Ihr Lieben alle,
an alle für Euch mein obligatorischer Sonntagsgruß.
Heute kommt er eher traurig und ein wenig verzweifelt rüber.
Morgen ist endlich der 3.9., mein Großer fängt einen neuen entscheidenden Lebensabschnitt an, und der "Krieg" mit meinem Mann wird immer schlimmer.
Ich möchte die beiden nehmen und mit den Köpfen gegen die Wand hauen.
Sagt mir nicht, ich soll mich raushalten.... das weiß ich doch und bemühe mich drum. Aber mein Jüngster ist übers Wochenende bei einem Freund (der weiß schon, warum er im Moment immer abhaut, wenns geht) und ich hocke alleine zwischen den beiden.
Heute gönne ich mir mal einen Mini-Absturz. Neben meinem Laptop steht ein Glas Sekt mit O-Saft, das Prickelwasser hab ich mir heute verdient.
Noch nie habe ich erlebt, nicht in der schlimmsten Chemo-Zeit, dass mein Mann derart zickig, nachtragend und kleinkariert reagiert. Ich hab schon wieder mehrmals Heulattacken gehabt, dabei dachte ich, die hätte ich mit Hilfe meiner Tabletten in den Griff bekommen.
Mein Mann ist nur locker und gelöst, wenn wir beide alleine was Unternehmen, so wie der verrückte Ausflug zur Queen Mary letzte Woche nach HH.
Aber im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren, wo er versucht, die kleinen Dinge im Alltag zu einem Highlight werden zu lassen, müssen es jetzt so große verrückte Dinge sein.
Noch im letzten Herbst hatten wir Freude, wenn wir einfach bummeln gingen in der Stadt und im Anschluss ein großes Eis verdrückten.
Jetzt ist bummeln nicht mehr drin, ob Ihr es glaubt oder nicht, der kann nicht mehr "bummeln" im Sinne von langsam durch die Stadt schlendern.
Der hat sich zu einem Marathonläufer entwickelt, dass jeder Stadtbesuch für mich zu einer Hetz-Jagd und Hetz-Qual wird.
Nun werdet Ihr sagen, ja klar, kein Mann geht gerne bummeln. FALSCH. Alfred war immer anders, ich wurde von Freundinnen darum heiß beneidet. ER wollte immer gerne in der Stadt shoppen gehen, ICH eigentlich nicht. Ich hab das in den letzen beiden Jahren vermehrt gemacht, weil es ihm so eine Freude macht.
Er ist auch unser Einkäufer, fragt mich nicht nach den neuen Butterpreisen, dafür bin ich bei uns nicht zuständig. Er geht samstags einkaufen, während ich das Haus putze. Mein Mann hatte da immer so besondere Gene....
Man bekommt im Augenblick den Eindruck, er legt den Tag darauf aus, sich mit seinem Sohn zu reiben und jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.
Ich kann einfach nicht mehr, da war ich glücklich wieder auf den Beinen, nun mach ausgerechnet mein Mann mir das Leben schwer.
Ehrlich, die Jammerei tut mir ja leid, aber im Augenblick bin ich am Ende. Solange ich denken kann, haben mein Mann und ich in Gegenwart der Kinder nicht über Erziehung gestritten, für mich war es ein Unding, mich auf die Seite der Kinder zu stellen und meinem Mann in den Rücken zu fallen. Immer hab ich versucht zu vermitteln, habe auch jetzt mit meinem Sohn gesprochen und gesagt, er soll doch bitte das Gespräch mit Papa suchen und die Dinge klären..... aber wenn mein Sohn vorsichtig und über Umwege (wie die Männer so sind

) sich meinem Mann nähert, dann bockt mein Mann und macht es dem Großen besonders schwer. Kein bißchen Entgegenkommen, so als wolle mein Mann den Krach weiterhin.
Da fängt morgen für unsere Familie ein Neues Leben an, weil jeder wieder seinen festen Platz hat, und Alfred will das mit Sturheit und Zickigkeit beginnen. Ich verstehs nicht, ich verstehs einfach nicht.
Die Jumperei zwischen diesen schwierigen Männern ist zum Weglaufen, warum denkt jeder von diesen Idioten nur an sich?
Ich hatte solche Mühe, den Großen endlich zu händeln, ging nur mit Hilfe und Unterstützung von Psychologen. Nun hab ich das Ganze im Griff, habe Ruhe und Geduld gelernt, da kommt mein Mann wie ein Elefant im Porzellanladen daher, trampelt alles kaputt und spielt die beleidigte Leberwurst. WArum nur, warum?
Jaja, ich versuche auch meinen Mann mit den Augen des Psychologen zu sehen. Ich habe für beide Seiten eine Menge Erklärungen, warum es gerade so läuft und die beiden sich gerade so benehmen.
Aber es geht über meine Kraft, dass ich dazwischen bin. Ich wohne nun mal hier, was soll ich denn tun???? Hab nun mal kein eigenes Zimmer, wo ich mich alleine zurückziehen kann und sagen kann, das ist mein Reich, hier hab nur ich das Sagen. Ich bin sooo am Ende, ich könnte Kotzen....
Dieser Tag morgen ist nicht einfach so ein Neuanfang für uns. Mein Großer ist ja hörbehindert, und es ist wirklich das erstemal im Leben, dass er ganz alleine für sich zuständig ist, dass er seinen Mitmenschen klar machen muss, wie sie mit ihm sprechen müssen, damit er mit ihnen arbeiten und leben kann. Vom Kindergarten an hat er Lehrer und Betreuer der Sonderschule, die ihn im Regelunterricht auch unterstützen. Oder eben die Eltern im Hintergrund, die an Elternsprechtagen erklärten.... Nun ist zum ersten mal alles ganz fremd, es sind Menschen, die nicht von Fachleuten über die Behinderung aufgeklärt wurden, das muss er von morgen an selber machen.
Am Dienstag gehts gleich los zum Kennenlernseminar, da bekam er einen neuen Rüttelwecker, so ein Teil, was im Kopfkissen vibirert, damit er wach wird.
Bisher hatte er einen Blitzwecker, auf den er nicht immer, oder besser, meistens nicht, reagierte. Er hatte ja die Eltern, die ihn zur Not weckten. Es gibt viele kleine Sachen im Alltag, die schwierig sind, vor allem, weil Hörbehinderung so einfach aussieht, aber nicht ist. Das ist nicht wie -- Brille an--- dann seh ich wie die anderen--- , nein, trotz Hörgeräten kann er nicht so hören wie ein Normalhörender.
Stellt Euch ein Radio vor, das immer an-und ausgeht. Was versteht Ihr da vom Text? Richtig, nicht viel, ihr kommt im Zusammenhang auf den Sinn... genauso macht mein Großer das auch.
OH Gott, das ist ja ein total fremdes Thema und gehört überhaupt nicht hier hin, ich musste heute nur mal meine Verzweiflung in Worte fassen. Jessas, hab ich einen an der Klatsche heut....
Sorry.... das Prickelwasser wirkt wohl schon.
Ich geh jetzt zum Heulen in den Keller... was für ein Sch*** Tag.
Endlos-traurige Grüße Erle