
das, was ich gerade von Dir gelesen habe, sind genau die Worte, auf die ich immer antworten wollte, aber es nie getan habe. Heute werde ich Dir antworten, auch wenn Dir die Antwort vielleicht nicht gefällt. Um es vorweg zu nehmen, verstehen kann ich Dich nur zu gut, denn auch ich war nach dem mein Pa gegangen ist suizidgefährdet. Ich möchte Dir lieber nicht erzählen, was ich so alles angestellt habe um ihm unaufällig zu folgen. Aber irgendwann habe ich mal nachgedacht, was er für mich wollte. Er wollte immer, daß wir (meine Ma und ich) glücklich sind. Auf keinen Fall wollte er uns leiden sehen. Wenn ich ihm folgen würde und wir uns dann wiedersehen würden, wäre er verdammt sauer, daß ich mein Leben einfach so weggeworfen habe. Außerdem glaube ich fest an ein Wiedersehen. Ich glaube aber auch daran, daß wir erst unser Leben auf Erden zu Ende leben müssen, damit unsere Seele in die nächste Ebene aufsteigen kann und ein Wiedersehen dann erst möglich wird. Aber auch das war nicht der Hauptgrund, der mich zur Besinnung gebracht hat. Was mich hier gehalten hat und mich auch weiter hier halten wird, ist die Tatsache, daß ich hier Verantwortung übernommen habe und es höchst egoistisch wäre meine Ma, meinen Freund und meine Tiere hier zurückzulassen. Vor allem würde ich ihnen das gleiche Leid zufügen, daß ich jetzt habe. Das möchte ich niemandem zumuten.
Du hast eine Tochter. Deine Tochter hat bereits ihre Mutter verloren. Wie soll sie damit fertig werden, wenn Du jetzt auch noch gehst ? Wie soll sie jemals mit den Vorwürfen fertig werden, die sie sich machen wird, wenn Du Deiner Frau folgst ? Du würdest ihr Leben zerstören und Du trägst für sie die Verantwortung, denn Du hast sie in die Welt gesetzt.
Auch mir geht es noch immer nicht gut, obwohl es jetzt schon 1 Jahr und 6 Tage her ist. Ich bin an dem Tode meines Vaters zerbrochen, aber ich kämpfe weiter und hoffe, daß auch für mich die Sonne irgendwann wieder scheint. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, daß meine Ma ihm folgen würde. Ich weiß nicht, was ich machen würde.
Lieber Gerhard, fahr zur Reha. Das ist keine Flucht. Es ist mutig, zu versuchen wieder in das Leben zurückzufinden. Denn das ist es, was sich auch Deine Frau von Dir wünscht. Schau Dich um, es gibt viele Leute (auch hier), die sich wirklich Sorgen um Dich machen.
Liebe Grüße
Marion
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