AW: Tonsillenkarzinom
Hallo Klapustri, Wilfried S., Grobi, Birgitt und Doris,
zwar habe ich kein Tonsillencarcinom, aber meine Halslymphknotenmetastasen (bei unbekanntem Primärtumor) wurden ähnlich behandelt wie bei den von Euch beschriebenen Problemen.
Gleichzeitig zur Chemo (5x 5 FU und 5x Cisplatin) bekam ich täglich Bestrahlungen, insgesamt 40 (80 Gy) auf den Hals "gedonnert und geblitzt". Die ersten 35 Behandlungen waren noch einigemaßen erträglich, nur Rötungen und leichte Verbrennungen im Halsbereich, ab dann wurde nur noch das rohe Fleisch bestrahlt. Dank guter Beratung habe ich mir eine PEG-Sonde legen lassen, so war das Problem "Essen" für mich passé. Meine Zimmernachbarin mit der gleichen Behandlung hat sich gegen die Sonde ausgesprochen und saß täglich frustiert und heulend vor ihren Suppen, Schleim und Brei. Ich war heilfroh, dass ich mich für Sondennahrung entschieden hatte. So nahm ich auch nicht ab und konnte mir das Ekelgefühl ersparen, das die normale Essensaufnahme mit sich bringt. Leider war ich so leichtsinnig, mir die Sonde zu früh entfernen zu lassen. Von da an ging es mit dem Gewicht rapide bergab. Ich war ja vorher schon sehr schlank, dann verlor ich nochmals 12 kg und sah aus wie... na ja, ich sag's lieber nicht.
Die Stimme war lange weg, ich hätte mir nicht einmal einen Notarzt am Telefon holen können. Durch die Bestrahlung war auch ein Teil der Lungenspitze angegriffen, was stundenlange Hustenanfälle mit Erstickungsängsten zur Folge hatte. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass sich der Zustand jemals bessern könnte. Abgeschlossen waren Radio/Chemo im Februar 2005. Am 7. April 2005 wurde eine Neck-dissection durchgeführt, wobei mir über 80 Lymphknoten entfernt wurden. Einen Tag nach der OP bekam ich einen Lymphstau am Hals, der die Größe eines ausgewachsenen Huhns hatte. Nach einer anschließenden Kortisonbehandlung klang der Lymphstau etwas ab, aber das ganze Gesicht war aufgedunsen.
Und jetzt das Erfreuliche und für mich in der damaligen Zeit unglaublich: ich kann wieder essen! Ohne Ekelgefühl, nichts schmeckt mehr metallisch, nie wieder werde ich etwas essen, was mir nicht schmeckt, ich zelebriere jede einzelne Mahlzeit und habe so viel an Lebensqualität zurück erhalten, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen. Was noch vorhanden ist, ist die Mundtrockenheit, die sich jedoch auch in Grenzen hält dank Kinderkaugummi und zuckerfreien Bonbons. Leider waren alle meine Zähne völlig demineralisiert und mussten allesamt runtergeschliffen und überkront werden. Dem Rat der Ärzte, sie vor der Radio ziehen zu lassen, bin ich nicht nachgekommen und bin im Nachhinein froh darüber. An den Kosten der Totalsanierung kaue ich noch eine Weile. Dafür kann ich aber wieder zubeißen. Scharfe Sachen sind weiterhin tabu, aber damit lässt es sich prima leben.
Die Zeit bis zur Linderung ist unterschiedlich. Bei allen, die ich hier getroffen habe im KK ging es wesentlich schneller. Ich brauchte ungefäht ein dreiviertel Jahr. Als ich von den anderen hörte, dass sie schon eher essen konnten, dachte ich, bei mir bliebe es ein Dauerzustand. Also: nicht die Flinte ins Korn werfen, wenn der Eine oder Andere schneller wieder fit ist.
Da ich zuerst die Radio bekam und dann erst die Neck-dissection (bei allen anderen hier im KK wurde meistens zuerst die Neck-diss. vorgenommen, dann die Bestrahlung), wurde der Schnitt ins verbrannte Gewebe gemacht mit dem Ergebnis, dass auch die Heilung des Halsgewebes viel komplizierter war. Dank fortgesetzter Krankengymnastik, Lymphdrainage und Morphiumpflaster halten sich die Schmerzen in Grenzen und ich kann mein Leben wieder genießen. Bin eigentlich nur noch im Urlaub - so lange das letzte Geld noch reicht.
Mit Fresubin habe ich gute Erfahrungen gemacht und mich damit hauptsächlich ernährt. Bekam ich auf Rezept und von der Krankenkasse bezahlt.
Ich hoffe, Ihr Betroffenen verliert Euren Mut nicht - ich wurde hier im KK auch mit vielen hilfreichen Tipps versorgt und bin sehr dankbar dafür. Besonders Raipa! He, Du alter Spanier - freue mich, dass es Dir so gut geht und Deinen Humor beibehalten hast! Schön, dass Du auch wieder im Land bist. Hat die Paella geschmeckt? Ich war in der Zeit auf Island und habe alle möglichen Fischgerichte in mich reingestopft und das in Dänemark fortgesetzt. So habe ich auch wieder sowas wie "Figur" bekommen und immerhin 7 kg zugenommen. Bin richtig stolz auf mich. Hej, hättest mich mal am Strand sehn sollen: voller Galopp auf nem Islandpferd - oder im Tölt, die beste Gangart eines Pferdes. Bin richtig auf den Geschmack gekommen und werde demnächst auch zu Hause wieder reiten, nachdem ich herausgefunden habe, dass es hier in der Nähe eine Isländerzucht gibt.
Euch allen, die noch an den Wirkungen der Radio leiden, wünsche ich baldige Besserung und dass die Schmerzen nicht allzu groß werden.
Liebe Grüße
Geli
P.S.: liebe Manu, ich denke oft an Dich! PN folgt demnächst
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