Malignes Melanom
Liebe Birgit, liebe Gina, liebe Forumleser,
habe mich ein Weilchen nicht gemeldet, das Forum aber immer gelesen. Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei Birgit bedanken. Ohne ihre neutrale, sachliche Mitteilung im Forum hätte ich mich nicht mehr ins Forum getraut. Jetzt aber brennt es in meinen Fingern.
Angeklagt, nichts für mich und nichts gegen drohende Metastasen getan zu haben. Angeklagt, verantwortungslos zu handeln, die Ernsthaftigkeit der Situation zu ignorieren. Angeklagt, mich bewußt und freiwillig in eine aussichtslose Zukunft zu begeben.
Ich stelle mich der Anklage. Zum einen, weil ich gerne im Forum bleiben möchte (auch wenn ich in sonnigen Stunden keine Witze mehr schreiben darf) und weil ich Gina helfen möchte, die Entscheidung ihres Sohnes zu respektieren und ihn auf seinem weiteren Weg zu unterstützen. Ohne Vorwürfe, wenn doch eines Tages Metastasen auftreten!!
Ja, ich hatte ein MM mit der Turmodicke von 3,2 mm, Level IV, linisches Stadium II a, pT3, NoMo.
Ja, ich habe mich gegen die Interferon-Therapie entschieden.
Ich habe zahllose schlaflose Nächte hinter mir, ich habe mir Gedanken gemacht, Infos eingeholt, das Forum zum Thema Therapie komplett durchgelesen (auch Fragen dazu gestellt), ich habe mich gequält und abgewogen. Und ich glaube, dass es Ginas Sohn genauso geht. Man versucht, auf sein tiefes Inneres zu hören, ohne immer mit jemanden darüber zu reden und sich beeinflussen zu lassen. Man muss eine Entscheidung treffen, zu der man dann auch stehen kann. Und hoffen, dass andere diese mit stützen. Ohne Vorwürfe und sinnlose Vorahnungen.
Vielleicht habe ich das große Glück, offensichtlich im Gegenteil zu manchen anderen Forumteilnehmern, mich bei meinen Ärzten gut aufgehoben zu fühlen. Und denen ich vertraue. Sie nehmen sich für mich Zeit, hören zu, geben mir Informationen nach denen ich frage, nehmen meine Ängste ernst und vor allem bekomme ich konkrete Informationen, keine greiflosen Vermutungen. Das war schon in der Klinik so (auch das Pflegepersonal war spitze, nie irgendwelche emotionsgeschwängerte Aussagen, stets kokrete Antworten die auch Hand und Fuß hatten) und wird durch meinen Hautarzt fortgeführt. Und dazu muss ich diese nicht ständig aufsuchen. Auch in den Zeiten zwischen Untersuchungen hilft mir das Gefühl, mich auf meine Ärzte stützen zu können. Weil sie mir aber auch nichts vormachen. Und nichts nur beschönigen. Dies finde ich sehr wichtig. Kann ich meinem Artz nicht vertrauen, befinde ich mich bei jeder Entscheidung in einem noch größeren Zwiespalt. Man sollte aber auch lernen, einem Arzt zuzuhören, ohne von vornherein schon alles besser zu wissen. Aus welchen Quellen auch immer. Zweifel müssen gleich besprochen werden. Wünsche und Ängste offengelegt. Nur dann kann man miteinander arbeiten. Wenn dies wirklich nicht möglich ist sollte man sich vielleicht einen anderen Arzt oder zumindest einen zweiten suchen.
Ich wurde bei der Besprechung zur möglichen Interferon-Therapie über mögliche Risiken sowohl bei positiver als auch bei negativer Entscheidung aufgeklärt. Soweit dies möglich ist. Denn genau wie Birgit es schon erwähnt hat: keiner kann die Garantie geben, dass bei Interferon-Anwendung keine Metastasen mehr auftreten. Die Studien momentan dienen der Erforschung, welche Therapiedauer evtl. mehr Erfolg bringt. Es ist vielleicht eine Chance. Vielleicht auch nicht.
Haben sich offensichtlich noch keine Metastasen gebildet, wird mit einer geringen Dosis angefangen, die aber u.U. bereits enorme Nebenwirkungen mit sich bringt. Die Wirksamkeit dieser Dosis ist noch nicht wirklich erforscht.
Niemand kann in diesem Stadium mit Sicherheit sagen dass sich auf jeden Fall Metastasen bilden. Es ist aber auch nicht auszuschließen. Niemand kann beim Dosieren von Interferon momentan sagen, dass es auf jeden Fall Metastasen verhindert. Es könnte aber möchlich sein.
Gebe es ein hundertprozent-sicheres Mittel - wer würde da nicht alles in Kauf nehmen, um sein Leben abzusichern?
Wenn man weiss, dass sich die entarteten Zellen bereits auf den Weg durch seinen Körper gemacht haben (Metastasenbildung) wird jeder versuchen mit allen Mitteln diesen den Garaus zu machen. Weil jeder weiss, dass die Chancen auf ein langes Leben sonst gering werden.
Wenn man noch die Hoffnung hat, dass diese Zellenwanderung noch nicht stattgefunden hat - ich weiss, es ist eine kleine Hoffnung - warum darf man dann nicht versuchen, sich sein Leben positivdenkend einzurichten?
Es gibt Menschen, die ein MM hatten und nie eine Interferon-Therapie gemacht haben, die viele Jahre glücklich weiterleben konnten (ich weiss, es gibt natürlich auch welche die nach kurzer Zeit gestorben sind, genauso wie es Menschen gibt, die mit Interferon viele Jahre weiterlebten und welche, die trotz Interferon gestorben sind - das ist ja das was ich eingentlich sagen will).
Ich habe mich für meine monemtane Situation, gestützt durch kompetente Ärzte, gegen eine Interferon-Therapie entschieden - genau wie Ginas Sohn.
Ich bin sicher, dass meine Mitmenschen um mich herum diese Entscheidung inzwischen akzeptieren und mit mir tragen. Und dass sie mich stützen und mich nicht mit Vorwürfen belasten wenn ich einmal Metastasen habe. Weil sie wissen, dass ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht habe und auch nicht leichtfertig mit meinem Leben umgehe. Und weil sie wissen, wie sehr ich am Leben hänge.
Dafür bin ich ihnen dankbar. Und dieses Gefühl wünsche ich allen, auch Ginas Sohn, die sich wie ich entschieden haben.
Christine
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