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Alt 16.08.2007, 00:16
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Linnea Linnea ist offline
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Registriert seit: 18.07.2007
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Standard AW: Erfahrungsaustausch

Liebe Blondie,

ich will versuchen, Dir zu antworten, auch wenn es mir ebenso schwerfällt wie Dir, das, was Du berichtest einzuordnen. Du wirst vielleicht gelesen haben, daß ich derzeit in psychotherapeutischer Behandlung bin. Aber da es dabei um die Bearbeitung eines ganz konkreten Erlebnisses geht, mache ich nicht die Erfahrung einer "klassischen" psychoonkologischen Betreuung und kenne daher die "Gepflogenheiten" in diesem speziellen Zweig nicht. Ich kann hier nur versuchen, ein paar Gedanken zu Deinem Posting zusammenzustellen, und hoffe, damit nicht noch mehr Verwirrung zu stiften:

Zum einen könnte ich mir persönlich nicht vorstellen, am Tag einer anstrengenden Chemo auch noch eine solche Therapiestunde hinter mich zu bringen. Ich denke zwar, daß hier zwischen einer Psychotherapie (wie bei mir) und einem psychoonkologischen Gespräch unterschieden werden muß, da letzteres ja auch der Stärkung und Unterstützung in diesem Moment dienen kann. Aber dann müßte wohl auch etwas Positives, Stärkendes, der Krankheitsbewältigung dienliches thematisch ins Zentrum gerückt werden.

Ich habe vor ein paar Jahren in einem Grundlagen-Seminar für Mediziner gelernt, daß man folgende psychologische Grundregel nie mißachten dürfe: Erst stabilisieren, dann das Problem bearbeiten und schließlich für die Rückbindung bzw. die Integration in den Alltag sorgen. Damals hieß es, letzteres bliebe zwar im Kliniksalltag zumeist gutklingende Theorie, aber bei den ersten beiden Punkten sollte die Reihenfolge unbedingt gewahrt bleiben.

Tod und Sterben sind sicherlich Themen, mit denen man sich im Zuge einer solchen Krankheit auseinandersetzen muß/sollte - auch, um Lebensenergie daraus zu gewinnen (wie ich für mich vermute). Aber eine solche Auseinandersetzung braucht ihre Zeit...und ihre Zeitpunkte (die nur Deine Mutter mit Sicherheit spüren kann)...

Mit welcher Art von Therapeut hat Deine Mutter denn zu tun? Ist es "nur" ein Psychologe oder ein Psychoonkologe oder ein Psychotherapeut? Diese setzen nämlich alle sehr unterschiedlich an und haben auch ganz unterschiedliche Erfahrungshorizonte. Es wäre wichtig zu wissen, ob der Therapeut Erfahrung mit Krebspatienten hat und wenn ja, wo er schwerpunktmäßig arbeitet: In einer Praxis wird er eher mit Langzeitbetreuung zu tun haben, in einer Klinik mit speziellen akuten Problemen und in einem Hospiz mit konkreter Sterbebegleitung. Auch daraus ergeben sich eminente Unterschiede in der therapeutischen Vorgehensweise.

Generell halte ich eines für ganz wichtig: Ein solches Therapiegespräch (welcher Couleur auch immer) darf dem Patienten nicht mehr Lasten aufhäufen als es ihm nimmt. Es ist wichtig, als Patient auch äußern zu können, worüber man nicht sprechen will. Wenn das Verhältnis zwischen Therapeut und Patient dies nicht zuläßt, taugt es nichts.

Was mir aus Deinen Zeilen noch nicht ganz deutlich geworden ist, ist folgendes: Möchte denn Deine Mutter wirklich diese Hilfe in Anspruch nehmen? Erwartet sie sich eine Unterstützung davon? Oder gibt sie mehr den gutgemeinten Ratschlägen aus ihrem Umfeld nach? Im zweiten Fall ist schwer zu sagen, ob ihr das Ganze überhaupt etwas bringen kann...

Soweit meine etwas ungeordneten nächtlichen Überlegungen zu Deinem Posting...
Dir und Deiner Mutter alles Liebe und Gute, Deine Linnea
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Einen Menschen zu lieben heißt:
Ihn zu sehen wie Gott ihn gemeint hat.
Liebe ist das Geheimnis der Brotvermehrung.
- Christine Busta -

Geändert von Linnea (16.08.2007 um 00:54 Uhr)
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