Liebe Susanne,
Eure Geschichte macht mich fast sprachlos und zeigt, wie häufig Patientinnen und Patienten so gut wie möglich selbst auf alles achten müssen. Aber wer von uns kann das? Wir haben uns viel angelesen, lassen uns Kopien aller Befunde geben und erklären, und trotzdem reicht das alles nicht. Wir haben in der Regel nicht das Fachwissen (obwohl ich manchmal glaube, ich weiss zumindest mehr als der HA... Ich möchte Dich auf gar keinen Fall mutlos machen, eher sagen: Dich trifft kein Vorwurf, Deine Eltern, Deine Mutter und Du, Ihr habt so viel unternommen, Euch informiert, Dinge in Gang gesetzt für Deinen Vater, von deren Möglichkeiten andere vielleicht gar nichts wussten, weil ihnen schlicht die Informationsquellen fehlten.
Ich habe es unterlassen, meinem damaligen LungenFA einen Besuch abzustatten und ihn zu fragen, ob er nie an andere Möglichkeiten (als TBC) gedacht hat. Denn da würde ich wahrscheinlich die Fassung verlieren, ich erzähle es aber jedem in meinem Umfeld, gefragt und ungefragt. So mache ich Aufklärungsarbeit auf meine Art. Ausserdem habe ich etwas daraus gelernt und schon angewandt: zwischendurch bei einer der Verlaufskontrollen (CT) bat ich den Radiologen, mal die Erstaufnahme hinzuzuziehen um die Entwicklung besser einschätzen zu können, (wäre das damals geschehen, hätte man bereits nach einem Jahr gesehen, dass die vermeintliche TBC wuchs. So aber ließ man mich insgesamt fünf unbehandelte Jahre fröhlich damit laufen.) Dazu sagte mein jetztiger Lungen FA, der auch kein Blatt vor den Mund nimmt und eher deutlich als vage spricht: jeder Arzt hat mindestens einen Patienten, bei dem er irgendwann feststellt, dass er sich geirrt, etwas übersehen, falsch diagnostiziert hat.
Mein Onkologe hat mir auf meine zweifelnden Fragen, was eigentlich gewesen wäre, wenn der frühere Lungenfacharzt mich nicht jahrelang mit dem Rundherd im rechten Oberlappen hätte rumlaufen lassen:
Sie und ich können keine Zeitreise zurück machen. Ein schwacher Trost? Nein, die Gewissheit, sich auf das
jetzt konzentrieren zu müssen. Alle Chancen nutzen, die sich
jetzt bieten. Was anderes bleibt uns allen nicht übrig.
Ganz liebe Grüße und in Gedanken eine feste Umarmung

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Michaela