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Alt 24.11.2007, 11:00
Schnucki Schnucki ist offline
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Standard AW: Ich muss irgendwie Abschied nehmen!

Hallo trauermaus,

es liegt mir seit gestern schon auf der Zunge bzw. Tastatur:

Zitat:
Du darfst nicht so Denken
Warum darf man so nicht denken?

Nachdem ich das Ganze ja schon durchgemacht habe und durchaus mitreden kann, stelle ich die Frage.

Ist es schlecht, wenn man sich mit den Gegebenheiten abfindet und einen Weg sucht, mit dem Bevorstehenden klarzukommen?

Ist es besser, wenn man das doch Kommende wegschiebt und hofft und hofft und Mut macht, sich und dem Betroffenen im Grunde aber in die Tasche lügt?

Ich weiß, es gibt den Spruch "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Aber irgendwann ist die Krankheit an einem Punkt angekommen, wo die Hoffnung stirbt - und zwar bevor derjenige ins Regenbogenland geht.

Für mich ist es ehrlicher, wenn man ab einem gewissen Punkt auch den Tatsachen ins Auge blickt. Es bringt einem Kranken nichts, wenn er sich den Angehörigen zuliebe weiterquält, weitere Therapien macht, nur um etwas getan zu haben. Dieser Impuls muß von dem Betroffenen selbst ausgehen.

Meine Mutter wollte irgendwann nicht mehr. Ich hätte niemals im Leben versucht, gegen ihre Meinung anzukämpfen, sie noch zu irgendetwas zu überreden (bei uns wäre noch eine Option gewesen, die aber meiner Meinung nach viel zu spät kam). Ich habe ihre Gefühle akzeptiert. Ich habe sie losgelassen. Sie durfte gehen, wenn sie möchte, ohne sich um mich zu sorgen.

Das ist nämlich oftmals das Problem. Und das lese ich hier immer wieder, das ärgert mich auch immer wieder. In einem gewissen Stadium der Krankheit hat der Betroffene oftmals keine Kraft mehr, weiterzumachen. Und da stehen die Angehörigen da und drängeln und tun und organisieren, weil sie es eben nicht akzeptieren können, dass es zu Ende geht. Der Betroffene macht oft diese Bemühungen mit - aus Rücksicht auf seine Lieben. Oftmals äußert er auch nicht seinen Willen - auch aus Rücksicht.

Dabei hätte der Betroffene gerne auch seine Ruhe, auch er braucht die Zeit, sich auf den Übergang vorzubereiten, ihn zu akzeptieren. Und dazu braucht auch er die Hilfe von Angehörigen, dass es okay ist, zu gehen. Dass er nicht kämpfen muss, nur weil seine Lieben das möchten.

Ich würde mir, wenn ich hier von Angehörigen lese, immer mal wieder wünschen, dass sie innehalten und doch mal ihre Sensoren ausfahren, was der Betroffene möchte. Auch meine Mutter hätte nochmal angegriffen, versucht zu kämpfen. Erst als ich angesprochen hatte, dass ich es nicht sinnvoll finde, das zu probieren, hat sie erleichtert aufgeatmet mit den Worten "Darf ich jetzt endlich sterben". Dieser Satz ist tief in mein Herz gegangen. Es hat genau das ausgedrückt, was ich geschrieben habe. Äußerlich wollte sie kämpfen und hat es immer wieder gesagt, innerlich wollte sie ihre Ruhe.

Vielleicht helfen diese offenen Worte dem ein oder anderen Angehörigen, einfach mal herauszufinden, was der Betroffene wirlich will. Das auch mal konkret anzusprechen. Und zwar wirklich ehrlich ohne den Betroffenen zu Äußerungen zu zwingen, die der Angehörige gerne hören will, dass er weitermachen will.

Wer die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross kennt, wird mir zustimmen. Es gibt verschiedene Phasen des Sterbens. Dazu gehört auch die Akzeptanz. Meiner Meinung nach wird diese Phase oftmals von den Angehörigen vereitelt. Dabei ist es nicht so schwer, mit einem Betroffenen umzugehen, wenn er sich entschieden hat. Es ist viel leichter, als mit unehrlichem Worten das Unaufschiebbare wegzureden.

Das ist meine Erfahrung.

LG

Astrid
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