Tja Liebes,
die Seelen, die sich gefunden haben im Leben nach dem Tag X. Seltsam, irgendwie habe ich es gespürt so wie du beim Schreiben wusstest, was ich beim Lesen dachte. Aber es ist ok, ich weiß es ja, lass es sacken.
Gestern habe ich eine lange e-mail an meine Freundin im Norden geschickt

und sie hat es in ihrer Antwort mal wieder auf den Punkt gebracht. So vieles, was man einfach akzeptieren muss, ja verdammt nochmal auch immer wieder die Sehnsucht nach dem alten Leben, egal wie viel schönes das Neue, ungewollte, doch wieder bereithält. Die Zeit vor dem endgültigen Abschied, sie wird immer wieder aufwühlen. Hoffnung, dass das, was wir uns ausmalen wirklich ist, dass sie da sind, dass es ihnen gut geht, Hoffnung, die hin und wieder helfen, die schweren Gedanken wieder zurück in die Schublade zu schieben.
Kleinigkeiten, die wichtig sind. Klar es gab eine Zeit, in der wir dachten: Nein, mit solchem Kinderkram beschäftige ich mich nicht mehr, ich habe das Schlimmste erlebt, was es auszuhalten gibt, sowas wirft mich nicht mehr um. Und doch, es sind die wichtigen Kleinigkeiten, die das Leben ausmachen. Erinnere dich, auch das gehört für mich zu den schmerzlichen Erkenntnissen meiner beobachtenden und verdrängten Zeit des letzten Weges. Es wurde für Claus - und auch für Jürgen wie für wohl alle unsere Lieben - so vieles unwichtig, was sie früher geliebt haben. Erst der PC, nein die Ballerspiele, die er zur Entspannung so sehr gebraucht hat, sie machten keinen Spaß mehr, das Fernsehn, nein, auch hier kein Interesse mehr, seine Bücher - er hat sie immer verschlungen - keine Energie mehr, sich mit phantastischen Geschichten zu beschäftigen, ja klar und zuletzt noch nicht einmal mehr Interesse zu essen...
Kleinigkeiten, die wichtig sind, weil wir leben. Weil Zwischenmenschliches zum Leben gehört, weil es nicht egal ist, wie etwas ankommt bei Menschen, mit denen wir unsere Zeit verbringen. Keine Kleinigkeit, LEBEN
Es ist nicht wenig übriggeblieben vom alten Leben. Es hat uns geprägt. Du bist so durch dein altes Leben, zu dem auch der letzte Weg und die Trauer darum gehört. Nicht wenig, unsagbar viel.
Und ein Spaziergang - nicht immer Haken schlagen - mit Freunden an deiner Seite durch den Wald, Sonne auf der Haut, Schweigen, das so unglaublich viel gesagt hat, das alles- nicht nur der Schmerz - ist das was bleibt. Denn ich weiß sehr wohl, dass wir alle drei es gefühlt haben, jeder an der wunden Stelle im Herzen, sie waren dabei, sie waren mit uns im Wald, in jedem Baum, in jedem Sonnenstrahl, der die Blätter verfärbt hat, alle drei und wir haben es gespürt und waren verwundert. Erinnerst du dich?
Und der Jahrestag? Es wird auch für mich DER Tag sein, und wir werden Raketen zünden, die darauf warten, den Gruß in den Himmel zu schicken, ihn erleuchten und sagen: Hey Jürgen, heute ist dein Geburtstag, hoffentlich macht ihr Jungs dort, wo ihr seid eine tolle Party, und wir hier unten wir versuchen den Tag nicht nur traurig, sondern dankbar zu begehen, voller Hoffnung, dass es euch gut geht, wir werden euch nie vergessen, wir werden euch immer lieben und wir werden uns wiedersehen. Habt weiterhin ein Auge auf uns, bleibt uns nah! Und ich schicke noch mein Versprechen an Jürgen hinterher, dass ich da sein werde hier auf der Erde, wann immer es gewollt ist. Und am nächsten Tag werden wir unsere "Ich darf das jetzt "T-Shirts anziehen und klar aber ganz bestimmt Kopf hoch und tanzen. Und ein Lied wird nur für dich gespielt werden, ganz bestimmt
Liebe Andrea, auch ich hoffe, dass du wirklich nur mit dem Schrecken davon gekommen bist. Schutzengel? Klar war der an deiner Seite. Für die Blutergüsse und die weichen Knie: Gute Besserung"
Euch allen ein erträgliches langes Wochenende
LG
Andrea