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Alt 01.07.2006, 20:11
manu_k manu_k ist offline
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Standard AW: Selbsthilfegruppe Zungenkarzinom

Mein Seelenstriptease

Hallo Lisa,

vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast mir zu antworten.
Du hast meine Situation richtig beschrieben und auch die richtigen Worte gefunden.

Ich bin 24 jahre alt, als mein Freund krank wurde war ich 22, da sind wir nach 2 wunderschönen Jahren Fernbeziehung zusammen gezogen und haben 1 glückliches Jahr in unserer schönen Wohnung verbracht bis das Unglück über uns hereinbrach.
Es ist so unfair, andere rauchen und saufen den ganzen Tag, sind schlechte Menschen und werden steinalt und mein Freund wollte sich schon fast von mir trennen damals, weil ich hin und wieder geraucht habe und er es gehasst hat weil er Angst um meine Gesundheit hatte.

An professionelle Hilfe für mich habe ich auch schon gedacht aber die kann mir auch nicht geben was ich brauche, die kann mir allenfalls helfen mit der Situation besser klar zu kommen.Ich bin eine starke Persönlichkeit und ein guter Mensch, so bin ich erzogen worden udn wenn ich einen Mensch lieb gewonnen habe, dann richtig. Ich bin ein sehr hilfsbereiter und verlässlicher Mensch.
Sei doch mal ehrlich, es gibt nur eins was helfen kann und das ist Gesundheit. Wenn es meinem Freund gut geht, geht es mir auch gut udn umgekehrt. manchmal sind es nur Kleinigkleiten, die die Sonne wieder strahlen lassen. Zum Beispiel, wenn ich von Arbeit komme udn mein Freund macht irgendwas udn liegt nicht halb tod auf der Couch, dann könnte ich die Welt umarmen.
Mein Freund und ich haben keine Beziehungsprobleme im Sinne von dass wir uns nicht verstehen, nur streiten oder sowas, halt Probleme zwischen Mann und Frau.
Es ist Körperlich, er kann einfach nicht mehr. Er kann nicht mit mir weg, wir können nix unternehmen, er kann nicht sprechen, er kann nicht essen,wir haben keinen Sex, wir können nicht mal richtig kuscheln wegen seinem Tracheostoma außerdem schläft er ständig ein und es tut mir alles so Leid und in der Seele weh was er alles mitmachen muss. Wir leben wie ein alten Ehepaar.
Er war anfangs auch so stark aber jetzt sind wir beide labil geworden, er weint schnell und ich werd schnell zickig.Ich bin auch so ungeduldig geworden, hab auch Ansätze von Kontrollzwang weil ich Sicherheit brauche, dann habe ich das Gefühl die Sache besser im Griff zu haben.
Ich bin so fixiert auf ihn aber auch weil er mich braucht und ich ihn brauche und ich habe manchmal das Gefühl ich bin krank.
Man kann sich mit allem arangieren, wir tun alles um uns das Leben leichter zu machen...wir haben wirklich alles im Griff und gut organisiert, seine Eltern sind auch immer da. ABER Die Dauer, wie lange kann man sowas aushalten, wie lange kann eine Beziehung sowas aushalten. ich leide immer mehr und ein Psychologe kann meinen Freund nicht gesund machen, denn das ist das einzige was mich glücklich udn wieder zufreiden machen würde.

Es macht mich glücklich wenn mir mein Freund Aufmerksamkeit schenkt aber es ist so dass er schon einschläft wenn er mir die Füsse massiert...ich habe einfach nix mehr von ihm.
Ich sehne mich nach seinen Berührungen an alles das was mich früher so glücklich gemacht hat. Es ist komisch, ich sehne mich nach Zärtlichkeiten aber es treibt mich nicht in die Arme eines anderen, obwohl ich schon dran gedacht habe aber ich liebe meinen Freund so sehr dass ich nur ihn will und keinen anderen und ich habe deswegen auch Geduld udn viel Verständnis auch wenn es mich innerlich abstumpft.
Er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, er hat mich sich selbst genug zu kämpfen.
Sein Zustand ist so, dass er es zu den Ärzten schafft und abends ein Spaziegang zu mir.An ausüben von Hobbys ist nicht zu denken, unmöglich, keine Energie.
Sonst sind wir mittlerweile an unsere 4 Wände gebunden, können nicht lange weg.
Wir versuchen ja so viel wie möglich zu machen, dann nehmen wir sein ganzes Zeug mit aber die Momente sind selten. 4 von 7 tagen schläft er nur durch, weil er so kaputt von der Chemo ist.
Auch wenn ich was unternehmen wöllte fehlt mir ehrlich gesagt die Energie in einen Verein oder sowas zu gehen. Körperlich zerrt es auch an meinen Kräften.Einerseits fehlen mir Freunde aber andererseits will ich keine neunen Menschen kennenlernen.Ich bin manchmal von Neid auf andere zerfressen, echt krank mittlerweile. Man sieht mir ja auch so nix an, dass ich eine schwere Zeit durchmache, würde mir keiner glauben. Ich mache es auch anderen Leuten schwer, weil ich oft dicht mache wenn ein seltenes Angebot kommt und alles abblocke und arrogant wirke.Die würden eh nicht zu mir nach Hause kommen auf meine Krankenstation, es gibt nicht viele Menschen, die sich gerne mit Kranken umgeben udn dabei unbeschwert sind.
ich habe mich sehr gut mit meiner lieben Kollegin angefreundet und sie wollte mich immer mal besuchen kommen, mittlerweile hat sie drei Einladungen ausgeschlagen, was mich verletzt und traurig gemacht hat aber ich zeig es nicht, auf Arbeit bin ich eh als wäre nix.Dort tanke ich aber auch meine Reserven wieder voll.
Irgendwie will keiner schlechte Nachrichten hören, wenn ich mir nix anmerken lasse, denken alles, es wäre alles ok.

Ich zerreisse mich in meinem Job, weil ich ein paar Stunden weniger arbeite und Angst habe das meine Chefin mir den Lohn kürzt und die Arbeit zu Hause bleibt auch an mir.
Der Zustand meines Freundes hat sich ja in den letzten Wochen etwas gebessert, er versucht sein möglichstest aber man kann ihn nicht lange allein lassen.
Und ich will nicht ohne ihn, es würde mir keinen Spaß machen, ich weiss es. Ich kann nicht unbeschwert irgendwo hin mit irgendwen... dann hab ich ein schlechtes Gewissen...ich weiss doch nicht wie lange wir noch was von uns haben.
Gerade waren wir bei Obi... er hat sich mir zu Liebe dorthin geschleppt, jetzt ist er völlig fertig.
Das was mir am meisten zu schaffen macht ist das ich mich als Geliebte nicht mehr wahrgenommen fühle. Die Liebe mit allem drum und dran war für uns sehr wichtig und jetzt fühle ich mich nicht mehr begehrt, er kann mir einfach nicht mehr geben wonach ich mich sehne und ich habe unendlich Geduld. Ich wollte mit mitte 20 gerne Mutter werden, wir hatten es indirekt geplant, und wie du schon sagstest man hat so viele Pläne wenn man jung ist, hat sein Leben noch vor sich und ich meinte ich hab den Mann gefunden mit dem ich glücklich alt werden kann.
Du beschreibst das richtig, für jeden ist so ein Schicksal hart aber ältere Menschen haben schon Kinder groß gezogen und viele Jahre ohne Krankheit gehabt, die gehen mit ihrem schicksal anders, ich will nicht sagen besser, aber anders um.
ich fühle mich von wem auch immer (Gott will ich nicht sagen, weil ich ohne Bekenntnis bin) um meine Jungend betrogen, warum wir?
Es sind auch die kleinen alltäglichen Dinge, die es uns schwer macht. Es wirft unglaubliche Probleme auf dass mein Freund nicht Essen kann.
Essen spielt im Leben der Menschen eine große Rolle.



mein Freund liebt mich abgöttisch, er würde sterben wenn ich gehe, es ist wirklich so.
Er ist so ein lieber Mensch und das lässt mich den Verzicht ertragen.

Meine Eltern leben ja weit weg und bekommen nicht alles mit bei uns, wir telefonieren aber fast jeden Tag aber die leiden auch weil ich so viel durch machen muss, Eltern wollen ihre Kinder beschützen. das belastet mich auch wiederum, mein Mutter hätte am liebsten dass ich wieder zurück komme aber sie akzeptieren mein Entscheidung für meinen Freund da zu sein.Wie soll das auch gehen, ich habe keine Wahl. So wie es ist muss es sein.

Bei einem könnte ich mir aber psycholigische Hilfe vorstellen.
Nicht um meine jetztige Situation zu verbessern, sondern um das erlebte zu verarbeiten. Ich habe echt schlimme Sachen gesehen und erlebt, Extremsituationen durchgemacht, z.b. als mein Freund im Koma lag. Ich denke dass es mir helfen könnte darüber zu reden aber dafür ist die Zeit noch nicht reif, das würde mich jetzt noch weiter zu sehr belasten.

Als ich mit meinem Freund drei Wochen mit in Rheha war hatte ich die Möglichkeit psychologischer Hilfe, ich konnte nicht, ich hatte konkrete Angebote, weil wir Aufmerksamkeit auf uns gezogen haben udn dort die einige Leute einen Bliock dafür hatten aber ich hielt es nicht für richtig, ich glaube es war auch nicht die richtige Person.
Sich hier anonym auszukotzen ist viel leichter als von Aug zu Aug mit einem Fremden.

Mein Freund weiss dass er versuchen muss mehr Verantwortung wieder zu übernehmen aber er fühlt sich schnell überfordert.
Wir können nur hoffen, dass es weiter bergauf geht... er kann ja wieder etwas sprechen, das hilft schon ungemein.

In einer Woche sehe ich sicher wieder alles leichter und weiss die schönen Dinge des Lebens wieder mehr zu schätzen udn bin zufriedener mit dem was ich habe.

Ich bin in meinen letzten beiden Mals sehr persönlich geworden und weiss auch nciht ob das gut ist, vielleivht wundern sich einige über meinen Seelenstriptease aber mir geht es jetzt schon etwas besser weil es irgendwie zum Teil raus ist, ...einfach hingeschrieben udn erstmal weg...(ich habe bestimmt auch ziemlich durcheinander geschrieben)

ich möchte eifach mal ein DANKE hier reinwerfen...überhaupt dass wir in einer Zeit leben in der es solche Foren gibt.

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