AW: Thread für junge Angehörige von Krebskranken
hey..
wenn ich das so lese, scheint ihr alle einen ganz tollen, ganz sinnvollen anfang und die richtigen worte gefunden zu haben. ich hab gesucht und gesucht und gesucht und keinen richtigen anfang gefunden. nichtmal unter meinem bett. vielleicht ist er ja im staubsauger verschwunden???
naja, da mir der vernünftige anfang also unwiederbringlich abhanden gekommen ist, fange ich einfach an und hoffe, dass wenigstens die richtigen worte mich nicht im stich lassen.
mein freund klagt seit nun über einem jahr über kopfschmerzen, vor allem nachts und morgens, gelegentlich zuckt eni bein, ein arm, ohne dass er es wahrnimmt oder sich (wenn er es dann doch einmal wahrnimmt) hinterher daran erinnert. manchmal kann er eine körperhälfte nicht bewegen, wie taub oder gelähmt...
ganz lange hat er sich geweigert, damit zum arzt zu gehen.
jetzt war er vor kurzem da. der arzt, ein gewöhnlicher allgemeinmediziner wie die meisten ärzte das nun einmal sind, konnte ihm nicht sagen, was diese symptome zu bedeuten haben und hat ihn wieder nach hause geschickt - zwei tage krankgeschrieben. super. als ob das helfen würde.
einige tage später haben wir uns mit einem bekannten, der auch arzt ist, unterhalten, ihm das gleiche erzählt. er hat versprochen, sich "darüber einmal schlau" zu machen und mal zu schauen "was sich da machen lässt". am nächsten tag hat er angerufen. sein verdacht: hirntumor. mehr konnte er nicht sagen, so ohne richtige untersuchung. "die genannten symptome weisen darauf hin, dass..." ...
im ersten moment war ich wie betäubt, dann wollte ich es nicht wahrhaben, dass diese möglichkeit besteht, habe es geleugnet, nein, ihm gehts doch wieder gut, es war doch nie wirklich was, das kann doch gar nicht sein, er hat doch nie etwas schlimmes gemacht! als ob "schlimme taten" etwas damit zu tun hätten. aber vielleicht kennt einer von euch das? dieses gefühl, diese frage: warum gerade diese person, die es am allerwenigsten verdient hat? warum triff es immer die besten von uns? jetzt sehe ich seinen verfall. vor allem seinen seelischen. körperlich geht es ihm im moment recht gut. fast nichts, was darauf hinweist, was für eine krankheit er haben könnte.
ich schreibe könnte, weil wir noch immer keine gewissheit haben. er ist nicht nocheinmal zun arzt gegangen - "wozu, wenn ich doch sowieso schon weiß, was es höchstwahrscheinlich ist? wozu, wenn ich doch sterben muss? so bleibt mir noch die hoffnung, dass es sich um etwas weniger ernstes handelt, das sich bald von allein erledigt." in wahrheit hat er die hoffnung aber schon aufgegeben. will sich nicht für nichts behandeln lassen. ich habe einen brief gefunden, den er angefangen hat, an mich zu schreiben. "warum soll ich noch kämpfen? wenn ich wirklich krebs habe, dann sterbe ich lieber früher, als noch länger als nötig unter irgendwelchen behandlungen zu leiden um am ende doch zu sterben" diesen brief habe ich nicht bekommen, er hat ihn für sich behalten, nicht beendet. er behält seine ängste für sich, spricht nicht über das, was ihn beschäftigt. ich seh ihn an und sehe diese traurigkeit, verzweiflung, hilflosigkeit in seinen augen und ich weiß nicht, was ich machen soll. ich brauche die gewissheit, die er auf keinen fall will. er sieht nicht, dass es ja nicht zwingend krebs sein muss, dass es auch etwas weniger schlimmes sein könnte. manchmal liegen wir abends im bett, er schaut mich mit tränen in den augen an "ich habe schmerzen" "wo?" "du weißt ganz genau, was ich meine" ich nehme ihn in den arm "bitte, geh nocheinmal zu einem arzt. lass dich untersuchen." er steht wortlos auf, geht, macht sich ein bier auf und kommt erst zurück, wenn ich schon fest schlafe.
ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. ich habe mir alle möglichen informationen über hirmtumor und krebs im allgemeinen zusammengesammelt. ich habe so unendlich viel darüber gelesen und bin doch nicht schlauer, als vorher. das einizge was ich nun weiß: die symptome passen wirklich. und DAS ist NICHT die erkenntnis, nicht das wissen, was ich mir erhofft hatte.
ich weiß nicht, wie lange ich noch die kraft habe, durchzuhalten, denn ihn muss ich mit halten, seit er nicht mehr hoffen kann...
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