Einzelnen Beitrag anzeigen
  #325  
Alt 02.03.2003, 01:00
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Forum für Angehörige UND Betroffene

Hallo Brigitte,
es ist schön, daß Du Deine Gefühle, Deine Krankheit betreffend, hier so äußern kannst. Ich danke Dir sehr dafür!
Weißt Du, hier treffen zwei "Welten" aufeinander. Niemand, der nicht selbst betroffen ist, kann jemals nachvollziehen, was im tiefsten Innern eines krebskranken bzw. unheilbar kranken Menschen vorgeht. Auch nicht, wenn man in einer Beziehung lebt und sich noch so sehr liebt. Ich, als Angehörige kann nur versuchen, zu akzeptieren, was geschehen ist. Es ist sehr schwer und wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, wünschte ich mir, ich hätte öfter ein Gespräch gesucht. Denn ich bin diejenige, die verdrängt hat, es nicht wahrhaben wollte, bis zum Schluß geglaubt hat, es könnte wieder gut werden. Heinz hat das sicherlich gewußt, er kannte mich zu gut. Siehst Du, das meine ich mit den "Welten". Die eine ist der/die Kranke, die andere ist der/die Angehörige. Jeder geht anders damit um.
Vielleicht war ich auch mit der ganzen Situation überfordert. Ich glaube, das ist bei Angehörigen meistens so. Deshalb finde ich es schon wichtig, wenn man in der Lage ist, über alles zu reden (aus meiner Sicht).
Es ist schon erstaunlich, wie Du zwischen den Zeilen lesen kannst, wie einfühlsam Du bist. Ich war sehr betroffen über das, was Du geschrieben hast, was in Heinz vorgegangen sein könnte. Mir liefen einfach die Tränen und deshalb schreibe ich auch jetzt erst. Ich denke nämlich, daß Du es richtig siehst. Mal abgesehen von dem "geniessen". Das weiß ich nicht so genau. Aber alles andere, ja. Er konnte seine Gefühle nicht sehr gut mitteilen, obwohl er es in der letzten Zeit öfter getan hat, als sonst. Er hatte auch eine bestimmte Vorstellung von Beziehung, die ich mit ihm teilen konnte, weil ich auch so denke. Z.B. hat er mir letztes Jahr, also Weihnachten 2001 eine Karte geschrieben und DANKE gesagt für folgende Dinge: Hilfe und Unterstützung, Fürsorge und Verständnis, Nähe und Distanz, Festhalten und Loslassen.
Und so habe ich es weiterhin gehalten. Manche Dinge habe ich auch einfach über seinen Kopf hinweg entschieden, aber ich wußte, einmal getan, hat er es akzeptiert. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen, denn er hat mir gegenüber das Gleiche getan, eben unserer Einstellung entsprechend.
Deshalb fiel es mir auch leicht, bei ihm zu bleiben, obwohl er es nicht wollte. Als das Bett für mich in sein Zimmer gestellt wurde und ich ihm sagte: "Ich bleibe ab jetzt bei Dir", schüttelte er nur mit dem Kopf und wandte sich ab. Ich wollte ihn nicht alleine lassen!

Warum erzähle ich das alles? Hab noch viel zu verarbeiten, als Angehörige eben. Verstehst Du, was ich meine? Niemals hätte ich ihn von mir aus mit Gesprächen gequält, die er nicht gewollt hat. Daher kann auch nicht pauschalisiert werden , wie man mit der Wahrheit umgeht. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, wir haben uns nie belogen. Aber ich
KONNTE es ihm nicht sagen. Noch heute plagt mich mein Gewissen deswegen. Andererseits denke ich, hätte er darauf bestanden, mehr von dem Gespräch mit dem Arzt zu erfahren.

Brigitte, es ist soooo schwer, je länger der Zeitraum wird, desto mehr vermisse ich ihn.
Du hast auch eines richtig erkannt: Er wollte mich nicht traurig sehen, er hat vieles vor mir verborgen, ganz sicher. Er wollte mich nicht belasten, wollte mich schonen, so wie er es immer getan hat.

Ich könnte noch so vieles schreiben, aber jetzt ist genug. Ich hoffe, ich bin nicht zu anstrengend für Dich. Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, jeden Tag.

Laß’ Dich ganz fest umarmen und danke, dass Du geantwortet hast.

Ganz liebe Grüße
Gertrud (Mucki)
Mit Zitat antworten