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Alt 29.11.2006, 11:34
Anemone Anemone ist offline
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Standard AW: Bauchspeicheldrüsen und Leberkrebs

Hallo liebe Nicole,
gerade habe ich in deinem Brief an Bernd gelesen, dass du dir Sorgen um deine Mama machst, die den Tod deines Papas betrauert. Ich (62 J.) bin in der selben Situation wie sie. Mein lieber Mann hat vor 10 Monaten seinen Kampf gegen BSDK verloren. Er wurde 65 Jahre alt.
Leider gibt es kein Patentrezept für die Art und Weise wie man mit seiner Trauer am besten umgeht. Mir hilft oft das Schreiben und Lesen im KK-Forum für Hinterbliebene. Man trifft dort viele Menschen, die auch um einen lieben Angehörigen trauern und deshalb immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Leidensgenossen haben. Man spürt, dass man nicht alleine ist mit all seinen Gefühlen. Falls deine Mama einen PC und Internet-Anschluss hast, kannst du ihr das ja mal vorschlagen.
Man muss seine Trauer einfach zulassen, auch die Gefühle, die damit verbunden sind: Verzweiflung, Wut, Einsamkeit. Was man wirklich nicht braucht sind diese üblichen Sprüche: Es wird schon wieder - es war besser so - die Zeit heilt alle Wunden - das Leben geht weiter.
Wenn mir jemand so etwas erzählt, ärgere ich mich einfach. Klar, DAS Leben geht weiter, die Erde dreht sich weiter. MEIN Leben war das Leben mit meinem Mann, und das ist unbarmherzig, unwiederbringlich zu Ende. Ich muss mir jetzt ein neues Leben aufbauen, und das kostet unendlich viel Kraft und bringt mich oft an meine Grenzen.
Allerdings soll man den Leutchen, die einem solche Sätze erzählen, nicht wirklich böse sein. Sie meinen es meistens gut, sind hilflos, weil sie nicht wissen, was sie uns Tröstendes sagen sollen (ich habe auch schon erlebt, dass Bekannte die Straßenseite wechselten, als sie mich sahen - habe ich vielleicht die Pest, ist meine Trauer eine ansteckende Krankheit?).
Deine Mama hat dich und deine Familie. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das schon viel hilft. Hat sie gute Freunde? Natürlich kann ihr niemand den Schmerz und die Trauer nehmen, aber allein das Bewusstsein, nicht ganz allein auf der Welt zu sein, ist doch ein wenig tröstlich.
Bei mir gibt es Tage, an denen denke ich: Hey, heut fühlst du dich gut, vielleicht wird das Leben ja doch wieder lebenswert... Am nächsten Tag falle ich wieder ins tiefe, schwarze Loch, das "Trauertier" fällt über mich her und fetzt mich kurz und klein. Meine Seele trägt schwärzeste Trauerkleidung und fährt Achterbahn. Ich denke, das wird auch noch eine Weile dauern.
Sei einfach für deine Mama da, auch wenn sie es dir in ihrer derzeitigen Situation nicht sagen kann - es hilft. Vielleicht gibt es in eurer Gegend einen Gesprächskreis für Trauernde. Du könntest dich ja mal bei der Gemeindeverwaltung, bei der Kirchengemeinde oder einem Pflegedienst erkundigen.
Noch ein kleiner Tipp: Schenk deiner Mama das kleine Buch "Trauer hat heilende Kraft" von Jörg Zink (Kreuz Verlag Stuttgart). Es gibt dort sehr schöne, kurze Texte und wunderbare Fotos.
Liebe Nicole, ich hoffe, ich konnte dir ein ganz klein wenig helfen und wünsche dir und deiner Mama viel Kraft für die nächste Zeit.
Viele liebe Grüße,
Anemone
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