Thema: Stammtisch
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Alt 11.03.2008, 08:04
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Ein Tag mit Wetter, das zur Stimmung passt. Absolutes Tief.

Mir geht es immer häufiger so, wie Anemone es beschrieben hat. Versuche hin und wieder Abstand zu gewinnen. Aber noch immer brauche ich dieses Ventil.

Schubladen, die aufspringen und verborgenes wieder an die Oberfläche befördern. Schätze der Erinnerung, so unendlich traurig und doch sind es Schätze der letzten gemeinsamen Lebensphase. Nur gewusst hatte ich es nicht, zum Glück?

Ich frage mich oft, ob Claus ärgerlich war über meine Blauäugigkeit. Ich weiß, wie sehr ihm bewusst war, was das alles bedeutet, was es alles mit sich bringen wird und wie der Ausgang sein kann.

Für mich war es klar: Tumor? Nun, aufschneiden, rausholen, genesen und schon ist unser Leben wieder da. Ok, nicht ganz so aber irgendwie gingen meine Gedanken schon in diese Richtung.

Und heute sind es bereits vier Jahre, dass wir in die Klinik fuhren. Vier Jahre und jede Sekunde abrufbar. Vier Jahre und mein nervöser Magen, der mir das Zähneputzen fast unmöglich machte. Damals brauchte ich keine Trennkost....Vier Jahre - nach vier Jahren Partnerschaft heirateten wir, vier Jahre, ich kann es nicht fassen.

Und der letzte Eisbecher mit Krokant. Ja, der zaubert noch immer ein Lächeln auf mein Gesicht. "Sie haben ihn nicht gefunden" waren seine ersten Worte nach der OP zu mir. Und ich hatte geschwiegen, als er ihn am Tag vor der OP, stur wie er nun einmal war, bestellt hatte, obwohl er gar nichts mehr hätte essen dürfen. Und dieser Eisbecher war sein letzter im Leben. Und er hat ihn einfach gegessen, ob er ihn genossen hat? Nun, das wage ich zu bezweifeln...

Und die Gedanken drehen sich mal wieder im Kreis. Die OP erstaunlich gut gelaufen, er hatte sich so gut davon erholt. Und immer wieder dieses: Hätten wir doch.....ja hätten wir doch auf diese mörderische Therapie danach verzichtet. Und gleich während dieser Gedanken die Frage: Und dann? Wie würde ich jetzt denken, wenn er gestorben wäre, ohne dass wir diesen letzten Strohhalm benutzt hätten? Man dreht sich im Kreis immer und immer wieder.

"Wenn du an meiner Stelle wärst, ich würde dir kiloweise die Misteln anschleppen. Und ich glaube, bei dir würden sie sogar helfen." Nein, er wollte erst die Schulmedizin ausreizen. Und danach vielleicht....Es gab kein danach, gab die Chance der Mistel nicht mehr. Aber es war seine Entscheidung.

Vier Jahre. Und es stürmt draußen, der Wind pfeift und meine Gedanken sind nicht im Jetzt und hier. Ich verharre noch ein wenig im gestern. Mit schwerem Herz und voller Sehnsucht. Mit dem Kloß im Hals, wenn der letzte Blick zwischen uns wieder auftaucht, als sich die Aufzugstüre im Krankenhaus schloss, uns trennte, als Vorboten für das was kommen würde.

Ich nehm jetzt mein Tierchen mit in die Küche, werde noch einen Kaffee trinken, dann unter die Dusche und die Maske auf! Mit einem Lächeln zur Arbeit, klar was sonst. Es sind doch schon vier Jahre. Wer sollte das da draußen verstehen....

Kommt gut durch den Tag und lasst euch nicht ärgern!

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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