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Alt 08.06.2008, 12:58
Benita Benita ist offline
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Standard AW: Glioblastom, Angst frisst meine Seele auf

Hallo Ihr Lieben,

schon wieder eine Nacht voll Schlaf und ich könnte schon wieder Bäume ausreißen. Ich werde es aber ruhig angehen lassen. Wobei ich mir schon wieder vorgenommen habe, zu Hause mal gründlich Schiff zu machen. Habe gestern mal meinen Kleiderschrank ausgemistet. Meine Regel: Ein neues Teil ins Haus, ein altes muss raus. Und da ich in der vergangenen Woche eine Powershoppingtour gemacht habe, mussten sich also einige Teile aus dem Kleiderschrank verabschieden. Warum fällt es einem dabei so schwer? Wahrscheinlich weil man irgendwann (vor 10 Jahren?!!) mals viel Geld ausgegeben hat. Also habe ich mich in diverse Kostüme und Anzüge gezwängt, mir ganz ehrlich eingestanden, dass ich in meinem Alter wahrscheinlich nie wieder Größe 38 erreichen werde und mich von diesen Teilen getrennt. Das Waschmaschinchen läuft so nebenher und das Bügeleisen glüht. Ich muss echt bescheuert sein, aber ich kann nicht anders. Irgendwie muss ich immer was tun. Wobei die Sonne scheint und ich mich auf der Terrasse sonnen könnte. Nachher!

Renate, ich habe wirklich viele Jahre und unendlich viele schreckliche Erfahrungen machen müssen, bis ich da angekam, wo ich jetzt bin. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es im JETZT zu leben. HEUTE findet das Leben statt, was MORGEN ist, weiß keiner!!!!! Carpe diem, nutze den Tag. Das ist die Devise. Wir standen schon so oft am Abgrund und dachten, das wars. Und plötzlich ging immer was. Im Laufe der vielen Jahre, die mein Mann erkrankt ist, sind in unserem Bekanntenkreis soviele Menschen durch Unfälle oder einen plötzlichen unerwarteten Tod gestorben. Sie waren sich alle sicher, dass sie meinen Mann überleben, sie hatten ja keinen Grund, sich mir ihrem eigenen Ableben auseinanderzusetzen. Mein Mann hat sie überlebt. Das hat mir gezeigt, dass es im Leben keine Regeln gibt, an die man sich halten kann. Das Schicksal bestimmt die Richtung und wir müssen das Beste daraus machen.
Gerne wären wir ungezwungen und würden uns über sovieles keine Gedanken machen. Gerne würden wir wie früher unbekümmert in den Tag hineinleben. Doch es ist nun mal nicht mehr möglich. Dafür leben wir intensiver, bewußter und dankbarer. Denn das Leben ist keine Selbstverständlichkeit. Morgen schon könnte es für jeden von uns vorbei sein. Also leben wir heute und wenn der Tag auch manche Unannehmlichkeit mit sich bringt, so gibt es trotzdem jeden Tag eine winzige Kleinigkeit, über die man sich freuen kann und freuen soll. Heute scheint die Sonne und ich habe tatsächlich wieder ein bisschen Platz in meinem Kleiderschrank. Verstehst du, was ich meine? Ich wünsche dir und deinem Mann, dass ihr bald einen guten Weg findet, mit dieser Sch......krankheit zu L E B E N!!! Alles, was zu tun ist, wird getan, aber alles zu seiner Zeit. Jeder Bergsteiger erklimmt den Gipfel nicht an einem Tag sondern er steigt in Etappen von Camp zu Camp. Dort angekommen, ruht er sich erstmal aus. Dabei schaut er nicht ständig zum Gipfel und es graut ihm, welch weiten und beschwerlichen Weg er vor sich hat. Nein er blickt herum und genießt die Aussicht. Er ist stolz, auf das was er schon geschafft hat. Und wenn er sich ausgeruht hat, nimmt er sich nicht den Gipfel, sondern den nächsten Abschnitt vor.
Genauso versuche ich zu leben. Unser Leben ist ein großer Berg, den wir bezwingen und jeden Tag gehen wir ein Stück voran. Dabei sollten wir alles Positive genießen, die kleine Blume am Wegesrand die uns grüßt und herrlich duftet. Und an dem stinkenden Kuhmisthaufen gehen wir vorbei mit Blick auf die nächste Schönheit.

Ich möchte euch alle herzlich drücken und euch ein bisschen von meiner Lebensfreude abgeben.

Ich wünsche euch allen einen sonnigen Sonntag.

Benita

Geändert von Benita (08.06.2008 um 13:07 Uhr) Grund: .
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