Hallo liebe Ute,
schon fast 1 1/2 Jahre bin ich hier im Forum für Hinterbliebene sozusagen "zu Hause", mein lieber Schatz hat im Januar 2006 seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Ich lese schon lange alle Deine Beiträge, weiß was Du fühlst, kann mit Dir leiden und mit Dir fühlen. Habe inzwischen erkannt, dass wir - jeder für sich - ganz alleine diese Trauer und den Schmerz aushalten müssen. Aber es hilft schon, wenn man weiß, dass es hier Menschen gibt, die einander gut verstehen.
Ich habe, gerade als ich wieder voller Verzweiflung war, weil es immer noch so viel Kraft kostet und so weh tut, dieses Leben auszuhalten, mal wieder mein kleines Buch "Trauer hat heilende Kraft" (von Jörg Zink) durchgeblättert und einen Text gefunden, bei dem ich dachte: Hey, schreibt der jetzt über mich?? Ich schreib ihn Dir mal auf, vielleicht erkennst Du Dich darin auch wieder.
Du brauchst noch lange Zeit viel Geduld mit dir selbst. Du wirst nicht in Kürze wieder ein harmonischer Mensch sein,
sondern noch lange hin- und hergeworfen
von deinen Stimmungen und Gedanken.
Manchmal wirst du dich so empfinden,
als seiest du selbst gestorben.
Starr und ohne Leben.
In den ersten Tagen hast du das so erfahren.
Da war alles wie unwirklich,
und nicht einmal die Tränen wollten kommen.
Du musst wissen: Das ist nicht nur bei dir so.
Viele, unendlich viele erleben dasselbe.
Ein anderes Mal bricht es aus dir heraus.
du hämmerst wie gegen eine verschlossene Tür.
du wütest über dein Schicksal. Und vielleicht
trifft dein Zorn sogar ihn, der dich allein ließ.
Und weil du weißt, dass das ungerecht ist,
hämmern von innen gegen dich die Schuldgefühle.
Dann musst du wissen,
dass das alles sein Recht hat, für dich selbst
und für Ungezählte, die ihre Trauer erleiden.
Und wenn das alles ein wenig verebbt ist,
kann es dir geschehen,
dass du in der Welt umherläufst,
als müsse er noch irgendwo sein.
als habe er sich nur verborgen
und müsse um die nächste Ecke kommen.
Immer wieder wirst du ihn suchen,
als sei noch alles wie früher,
und du wirst große Mühe haben,
in die harte Gegenwart zurückzufinden.
Vielleicht dauert es Monate, vielleicht Jahre,
bis du wieder in diee Welt einwurzelst.
bis dein Tag wieder Licht und Sinn hat.
bis dir ein Erfolg wieder Freude macht,
ein Erlebnis dich frühlich stimmt,
eine Plauderei dich anregt.
Bis sich um dich her wieder deine Welt bildet,
nicht so, wie sie war, aber doch auch wieder gut.
du darfst in all dem nichts von dir fordern,
was gegen dein Gefühl geht.
Denn deine Trauer wird ein langer Weg sein.
Jörg Zink
Liebe Ute, ich wünsche Dir, dass Dein Schmerz ein wenig erträglicher wird, und Du eines Tages Dein Leben wieder lebenswert finden kannst.
Viele herzliche Grüße schickt Dir
Anemone