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Alt 05.04.2007, 18:50
Lisa48 Lisa48 ist offline
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Standard AW: Selbsthilfegruppe Zungenkarzinom

Hallo Herbert,

aus zeitlichen Gründen habe ich in der letzten Zeit nur hie und da ins Forum geschaut, aber nicht selbst geschrieben.

Es ist für mich immer eine Gradwanderung, denn einerseits halte ich es für sehr wichtig, dass hier auch über gute Krankheitsverläufe berichtet wird, andererseits entstand bei mir manchmal der Eindruck, als würde das hier als Verharmlosung bzw. Nichtachtung derer gewertet, die wirklich ganz stark betroffen sind und leiden. Doch das war nie meine Absicht.

Ich ging zunächst einfach von mir selbst aus. Als ich 2004 nach der erschreckenden Diagnose – bis dahin wusste ich gar nicht, dass es Zungenkarzinome gibt – dieses Forum fand, schrieben einige Teilnehmer von ihrem eher glimpflichen Verlauf. Das hat mir Mut gemacht, und ich habe auch mit einer Teilnehmerin dann direkt Kontakt aufgenommen und viel Unterstützung erhalten – sie war mir ein halbes Jahr voraus.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Forum sehr viel stärker von schwer Erkrankten oder deren Angehörigen genutzt wird, der eher leichte „Fall“ braucht nicht ganz so viel Unterstützung. Wenn ich allerdings in 2004 auf ausschließlich so schwere Erkrankungen gestoßen wäre, wie seit etwa einem Jahr hier geschildert, hätte sich meine Angst massiv verstärkt.

Insofern wäge ich sorgsam ab, was ich hier schreibe, um einerseits „Neuen“ zu zeigen, dass diese Krebserkrankung in den meisten Fällen glimpflich verläuft und um ihnen Mut zu machen, ohne gleichzeitig die schwer Erkrankten bzw. deren Angehörige zu verletzen.

Ich nehme für mich in Anspruch, dass nur der selbst Betroffene die ganze Palette der eigenen Angst kennt und durchlebt, was diese Diagnose bedeutet. Die Angst der Angehörigen ist eine andere, dort geht es um Fürsorge, Beistand, Hoffnungsgebung, Versorgung und verständliche Hilflosigkeit (die wir Betroffenen bisweilen auch haben) und um Verlust eines geliebten Menschen. Die Angst vor dem eigenen Tod tragen wir und da kann uns niemand helfen. Wir leben leider in einer Kultur, die mit dem unvermeidlichen Tod für jedermann nicht umgehen kann. Tod ist bei uns immer etwas Entsetzliches. Für den Betroffenen und für die Angehörigen. Auch für mich.

Nun zu Deinen Fragen: Meine Mundtrockenheit hat sich langsam, aber stetig gebessert. Für trockene Nahrungsmittel, wie Brot, Kartoffeln, Schokolade etc. brauche ich immer noch einen kleinen Schluck Flüssigkeit, kann auch Kaffee sein. Essen mit Soße, gekochtes Gemüse, Salat mit Dressing, Müsli mit Milch, Obst insgesamt, kann ich alles essen ohne zusätzliche Flüssigkeit. Der Geschmackssinn ist wieder vollständig vorhanden. Scharfe Gewürze esse ich nicht mehr, weil sie mehr brennen als im gesunden Zustand zuvor.

Außerhalb der Ernährung brauche ich keine Wasserflasche mehr, wie anfangs. Wie alle anderen brauche ich halt Wasser, weil ich Durst habe.

Meine Zunge ist in der Bewegung eingeschränkt. Ich kann sie etwa einen Centimenter über die untere Zahnreihe rausstrecken. Das hängt an der Narbe, die durch die Schließung des OP-„Lochs“ entstanden ist. Die Öffnung war so klein, dass kein Gewebe aus dem Oberschenkel verwendet wurde, wie vor der OP angedacht. Die Narbe tut manchmal weh, wenn sich z.B. ein Körnchen aus einem Brötchen dahin verirrt und reibt. In der Klinik hat man mir angeboten, diese Narbe zu „lösen“ (was immer das bedeutet, denn mehr Gewebe wird’s durch das Lösen auch nicht), aber das mache ich nur, wenn sich Schwierigkeiten ergeben.

Ich nuschle etwas, wenn ich sehr lange viel spreche, wie gestern beim Besuch meiner Tochter. Plaudern ohne Ende. Dann scheint die Zunge zu ermüden. Allerdings kann ich das mit richtig kaltem Wasser dann entschärfen (und weiter schnattern).

Während der Bestrahlung habe ich den Hals mit Nivea-Lotion eingecremt. Der Radiologe hat mich eindringlich davor gewarnt, als würde mir dann gleich der Kopf abfallen, und mir ausschließlich Puder genehmigt.

Nach dem ersten Pudern spürte ich, dass das bei mir nur die Haut zusätzlich austrocknet und platzen lässt. Im Forum (gottlob gab es das) hörte ich dann, dass andere von ihrem Arzt die Empfehlung zum Cremen erhielten. Also habe ich meinen Radiologen ignoriert und mit
Lotion ständig eingerieben. Das hat meiner Haut sehr gut getan. Meine Verbrennungen hielten sich in Grenzen. Möglicherweise ist für Dich Puder besser. Probier´s einfach, ich glaube nicht, dass man da Fehler machen kann. Alles ist gut, was hilft.

Die entzündeten Mundschleimhäute während der Bestrahlung habe ich mit Bebanthen-Tinktur beträufelt und mit Salbeitee gespült. Außerdem hat mir der Arzt eine Flüssigkeit verschrieben, die (glaube ich) Triptan oder ähnlich hieß. Ich habe die Flasche leider nicht mehr. War eine zähe, weiße Flüssigkeit, die aber gut geholfen hat.

Die Schmerzen verschlimmern sich leider, je weiter die Bestrahlung fortgeschritten ist. Die Erholung lief bei mir aber genau so schnell ins Positive. Schleimhäute wurden tagtäglich besser, Hals auch. Geschmacksinn dauerte etwas länger, eher wöchentliche Besserung. Da es aber spürbar bergauf ging, habe ich die Zeit trotzdem gut in Erinnerung.

Heute - fast taggenau vor drei Jahren - wurde ich nach der OP entlassen. Heute fühle ich mich (bin ich ?) gesund und ohne nennenswerte Einschränkung. Halt, stopp – ich habe eine hässliche Narbe am Hals. Für eine Frau nicht gerade attraktiv. Kaschiere ich aber mit Halsbändern. Also auch da ein Lösung gefunden.

Alles in allem kann ich sagen, wenn alles so bleibt, bin ich sehr zufrieden.

Ich wünsche Dir und allen anderen ein frühlingshaftes Osterfest und alle Zuversicht dieser Welt, dass wieder bessere Zeiten kommen bzw. sich nichts verschlechtert.

Wo ist Jutta? Laß doch mal was von Dir hören.
Und Birgit – früher häufiger bei den Tonsillen – mit entsprechender Erfahrung und guten Tipps?

Herzliche Grüße
Lisa
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