AW: Stammtisch
Fünf Jahre war ich, als mein Bruder starb und Trauer einzog in mein Leben. Alleine mit meinem Schmerz, hatte ich an anderer Stelle schon erzählt, nicht wahrgenommen in meiner Trauer. Zu klein, um zu verstehen, war wohl der Gedanke damals. Auch zu klein zum Fühlen? Wohl nicht!
Damals bereits fragte ich mich: Wäre es ihnen lieber gewesen, dass ich gestorben wäre? Auch mit dieser Frage, mit diesen Gefühlen: alleine.
Schon damals ein schlechtes Gewissen: Ich darf leben, er ist tot.
Hätte ich mir mein Leben verbieten sollen, damals? Auf all das, was er nicht erleben durfte, verzichten? Welche Konsequenz hätte das gehabt? Mein Leben wäre sehr arm gewesen ohne Lachen, ohne Liebe. Es hätte nur aus der Trauer bestanden, die ich um meinen Bruder gefühlt habe und heute noch fühle. Keine Hochzeit, keine Kinder, keine Familie kein Lachen. Wäre es nur für mich arm gewesen? Ich denke nicht. Ich durfte leben, obwohl er tot war, was hätte es ihm auch genutzt, wenn ich es nicht getan hätte.
Wäre es ihnen lieber gewesen, wenn ich gestorben wäre? Nein, bis heute ist diese Frage offen, habe sie nie gestellt, habe aber auch niemals eine Antwort erhalten.
Und heute? Irgendwie macht sie sich wieder breit. Was wäre, wenn.... ?
Und heute? Auch wieder die Frage, wieso darf ich leben und er ist tot?
Soll ich in Zukunft darauf verzichten, nicht nur mir, sondern eventuell auch anderen Glück zu geben?
Heute hat Claus Geburtstag. Bereits der 3. ohne ihn. Meine „Schwästerin“ muss arbeiten, werde alleine sein heute. Wirklich alleine.
Traurige Gedanken machen sich seit Tagen breit, eigentlich seit unserem Hochzeitstag schleicht das Tier fast ununterbrochen. Gestern vor dem Schlafengehen die E-Mail meiner Tochter. Nein, sie hat mir nicht oft geschrieben in den vier Monaten, sie hatte keine Zeit, zu viel Arbeit, zu viel leben, zu vieles, was so wichtig ist – und das meine ich ernst.
Ich hätte sie bitten können, zu bleiben, damals, hätte sie bitten können, sich nicht zu bewerben, heute, genau vor einem Jahr. Hätte sie bitten können, mich nicht alleine zu lassen. Ich denke, sie hätte es sogar getan. Wäre das ok? Hätte ich ihr das Leben verbieten sollen, weil für mich alles anders ist?
Ich werde ihren Wunsch, sie nicht am Flughafen abzuholen, respektieren. Selbstverständlich. Traue mich nicht, so weite Strecken alleine zu fahren. Es hätte eine Möglichkeit gegeben, die wollte sie nicht. Ok.
Ich weiß noch nicht, was ich machen werde heute. Alleine. Vielleicht kaufe ich ein wenig Kuchen und werde meine Schwiegermama besuchen, Danke sagen, dass sie ihren Sohn geboren hat, heute vor 52 Jahren. Dass sie damit Glück in mein Leben gebracht hat.
Ja, und ich zünde eine Kerze an, für meinen geliebten Mann, der hoffentlich heute mit lieben Seelen feiern wird im Regenbogenland. Trink einen auf uns Claus, mit meinem Bruder, Robert, Stolli, Jürgen, Dierk und allen, die dir begegnet sind seit dem Tag x und deren trauernden Seelen hier auf der Erde du mir geschickt hast.
Andrea, das Tier schleicht
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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