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Alt 03.02.2006, 11:35
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kleiner Bär kleiner Bär ist offline
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Standard AW: Thread für junge Angehörige von Krebskranken

Hallo Nadja!

Ich habe eben gelesen, was Du geschrieben hast. Ich bin zur Zeit in einer vergleichbaren Situation. Mein Vater hat, für uns alle völlig überraschend, die Diagnose Lungenkrebs bekommen. Wir wissen nicht, wie viel Zeit er noch hat, ob die Therapie anschlagen wird... ich kenne dieses Gefühl, dass die Welt zusammenstürzt, dass diese Traurigkeit nicht verschwindet, ganz egal, ob man darüber redet oder nicht.
Ich selber muss gerade jetzt meine Abschlussarbeit an der Uni schreiben - und komme gar nicht weiter damit. Nachdem die Prüfungen gut angefangen hatten, kam die Nachricht über meinen Vater - und ich konnte mich auf einmal auf nichts mehr konzentrieren.
Ich habe auch etwas gezögert, aber dann (auf den Rat meines Vaters hin!) mit dem Professor, bei dem ich die Prüfungen ablege, geredet. Der hatte sich auch schon gewundert, wieso ich nach einem guten Prüfungsbeginn plötzlich so nachgelassen hatte. Aber als ich ihm alles erklärte, war er voller Verständnis und hat mir seine Unterstützung angeboten. Ich habe ihm gesagt, dass es zur Zeit schwierig für mich ist, so viel Zeit und Energie aufzuwenden, für die Prüfungen, wie ich es tun wollte und müsste. Dass ich es auf jeden Fall versuchen werde, aber dass ich ganz ehrlich nicht weiter weiß. Er hat sofort mit mir zusammen überlegt, was er tun kann, damit ich die Prüfung doch noch schaffe.
Für mich ist es jetzt einfacher, weil ich weiß, dass er etwas Rücksicht nehmen wird, wenn ich Termine nicht so einhalten kann, wie ich möchte, und ich fühle mich besser, weil er einfach weiß, dass es nicht an meiner "Faulheit" liegt, wenn die Sache nicht so gut läuft, wie sie sollte.

Ich würde Dir also, aus meiner Erfahrung heraus, raten: sprich mit Deiner Mutter. Wenn sie einverstanden ist, solltest Du Deinen Lehrern vielleicht doch ganz offen sagen, wie es zur Zeit in der Familie aussieht. Das die Situation schwierig ist. Dass Du Dein Bestes tun wirst, um ein gutes Abi zu machen, aber dass Du zur Zeit einfach nicht so viel Zeit und Energie für die Schule aufwenden kannst, wie Du gerne möchtest.
Wenn Du sie darum bittest, werden sie es sicher vertraulich behandeln und nicht weitererzählen, aber sie können dann vielleicht helfen. Nicht, indem sie offen Mitleid haben - du kannst ihnen ja auch sagen, dass du das nicht möchtest. Aber vielleicht fällt euch gemeinsam etwas ein, das es Dir leichter machen würde, das Abi doch noch einigermaßen gut zu bewältigen!
Ich wünsche es Dir so sehr!

Wir können unseren Eltern leider nicht so gut helfen, wie wir gerne würden. Man wünscht sich so sehr, man würde aus diesem Albtraum aufwachen, und kann es nicht. Man möchte am liebsten sagen: "Ich geb Dich nicht her! Ich mach Dich gesund!"
Leider geht das mit dem Gesundmachen nicht so einfach...
Aber wenn man sich den Alltag gerade jetzt, wo es schwierig ist, bei diesen Kleinigkeiten erleichtert - vielleicht bleibt dann mehr Kraft für die wirklich wichtigen Dinge? Für die Zeit, die man gemeinsam hat? Ich weiß es auch nicht! Ich hoffe, es geht wieder aufwärts bei Euch!
Gruß, und alles, alles Gute für Dich und Deine Mutter!

Dein kleiner Bär
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"Wenn die Strömung gegen dich ist und du am Ende deiner Kräfte bist, hör auf zu denken, hör auf zu sehen und zu hören, hör meinetwegen auch auf zu hoffen, aber hör niemals auf zu atmen und zu schwimmen!"
(Jörg Kastner)

Geändert von kleiner Bär (03.02.2006 um 13:47 Uhr)