AW: Chemo-Ja oder Nein?
Hallo Yelmara,
der Vergleich Deines Arztes mit Contergan hat mich den ganzen Abend beschäftigt - und letztlich geärgert, weil er total hinkt.
Contergan wurde Ende der 50er Jahre bis Anfang der 60er vertrieben. Wie alt ist Dein Arzt denn dann schon, wenn er es noch selbst verordnet hat?
Er macht sich also heute noch Vorwürfe, vor über 40 Jahren ein damals sehr gängiges und zugelassenes Medikament verschrieben zu haben? Dessen schreckliche Nebenwirkungen hätte man damals ja nur vorab testen können, wenn man es absichtlich an Schwangeren ausprobiert hätte - das kann ja wohl niemand ernsthaft vorschlagen!
Ich will auch die Nebenwirkungen von Contergan nicht bagatellisieren, aber jedes Medikament kann Nebenwirkungen haben. Mein Vater hatte eine Gehirnblutung, die ihn fast umbrachte; sie war deshalb so schwer, weil er regelmäßig Aspirin genommen hatte, um das Blut dünn zu halten, um z.B. auch eine klassischen Schlaganfall zu verhindern. Dumm nur, dass dünnes Blut bei einer Hirnblutung natürlich genau falsch ist. Aber deshalb werde weder ich noch sonstwer Aspirin abschaffen wollen!
Wenn Dein Arzt seit 40 Jahren neuen Medikamenten gegenüber skeptisch ist (nur ist gerade Contergan da ein schlechtes Beispiel, denn "neu" war es ja schon gar nicht mehr), ist er im Bereich Krebs definitiv falsch. Wenn da heute noch so behandelt würde wie früher, dann Gute Nacht.
Noch zum Chemosensitivitätstest.
Wenn ein schon heute gängiger Test so einfach und präzise vorhersagen könnte, ob eine Chemo wirkt, dann wäre der sicher längst von den Krankenkasssen etc. zur Pflicht gemacht worden, schliesslich könnte man pro Patientin Zehntausende Euro einsparen, wenn man die Chemo ausfallen lassen kann.
An brauchbaren Daten, welche Tumore auf welche Behandlung ansprechen, wird geforscht, gerade auch mithilfe der Studien. Aber serienreif ist da eigentlich wenig, siehe auch die jüngsten Meldungen vom Deutschen Krebsforschunsgzentrum und Fachliteratur. Auch insofern bin ich skeptisch, was Deine "einfachen" Ärzte da überhaupt für einen Test gemacht haben könnten und was der wirklich taugt. Besonders wenn das Ergebnis besagt, dass Chemo nichts bringt, wäre ich erst mal skeptisch, wenn dieses Ergebnis die Konsequenz hat, dass eine Möglichkeit nicht genutzt wird, eventuell Dein Leben zu verlängern.
Komisch, da hat Dein Arzt keine Bedenken?!
Je länger ich drüber nachgrüble, desto seltsamer finde ich das Ganze.
Auch deshalb kann ich mich Susanne und Viola nur anschliessen:
Unbedingt eine fundierte (!!!) Zweitmeinung einholen.
Übrigens ist es mit dem Einnehmen von Herceptin (oder Chemo-Medikamenten) nicht getan. Wichtig ist auch das Drumherum, gerade damit man bei Nebenwirkungen Ärzte zur Hand hat, die sich damit auskennen, und zwar am besten 24 Stunden am Tag und auch am Wochenende. Das kann ein normaler Hausarzt oder Gynäkologe doch in seiner Praxis überhaupt nicht gewährleisten.
Ich weiss, dass es unheimlich viel verlangt ist, sich in kurzer Zeit zur fast-Expertin zu mausern, aber mir hat es damals nach der Diagnose dann auch viel viel viel Kraft gegeben zu sehen, dass ich das packe, dass ich mich auf die Hinterbeine stellen kann, dass ich keine passive Marionette bin, die von anderen bewegt wird; und vor allem, dass ich mir zugestehe, dass nun nur noch das Beste gut genug ist.
Und das gilt für jede von uns, auch für Dich!
Renate
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