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Alt 15.09.2003, 10:54
Gast
 
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Standard Du fehlst mir so sehr............

Hallo Uli, Inge Frank und alle anderen,

ich versuche immer noch zu begreifen, was passiert ist, aber es will mir nicht gelingen. Ulis Krankheit und Tod sind wie ein bösartiger Wirbelsturm durch unser Leben gebraust und hat es in kürze zerstört. Wie oft denke ich, wenn du es dir nur fest genug wünscht, dann kommt er wieder. Wie sinnlos. Ich werd euch mal erzählen, wie ich meinen Mann eigentlich 2 X verloren habe:

Im Herbst letzten Jahres, war unsere Welt noch wunderbar. Dadurch, dass die Kinder nun aus dem Gröbsten sind, hatten wir endlich mehr Zeit zu Zweit zu sein und haben das in vollen Zügen genossen. Kurz vor Weihnachten wurde ich ziemlich krank und war über vier Wochen kaum in der Lage unseren Haushalt und die Feiern zu organisieren und durchzustehen. Damals begann ich mich zu Ärgern, dass Uli sich wenig daran störte, was sonst nicht der Fall war. Im Januar hatte er dann Urlaub, mir ging es besser und Uli schlief, fast rund um die Uhr. Nach der 1. Woche, die 2. Woche. Ich schickte ihn zum Arzt, Diagnose: beidseitige Bronchitis, beidseitige Mittelohrentzündung. Nun hatte seine Müdigkeit einen Grund. Mittlerweile war es so, dass mein Mann nicht mehr am Familienleben teilnahm. Er zog sich völlig von uns zurück. Wir redeten kaum,auch,weil er ja fast nur schlief, ich muss dazu mal erklären, mein Mann war ein „Gerne-Schläfer“,bevor wir uns kennen lernten, konnte er ganze Tage durchschlafen. Weitere 2 Wochen später war er angeblich auskuriert, aber er interessierte sich weiter für nichts, die Geburtstagsfeiern, die Arzttermine, der verstopfte Abfluss, ich brodelte, wie konnte er uns nur so im Stich lassen. Ich versuchte mit ihm zu reden, aber er wusste gar nicht worüber ich sprach. Ich fühlte mich persönlich verletzt. Die Kinder nahmen ihn nicht mehr ganz ernst, weil er völlig gleichgültig war. Ich hatte das Gefühl, ich habe meinen Uli verloren.
Plötzlich bekam er eine Schlafapnoe. Auch das war ihm egal, also ging ich mit ihm zusammen zum Arzt, Uli bekam eine Überweisung zum Lungenfacharzt. Nach zähen Verhandlungen bekam ich für ihn 2 Tage später einen Termin. Montags Lungenarzt, Mittwoch Klinik, Freitag hab ich erfahren, dass er sterben wird. Noch bevor das Histologische Ergebnis da war, war klar, dass er todkrank war. Sein Hirn-CT hatte etliche Metastasen gezeigt. Die Ärztin sprach von 1/ 2 Jahr. An diesem Wochenende durfte er tagsüber nach Hause. Sonntags haben wir unseren letzten gemeinsamen Familienausflug gemacht. Der Gedanke, wie sagen es ihm die Ärzte am Montag, dass er todkrank ist, war unerträglich. Wie reagiert er bei dieser Nachricht? Ich habe mit seinem völligen Zusammenbruch gerechnet. Ich konnte nicht schlafen, nicht essen, hatte die Schmerzen, die er nicht mal hatte, habe geweint und vor Wut geschrieen, wenn ich ihn zurück ins KH brachte und allein zurückfuhr, habe gefroren wie im tiefsten Winter. Als die Ärztin dann kam und ihm und mir die genaue Diagnose mitteilte, da antwortete er: das kann jeden treffen, schlimmer wäre es, wenn es ein Kind wär. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht, dass ihm auch dies gleichgültig war.
Kurz darauf wurde mir aber klar, was diese Gleichgültigkeit hervorrief. Es war eine der Metastasen, ein 6 cm großer Tumor im Stirnlappen. Nachdem die Metastasen und die Bestrahlung und die Chemo angesetzt wurden, veränderte Uli sich zurück. Ich wusste aber auch, dass ihm dann sein Zustand bewusst wird. Nach 2 weitern Wochen fing er an sich Gedanken zu machen, las Fachliteratur und begriff, dass selbst bei seinen guten körperlichen Voraussetzungen er kaum eine Chance hatte, mehrere Jahre zu überleben. Sein Hauptziel war die Konfirmation unseres ältesten Sohnes am 4. Mai. Uli hat alle Behandlungen widerspruchslos über sich ergehen lassen. Zu Hause brutschelte er sich den ganzen Tag über Schnitzel, weil ihm das Essen im KH nie schmeckte. Wir redeten ohne Ende, waren immer zusammen. Er nahm systematisch Abschied von seinem Leben. Uli war nie ein großer Redner, plötzlich konnte er auch über Emotionen sprechen, zündete Kerzen an, bewunderte den Sonnenuntergang: Jetzt weiß ich erst, was du immer meintest,sagte er. Ich hatte nicht meinen alten Uli wieder, sondern einen perfekten Uli. 5 Wochen und 2 Tage nach der Diagnose brachte ich ihn zur letzten ambulanten Chemo ins KH. Nachmittags wollte ich ihn dort wieder abholen, aber dazu kam es nicht mehr. Kurz vor halb Eins war der Chefarzt am Telefon. Er traute mir nicht zu sagen was los war, ich musste ihn auffordern zu sagen was passiert war. „Das schlimmste, was sie sich vorstellen können,“ war seine Antwort . Ich sah wie 2 Milchglaswände vor meinem Gesicht zu gingen, ich habe sie richtig gesehen. Ich hatte die Liebe meines Lebens verloren.

Eigentlich wollte ich noch etwas zu euren Eintragungen schreiben, dass mach ich später, seit lieb gegrüßt
Andrea
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