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Alt 16.05.2006, 16:24
Sabine K Sabine K ist offline
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Standard AW: Psychische Folgen Hirntumor OP

Liebe Lamandarina,

die Bücher sind, natürlich habe ich nicht alle gelesen, aber sicher alle lesenswert. Mir haben besonders gut gefallen: Interviews mit Sterbenden, Leben bis wir Abschied nehmen und Leben nach dem Tod.

Beeindruckt war ich auch von einer Kino-Dokumentation von Kübler-Ross. Sie war ein beeindruckende Frau und wenn man ihr richtig zuhört, oder auch ihre Bücher liest, dann verliert man ein klein wenig die Angst vor dem Sterben.

Aber das Alles wird Dich, logischerweise, im Moment sicher nur schwer trösten. Du bangst ja um Deine Mama und das ist ganz schön schrecklich, obwohl ich es noch nicht erlebt habe.

Nun, Du wolltest wissen, wie ich mit dieser schrecklichen Krankheit bei meiner Schwester fertig geworden bin. Eigentlich gar nicht. Erst fällt man in ein riesiges schwarzes Loch. Morgens beim ersten Gedanken daran, hofft man, dass es nur ein Traum war. Irgendwann habe ich nach Möglichkeiten gesucht, ihr doch noch zu helfen. Aber da gab es keine. Der schlimmste Moment war damals, ihr zu sagen, dass wir sie in ein Hospiz bringen. Sie hat dann garnz furchtbar geweint. Das werde ich nie vergessen. Aber sie zu Hause zu pflegen, dass hätten wir niemals bewerkstelligen können. Wir haben sie dann jeden Tag mehrere Stunden besucht. Dort waren wir dann ganz für sie da und wurden nicht durch Telefon, Kinder, Hunde u.s.w. gestört. Diese Stunden gehörten uns. Durch Anregung der Bücher und eines Seelsorgers hatte ich dann irgendwann den Mut, mit ihr über DAS GEHEN zu sprechen. (Sie war ja komplett gelähmt und konnte nicht mehr sprechen) Aber sie konnte mir Zeichen mit den Augen geben. Ich habe versucht, alles noch mit ihr zu klären. Ich habe versucht, ihr den Abschied leicht zu machen. Nur ihren größten Wunsch, noch einmal nach Hause zu kommen, den konnte ich ihr nicht erfüllen. Kein Krankentransport wollte die Verantwortung übernehmen. Aber dann hatte ich eine Idee. Ich habe ein Video aufgenommen und alles gefilmt. Ihr (unser gemeinsames) Zuhause, ihre Tiere, das Grab ihres Mannes (der 2 Jahre vorher m. 49 gestorben war), ihren Arbeitsplatz, ihre Kolleginnen -die ihr mit Kaffeebecher zugeprostet haben u.s.w. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie glücklich sie über diesen Film war, auch wenn sie zwischendurch viel geweint hat.

Ich habe immer gebetet, dass sie endlich gehen darf. Dieses Leid zu ertragen war oftmals nicht auszuhalten. Aber ich wußte auch, wenn der Tag kommt, dann falle ich wieder in ein tiefes Loch.

Im kommenden November ist sie 3 Jahre tot. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke. Sie war meine allerbeste Freundin und mit ihr konnte ich über alles reden. Aber dann denke ich immer daran, wie sehr sie gelitten hat und das es egoistisch wäre, sie länger behalten zu wollen. Und nur das ist für mich ein Trost.

Und ich glaube fest daran, dass sie da oben irgendwo ist. Das sie unser Leben weiterhin begleitet, auch wenn ich sie nicht sehe. Und irgendwann wird sie mich holen, aber das kann noch ganz lange dauern, denn ich freue mich wieder üben jeden schönen Tag.

Der Schmerz vergeht nie - aber er verändert sich.

Sei für Deine Mama da und zeige (sage) ihr, wie lieb Du sie hast. Sei auch für Deinen Vater da und für Dich selbst. Man kann unendlich stark sein, wenn man gebraucht wird, das hält man manchmal gar nicht für möglich.

Sei lieb gegrüßt

Sabine
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